Dulden
, verb. reg. act. 1) Überhaupt, mit Gelassenheit leiden
oder ertragen. Er duldet alles Unglück willig und gern. Man verfolget uns,
so dulden wir, 1 Cor. 4, 12. Besonders Widerwärtigkeiten mit Gelassenheit
ertragen. Dulden wir, so werden wir mit herrschen, 2 Tim. 2, 12.
S. Erdulden. 2) Mit Nachsicht bestehen oder fortdauern
lassen. Das sollte nicht geduldet werden. Der ist noch weit von der Tugend
entfernt, der Schwachheiten in sich duldet, die ihn verführen können,
Dusch. Die Juden werden im Römischen Reiche geduldet, sie werden nicht als
Juden bestraft.
S. Duldung. 3) An sich haben. Die hellesten Augen dulden
ihre Finsternisse, Mosh. In welcher Bedeutung es doch wenig mehr vorkommt.Anm.
Im Oberdeutschen lautet dieses Wort dulten, bey dem Ottfried thulten. Es ist
das Intensivum von einem veralteten Zeitworte dolen, welches von des Ulphilas
Zeiten an bis auf die Schwäb. Dichter vorkommt, und ehedem einen weit
größern Umfang der Bedeutung hatte, als dessen heutiges Intensivum.
Es bedeutete, 1) leiden, ertragen, wie unser dulden; in welcher Bedeutung
doleen, kedolen, und fardolen schon bey dem Kero vorkommen.
Die mich dur die rechten minne lange pine doln liet, Heinrich
von Veldig. In der dienste ich her vil manigen langen strengen kummer dol, Jac.
v. Warte. Von schulden ich den kumber dol, Reinmar der Alte.
In der Schweiz soll dieses einfache Verbum noch jetzt
üblich seyn. Eben diese Bedeutung hat thulan bey dem Ulphilas, tholian im
Angelsächsischen, tola im Schwedischen, dol im Isländischen, taale im
Dänischen, und -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - im Griechischen. Auch in der ältesten Sprache der
Römer muß sich dieses Wort befunden ha-ben, wie aus dem Frequentativo
tolero, der vergangenen Zeit tuli des Zeitwortes ferre, und den Wörtern
indulgere, dolere, und dolor, zumahl da Dol in der Bedeutung des Schmerzens bey
den Alten gleichfalls nicht selten ist, erhellet. 2) Erlauben; eine
figürliche Bedeutung der vorigen, in welcher dolan bey dem Willeram
vorkommt. 3) Zaubern, säumen, warten. In dieser Bedeutung kommt dualan
sehr oft bey dem Ottfried vor. Man könnte dieses für ein eigenes
besonderes Wort halten; allein da das Schwed. tola gleichfalls warten und
zaubern bedeutet, so scheinet es gleichfalls hierher zu gehören.
S. Geduld und Gedulden. 4) Thun. Diese Bedeutung findet
sich nur in den Monseeischen Glossen, wo tuldun durch egerint, und tuldet durch
agite erkläret wird.
S. Stelle und Stellen. 5) Besonders ein Fest begehen,
feyern. So gebraucht Kero schon kitulden.
S. Dult. [
1569-1570]