Sam
, [
1263-1264] ein altes Wort, welches die
Deutsche Sprache mit vielen andern gemein hat, und welches vornehmlich in einem
doppelten Hauptverstande vorkommt. 1. Mit dem Begriffe der Menge, der Vielheit,
und deren Verbindung; ein jetzt in dieser Form völlig veraltetes Wort, wovon
aber so wohl das Lat. simul, als unser Samen, sammt, sammeln, zusammen,
beysammen u. s. f. Abkömmlinge sind. Bey dem Notker ist samoso, zugleich,
simul. (
S. die jetzt angeführten Wörter.) Da der Hauch und der
Zischlaut mehrmahls in einander übergehen, so gehöret auch das Griech.
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , zugleich, mit hierher.
Sam ist hier eine unmittelbare Nachahmung des Lautes, welchen mehrere neben
einander befindliche, oder in einen Punct sich vereinigende Dinge verursachen,
und wovon unser summen bloß ein Intensivum ist. 2. Mit dem Begriffe der
Gleichheit, der Ähnlichkeit, welcher zunächst eine Figur des Lichtes, des
Scheines ist, so wie dieses wieder eine von der schnellen Bewegung übertragene
Bedeutung ist. Zu der Bedeutung des Lichtes, des Scheines, gehöret unser
Sommer, und mit dem stärkeren Zischlaute das Griech. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - unser Schemen; ein Bild, Schein,
Schatten, und Schimmer, und zu dem davon abstammenden Bilde der Ähnlichkeit das
Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , das Lat.
similis, Simia, das Engl. to seem, scheinen, Franz. sembler u. a. m. Auf unser
sam wieder zu kommen, so war es 1) Ehedem als eine Partikel am üblichsten,
welche eine Vergleichung bezeichnete, und für als, wie und das nahe verwandte
so gebraucht wurde. So samo stehet bey dem Kero für so wie. Ottfried gebraucht
sama für so, also, gleichfalls, und Kero sam - sama für so wohl - als auch,
Lat. tam - quam.
Ir minneklicher mund Der duhte mih in solher roete Sam ein
fuirig flamme entzunt, Markgr. Otto von Brandenburg. Teurdank saget uns alles
sam Wie im damit wer geschehen, Theuerd. Will ich thun sam ich gar nit seh,
Hans Sachs. Und urtheilt sam sey sie unsinnig, ebend.
Doch in dieser Gestalt ist es im Hochdeutschen veraltet, und
wir gebrauchen es 2) Nur noch in Zusammensetzungen, wo dieses sam gewissen
Hauptwörtern, Zeitwörtern und Partikeln angehänget wird, Bey- und Nebenwörter
daraus zu bilden, welche eigentlich und zunächst eine Ähnlichkeit mit dem in
der ersten Hälfte bezeichneten Subjecte andeuten. Arbeitsam, bedachtsam,
genügsam, achtsam, aufmerksam, betriebsam, behutsam, biegsam, folgsam,
gewaltsam, wegsam, grausam, rathsam, sparsam, wachsam, sorgsam, erfindsam,
tugendsam, ehrsam, mühsam, heilsam, friedsam, empfindsam, gleichsam, genugsam,
langsam, seltsam, sattsam, bey welchen letztern, welche mit Partikeln zusammen
gesetzt sind, es zunächst die Art und Weise bezeichnet, welche die Partikel an
und für sich allein nicht ausdrucken können. In einsam ist es noch nicht
ausgemacht, ob es hierher oder zu einem andern Stamme gehöre,
S. dieses Wort. Ich sage, die Ableitungssylbe bedeute
eigentlich und zunächst eine Ähnlichkeit; denn nach sehr bekannten Figuren,
bekommt sie oft andere Bedeutungen. Denn sie bezeichnet zuweilen (1) eine
Fertigkeit, dasjenige zu thun, oder eine Fähigkeit, dasjenige zu leiden, was
das Subject in der ersten Hälfte der Zusammensetzung ausdruckt. Arbeitsam,
Fertigkeit besitzend, zu arbeiten, mühsam, Fertigkeit besitzend, keine Mühe zu
achten, genügsam, Fertigkeit besitzend, sich genügen zu lassen, erfindsam,
geschickt etwas zu erfinden, biegsam, fähig sich biegen zu lassen u. s. f. (2)
Dasjenige wirklich habend, mit demselben verbunden, was die erste Hälfte der
Zusammensetzung besaget. Mühsam, mit Mühe verbunden, Mühe verursachend,
bedachtsam, Bedacht nehmend oder anwendend, sorgsam, Sorge wagend, tugendsam,
Tugend besitzend, tugendhaft u. s. f. Sam hat die Bedeutungen mit der Sylbe
-lich gemein, von welcher es in der Bedeutung nicht verschieden ist, daher es
auch häufig für dieselbe gesetzt wird. Friedsam und friedlich sind im Grunde
doch einerley, für dienlich sagt man auch diensam, für gemächlich in einigen
Bedeutungen gemachsam, für wunderlich in seiner veralteten eigentlichen
Bedeutung auch wundersam, für empfindlich, so fern es Leichtigkeit im empfinden
bedeutet, auch empfindsam, für nachdrücklich ist im Oberdeutschen nachdrucksam
üblich, für löblich sagte man ehedem lobsam, lobesan u. s. f. Herr Ramler hatte
diese Uebereinstimmung in seiner Ausgabe des Batteux bereits eingesehen; ein
Recensent läugnete dieselbe in der neuen Hamburger Zeitung, und führete z. B.
fürchterlich und furchtsam, gräulich und grausam, empfindlich und empfindsam,
bildlich und bildsam an. Allein in den beyden ersten Beyspielen ist das Subject
verschieden, wie schon aus den verschiedenen Formen erhellet, in dem dritten
übersiehet derselbe die erste eigentliche Bedeutung des Wortes empfindlich,
welche noch nicht veraltet ist, und im vierten findet wieder eine
Verschiedenheit des Subjectes Statt, denn in bildlich ist die erste Hälfte das
Hauptwort Bild, in bildsam aber, welcher doch wenig gebraucht wird, ist es das
Zeitwort bilden. Freylich hat der Gebrauch die mit -lich und -sam gebildeten
Wörter auf mancherley Art bestimmt und eingeschränkt, daher man nun nicht
allemahl eines für das andere setzen kann; allein in der ersten eigentlichen
Bedeutung kommen sie doch mit einander überein. Eben um deßwillen ist es auch
nicht ohne alle Einschränkung erlaubt, neue Wörter vermittelst dieser
Ableitungssylbe zu bilden, obgleich solches in einigen Fällen Statt finden
kann. So hat das von einigen Neuern gebildete Wort überlegsam nichts, was die
Analogie oder das Gehör beleidigte. Übrigens ist diese Sylbe in der Prosodie
lang. Die dadurch gebildeten Beywörter leiden die Comparation, und lassen in
derselben das a unverändert; mühsamer, mühsamste. Ehedem bildete man von diesen
Beywörtern vermittelst des angehängten e sehr häufig Hauptwörter, das
Abstractum, den Zustand, zu bezeichnen, welche denn ganz natürlich weiblichen
Geschlechtes waren. Die meisten davon sind veraltet, einige sind im
Hochdeutschen ungangbar, aber noch im Oberdeutschen üblich. Die Gerechtsame,
die Gewahrsame, das Oberdeutsche Gewaltsame. Diese Hauptwörter kommen mit den
auf - schaft überein, und da diese figürlich auch oft ein Concretum bedeuten,
so geschiehet solches auch zuweilen mit jenen. Die Bauersame ist im
Oberdeutschen die Bauerschaft, die sämmtlichen Bauern eines Dorfes, einer
Gegend, die Genossame, die Genossenschaft, wohin auch unser Gerechtsame für
Befugniß gehöret. Der Gehorsam macht hier jetzt eine Ausnahme von der Regel;
allein ehedem war es rich- [
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Geschlechte üblich, die Gehorsame, welches Geschlecht den Abstractis ihrer
Natur nach zukommt. Das Oberd. der Genossam, für ein Genoß, ein Glied einer
Genossame, würde eine noch merkwürdigere Ausnahme machen, wenn es nicht
verdächtig wäre. Statt dieser Hauptwörter, welche wie gesagt, größten Theils
veraltet sind, sind die vermittelst der Nachsylbe -keit gebildeten Hauptwörter
üblicher, welche die meisten Beywörter auf - sam annehmen können. Achtsamkeit,
Aufmerksamkeit, Bedachtsamkeit, Rathsamkeit, Biegsamkeit, Folgsamkeit,
Grausamkeit, Arbeitsamkeit, Sparsamkeit, Wachsamkeit, Erfindsamkeit,
Empfindsamkeit, Mühsamkeit, Heilsamkeit, Einsamkeit, Langsamkeit, Seltsamkeit
u. s. f. Einige wenige verstatten selbige nicht, besonders diejenigen, welche
nur als Nebenwörter üblich sind, wie gleichsam, genugsam und sattsam. Von
Gelehrsamkeit ist das Beywort gelehrsam ungangbar geworden, es war aber ehedem
üblich. [
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