Dringen
, verb. irreg. Ich dringe, du dringest, er dringet; Imperf. ich
drang oder drung; Conj. ich dränge oder drünge; Mittelwort gedrungen;
Imperat. dringe. Es ist in doppelter Gattung üblich.I. Als ein Neutrum,
welches das Hülfswort seyn erfordert, durch Drücken von der Seite
einen Raum einzunehmen suchen. 1. Eigentlich. Das Volk drang in den Saal. Alles
dringet herzu. Obgleich diese und andere R. A. nichts Tadelhaftes an sich
haben, so ist doch in dieser eigentlichen Bedeutung das Reciprocum sich
drängen im Hochdeutschen beynahe üblicher. 2. In weiterer und
figürlicher Bedeutung, mit Überwindung eines Widerstandes an und in
einen Ort gelangen. Die Feinde sind haufenweise in die Stadt gedrungen. Er
drang mit gewaffneter Hand durch das Volk. Das Wasser dringet durch das Dach.
Die Fluth dringt in die Gassen.
Wohin kann nicht ein goldner Regen bringen? Wiel.
Das Gift drang ihm stark an das Herz. Seine Klagen drungen in
das Herz, Gell. Es dringt mir durch Mark und Bein, verursacht mir sehr lebhafte
Empfindungen.
Der Arzt, dem dieses Wort durch Mark und Beine dringet,
Can. Der Frevler, sollt' er wohl in mein Geheimniß dringen? Weiße.
II. Als ein Activum, welches folglich das Hülfswort
haben erfordert. 1. In der weitesten Bedeutung, für drücken, in einen
engen Raum bringen. In dieser Bedeutung sagt man nur im gemeinen Leben,
gedrungen voll, für gedrängt, gepfropft voll. 2. In engerer
Bedeutung, von der Seite drücken, von lebendigen Geschöpfen, wie
drängen. In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen nicht, wohl aber im
Oberdeutschen üblich. Thrank in, drängte ihn, Ottfr. Thih thringit
man, dich dränget jemand, ebend.
Zwar er drang mich auf dem Wege, Daß ich fast kein Glied
mehr rege, Opitz Ps. 102.Der Sturm gedrungener Wellen, Hall.
für gedrängter. 3. Figürlich. 1) Etwas mit
einer Art von Gewalt zu erhalten suchen, als ein Reciprocum. Sich in ein Amt
dringen. Er dringt sich überall zu. Wo doch im Hochdeutschen sich
drängen beynahe üblicher ist. 2) Durch moralische
Bewegungsgründe zu etwas antreiben. So wohl absolute. Die Zeit dringet
mich. Die Liebe Christi dringet uns also, 2 Cor. 5, 14. Da aber Silas - kamen,
drang Paulum der Geist, Apostelg. 18, 5. Als auch mit Benennung des
Gegenstandes. Die Noth hat mich dazu gedrungen. Daher, eine dringende Noth,
welche keinen Aufschub leidet. Das würde ich auch in der dringendsten Noth
nicht thun. Und die Egypter drungen das Volk, daß sie es eilend aus dem
Lande trieben, 2 Mos. 12, 33. In jemanden dringen, ihn durch Worte und
Bewegungsgründe in Verlegenheit bringen. Dringen sie nicht so in mich. Sie
dringt in ihren Vater, daß er die Verlobung beschleunigen soll, Gell. Auf
etwas dringen, es durch Bewegungsgründe, auch wohl befehlsweise, zu
erhalten suchen. Der Gegentheil drang auf den Beweis. Darauf drang er am
meisten. Er dringt darauf, daß du gehorchen sollst.Anm. Dringen lautet im
Niedersächsischen gleichfalls dringen, bey dem Ottfried thringan. Freylich
wäre es bequem, wenn drängen und dringen so unterschieden wären,
wie wänken und trinken, senken und sinken u. s. f. das ist, wenn jenes das
Activum, dieses aber bloß das Neutrum wäre. Allein aus den oben
angeführten Beyspielen erhellet schon, daß dringen eben so oft active
gebraucht wird als drängen. Der ganze Unterschied scheint daher in den
Mundarten zu liegen. Im Hochdeutschen findet noch der Unterschied Statt,
daß dringen, wenn es ein Activum ist, mehr figürlich, drängen
aber mehr eigentlich gebraucht wird. Was die Conjugation betrifft, so sagt man
im Imperf. eben so oft drung als drang; indessen scheinet doch die letzterer
Form [
1553-1554] bey den Neuern die Oberhand zu bekommen.
S. Drücken, welches von diesem Worte das Intensivum
ist. [
1555-1556]