Däuchten
, verb. reg. impers. Welches zuweilen mit der dritten, am
häufigsten aber mit der vierten Endung der Person verbunden wird, ein
Urtheil auf Veranlassung der Sinnen fällen. Eigentlich. Doch geh, mich
däucht sie kömmt, Gell. mir scheint. Mich däucht die Farbe sey
schön. Das Haus däuchtete ihn nicht groß genug. Es
däuchtete mich, ich sähe eine Stadt. Mich däuchte, wir
bünden Garben auf dem Felde, 1 Mos. 37. Mir hat geträumet, mich
däuchte, ein geröstet Gersten-Brot wälzte sich u. s. f. Richt.
7, 12.
Die Kutte wie mich deucht, steht beyden übel an,
Hofmannsw. Mich deucht, ein Blick von mir der steckte Dörfer an, ebend. Was
den Sinnen Hier im Finstern schöne däucht, Can.
2) Figürlich, aus wahrscheinlichen Gründen
schließen, muthmaßlich urtheilen. Was däucht dich dazu? Was
hältst du davon? was glaubest, urtheilest du davon? Er hat, wie mich
däucht, recht gethan. Ein jeglicher that, was ihm recht dauchte, Richt.
17, 6. Was ihm recht zu seyn schien. Und das hat dich noch zu wenig gedaucht,
Gott, sondern hast u. s. f. 1 Chron. 18, 17. [
1415-1416] Ich
habe auch diese Weisheit gesehen, unter der Sonnen, die mich groß dauchte,
Pred. 9, 13. Und es dauchte sie ihre Worte eben als wärens Mährlein,
Luc. 24, 11. Und es dauchte gut die Apostel und Ältesten u. s. f.
Apostelg. 15, 22.
So seh ich bald bey dir, was den Silenus däucht,
Logau.
Anm. 1. Eigentlich sollte dieses Verbum so conjugiret werden:
es däuchtet, es däuchtete, gedäuchtet. Allein man ziehet es
gemeiniglich zusammen, es däucht, im Oberdeutschen es daucht; es
däuchte, im Oberdeutschen es dauchte; gedäucht, im Oberdeutschen
gedaucht.Anm. 2. Wenn die Sache vermittelst eines Infinitivs ausgedruckt wird,
so bekommt derselbe gemeiniglich das Wörtchen zu. Das däucht mich gut
zu seyn. Im Oberdeutschen läßt man dieses Wörtchen weg und setzt
den Infinitiv allein. Da die Sonne aufging - dauchte die Moabiter das
Gewässer gegen ihnen roth seyn, wie Blut, 2 Kön. 3, 22. Und es
dauchte gut die Apostel - aus ihnen Männer erwählen und senden gen
Antiochiam, Apostelg. 15, 22. Hat es uns gedaucht - Männer erwählen
und zu euch senden, B. 25. Den Eilften deucht Susanna nicht keuscher seyn, als
sie, Scult. Und so auch bey dem Opitz. Indessen ist diese ganze Wortfügung
mit dem Infinitiv im Hochdeutschen, wenigstens in der edlern Schreibart,
veraltet.Anm. 3. Ehedem wurde dieses Zeitwort, so wie scheinen, auch
persönlich gebraucht. Thiu nan thuhtan, die ihm schienen, Ottfried.
Mich gruoste ir minneklicher munt Der duhte mich in solher
roete Sam ein fuirig flamme entzunt, Markgraf Otto von Brandenburg. Si duhte mih
an allen strit Diu beste und dabi wol getan, Heinr. von Sax.
Also diente Jacob um Rahel sieben Jahre, und dauchten ihm,
als wärens einzele Tage, 1 Mos. 29, 20. Im Hochdeutschen ist dieser
Gebrauch noch nicht ganz veraltet; aber er ist doch mehr in der gemeinen als
edlern Sprechart üblich. Sich groß däuchten, sich viel
däuchten. Er däuchtet sich was Rechtes, d. i. er bildet sich nichts
Geringes ein.Ja man gebrauchte dieses Wort ehedem auch für glauben,
dafür halten.
Do du mich erst sehe, Do duhte ich dich ze ware So rehte
minneklich getan Des man ich dich lieber man, Ditmar von Ast. Ob ich duhte hulden
wert, Heinr. von Morunge. Das ich si loses duhte wert, Reinmar der Alte.
Anm. 4. Ich habe von diesem Verbo mit Fleiß viele
Beyspiele angeführet, damit man zugleich in den Staub gesetzt werde,
Gottscheds Regel zu beurtheilen, nach welcher däuchten nur allein von dem
Urtheile der äußern Sinne, und nur allein mit der dritten Endung der
Person, dünken aber von der innern Meinung, und mit der vierten Endung der
Person gebraucht werden soll. Solange der willkürliche Machtspruch eines
einzigen Mannes sein Gesetz abgeben kann, so lange ist auch diese Regel
völlig ungegründet, man mag sie ansehen, von welcher Seite man will.
Aus den obigen Beyspielen erhellet schon, daß man däuchten eher zehen
Mahl mit der vierten Endung, als Ein Mahl mit der dritten finden wird. Hier
sind noch einige Beyspiele. Mi thuhta mih, Ottfried. B. 2, Kap. 9. V. 53. Thaz
Petrum thuhta herti, B. 3, Kap. 13, V. 38. Ez duhte die leute, Schwabentyp.
Das duhte mich ein michel heil, Reinm. der Alte.
Daz dewcht sew so gut, Hornegk. Nu dawcht in, ebenders.
Daucht mich zu Nacht, Hans Sachs.
Darnach als den Knecht daucht sein füg, Theuerd. K.
26.
Freylich findet man einige Beyspiele, wo es mit der dritten
Endung gebraucht wird; allein alsdann kann man sicher behaupten, daß der
Verfasser durch das Latein. videtur mihi verleitet worden, welches besonders
von dem Kero gilt, der keduht zwey Mahl mit dem Dative gebraucht, aber auch
seine Muttersprache beständig nach dem Lateinischen Texte formet, wie aus
taufend Beyspielen erweislich ist.Anm. 5. Über dieß ist es seltsam,
einen eigenmächtigen Unterschied unter zwey Wörtern festsetzen zu
wollen, die eigentlich nur zwey verschiedene Mundarten eines und eben desselben
Wortes sind; gerade so seltsam, als wenn man unter dem Hochdeutschen glauben
und Nieders. löven einen Unterschied in der Bedeutung und Wortfügung
einführen wollte. Daß däuchten und dünken einerley Wort
sind, ist leicht zu erweisen;
S. Denken und Dünken. Indessen scheinet
däuchten die älteste Form zu seyn, weil sie nicht nur mit dem Griech.
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , scheinen, sondern auch mit dem Latein. ducere, so fern es dafür halten
bedeutet, überein kommt. Dünken ist bloß durch eine nieselnde
Aussprache, die den Hauchlautern so gern ein n zugesellet, daraus entstanden.
In dem Goth. thugkjan findet man schon unter dünken, wenn man es nach der
Art der Griechen durch die Nase ausspricht. Däuchten lautet im Nieders.
duchten, dugten, und im Schwed. tycka.1. [
1417-1418]