Dünken
, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert,
oft aber auch unpersönlich gebraucht wird. Es bedeutet, 1. * Denken; von
welcher längst veralteten Bedeutung noch in ältern Schriften einige
Spuren vorkommen. Ingleichen erinnern.
Es dünkt mich ja noch gut der ersten Kinder Spiele,
Günth.
d. i. ich erinnere mich ihrer noch gar wohl. Auch dieser
Gebrauch ist im Hochdeutschen fremd. 2. Den äußern Sinnen vorkommen,
ein Urtheil der äußern Sinne veranlassen, scheinen. 1) Als ein
persönliches Zeitwort. Er thunket uzen gruone, er scheinet von außen
grün, in dem Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter. Wan
mich das sehen dunket also guot, Rudolph von Niuwenburg. Die Blumen dünken
mich schöner, sie riechen lieblicher, die ich in meinen Körbchen
trage, Geßn. Er sah mich und ich dünkt' ihm schön, Weiße.
2) Als ein unpersönliches Zeitwort, mit der vierten Endung der Person.
Mich dünkt, ich sehe ihn kommen. Es dünket dich nur so. Dann
dünkts mich, ich sehe die Schatten vorüber gleiten, Dusch. 3) Ein
muthmaßliches Urtheil veranlassen, auch nach den innern Sinnen,
gleichfalls für scheinen. 1) Persönlich. Die in dunchen sollten,
Notker. Thaz thunkit mih girati, das scheinet mir rathsam, Ottfried.
Je doch so weis ich einen man Den ouch die selben frowen
dunkent guot, Heinrich von Morunge.
Ingleichen mit dem Verbo lassen. Und ließ sich wohl
dünken, es bedeutete nichts Gutes, 2 Macc. 14, 30. Oder lasset ihr euch
dünken, die Schrift sage umsonst u. s. f. Jac. 4, 5. Laß dichs nicht
schwer dünken, daß du ihn frey los giebest, 5 Mos. 15, 18. Noch
häufiger gebraucht man es in dieser Bedeutung, 2) unpersönlich. Thaz
mih ni thunkit, Ottfr. Waz inan thesses thunke, was ihn davon dünkte,
ebend. Was tunchet iu umbe Christ? was dünket euch von Christo? ebend.
Eben so heißt es auch in Luthers Übersetzung, Matth. 22, 42: Wie
dünket euch um Christo?
Es dunket mich Unselicheit Das ich, u. s. f. Reinmar der
Alte. Es dunket mich wol tusent iarDas ich an liebes arme lag, Dietmar von
Ast.
Es dünket mich unmöglich. Was dünket euch
hiervon? Aber es wird sie solch Wahrsagen falsch dünken, Ezech. 21, 23. 4.
Dafür halten, aus wahrscheinlichen Gründen urtheilen. Ich dunch mich
niht ir selben wert, Graf Wernher von Honberg. Es gehet mir wohl, wie es mein
Herz dünkt, 5. Mos. 29, 19. Die Menschenliebe versaget ihre Hülfe
auch denen nicht, von denen wir uns beleidiget dünken, Dusch. Wenn es in
diesem Verstande unpersönlich gebraucht wird, so gehöret es zur
vorigen Bedeutung. Zuweilen wird auch der Infinitiv als ein Hauptwort
gebraucht. Daß ihr nicht eures Herzens Dünken nach richtet, 4 Mos.
15, 39. Jene haben uns gezüchtiget nach ihrem Dünken, Ebr. 12, 10.
Doch man muß nach meinem Dünken jetzt auch lustig
seyn, Haged.
Im Hochdeutschen kommt dieses Hauptwort nur selten vor.
S. auch Bedünken. 5. Am häufigsten gebraucht
man dieses Wort von der Meinung, welche man von sich selbst, von seinen eigenen
Vorzügen hat. Ein Fauler dünket sich weiser, denn sieben, die da
Sitten lehren, Sprichw. 26, 16. Die zu Theman, die sich klug dünken, Bar.
3, 22, die sich selbst klug scheinen, sich für klug halten. Muß er
sich nicht von besserm Stoffe dünken, als die andern? Du dünkest dich
unglücklich, Dusch. Jeder dünkst sich ein eigener König einer
kleinen Welt, ebend. wo der Nominativ, ein König, ganz richtig ist, weil
zu seyn ausgelassen worden. Es ist daher ein Fehler, wenn eben derselbe in
einer andern Stelle sagt: Der Thor, der sich einen König dünkte, ist
ein Sclav geworden. Er dünkt sich recht klug zu seyn, Gell. Ich dünke
mich hierüber verständlichere [
1575-1576] Dinge
gesagt zu haben, als irgend ein Schriftsteller, Less. Ob es gleich in der
ersten Person seltener gebraucht wird.
Und weil er fühllos ist, dünkt er sich groß zu
seyn, Gieseke. Die dünken sich kein schlechtes Vieh, Haged.
Ingleichen mit dem Verbo lassen. Laß dich klug
dünken, Sir. 6, 2. Er läßt sich etwas dünken, er hat eine
große Meinung von sich selbst.Dünken läßt zwar den Grund
und Ungrund der Meinung, die man von sich hat, eigentlich unentschieden; allein
es hat doch in dieser Bedeutung in den meisten Fällen den Nebenbegriff
einer ungegründeten, wenigstens übertriebenen Meinung;
S. Dünkel, in welchem Worte dieser Nebenbegriff der
herrschende ist.Anm. 1. Wenn dieses Zeitwort den Infinitiv nach sich hat,
so bekommt dieser im Hochdeutschen das Wörtchen zu. Das dünket mich
theuer zu seyn. Allein im Oberdeutschen lässet man dieses zu häufig
weg. Ir dünkt mich nit fast witzig seyn, H. Sachs. Welches auch Luther
mehrmahls nachgeahmet hat. Dünket euch das ein geringes seyn? 1 Sam. 18,
23. Ists nicht also, es dünket euch nichts seyn? Hagg. 2, 4. Dünket
sie solches unmöglich seyn? Zachar. 8, 6. Die Glieder des Leibes, die uns
dünken die schwächsten seyn 1 Cor. 12, 22. Das dünkt mich gar
viel besser seyn, Opitz. Indessen ist die ganze Wortfügung mit dem
Infinitive im Hochdeutschen, wenigstens in der edlern und anständigern
Sprechart, ungewöhnlich.Anm. 2. Aus den bisher angeführten Beyspielen
erhellet, daß dieses Wort am häufigsten mit der vierten Endung der
Person gebraucht werde. Indessen gibt es doch auch Beyspiele mit der dritten.
So imo rat thunkit, sagt selbst Ottfried ein Mahl, der es doch sonst jederzeit
mit dem Accusative verbindet. Thaz dunchet dir, Notker. Vnde mir diz fure nieht
ne dunke, ebend. Sie dunket mir glich, Willeram. Den twen dunket, in einer
Nieders. Urkunde von 1377. Einem jeglichen dünket seine Wege rein seyn,
Sprichw. 16, 2. Kap. 21, 2. Ein jeglicher, was ihm recht dünket, 5. Mos.
12, 8. Hier dünket es einem gelehrten Manne, sagt selbst Gottsched, der
doch dünken nie anders als mit dem Accusative wollte verbunden wissen. Die
Versicherung wird dir parteyisch dünken, Dusch. Wie lange dünken die
achtzehen Sommer? ebend. Dünkt dir die Zeit so lange? ebend. Vielleicht
rühret dieser Dativ aus eben der Ursache her, aus welcher auch
däuchten zuweilen mit dieser Endung gefunden wird; nehmlich weil die
Schriftsteller durch das Latein. videtur mihi dazu verleitet worden.Anm. 3. Bey
dem Verbo däuchten ist bereits angemerket worden, daß dünken
bloß der Mundart nach von diesem Worte verschieden ist. Das n schleicht in
mehrern Wörtern sehr gerne vor den Kehl- und Hauptbuchstaben her, wie in
dunkel. Im Schwedischen lautet dieses Wort noch jetzt tycka, welches mit
dünken alle Bedeutungen gemein hat.
S. Däuchten und Denken. [
1577-1578]