Der Bruder
, des -s, plur. die Brüder, Diminutivum das
Brüderchen, Oberdeutsch Brüderlein. 1. Eigentlich, eine Person
männlichen Geschlechtes, welche mit einer andern Person einerley
Ältern hat, in Beziehung auf diese Person. Er ist mein Bruder. Ein
leiblicher Bruder, ein vollbürtiger Bruder, im gemeinen Leben auch wohl
ein rechter Bruder, Nieders. Vullbruder, wenn beyde Ältern einerley sind;
im Gegensatze des Stiefbruders und Halbbruders.
S. diese Wörter. Es ist zehn Thaler unter
Brüdern werth, im gemeinen Leben, es ist vollkommen zehn Thaler werth.2.
In weiterer Bedeutung. 1) Ein Blutsfreund, daher sich Schwäger im gemeinen
Leben auch Bruder zu nennen pflegen. In der Deutschen Bibel kommt diese
Bedeutung, welche außer dem jetzt angezeigten Falle veraltet ist, noch
mehrmahls vor. So werden 1 Mos. 31, 23, 32, 37, unter Jacobs Brüdern;
Matth. 12, 46; Marc. 3, 31, u. s. f. unter Christi Brüdern, und Gal. 1,
19, unter Jacob des Herren Bruder, nichts anders als nahe Anverwandte
verstanden. 2) In noch weiterer Bedeutung kommt dieses Wort von
weitläuftigern Verwandten, so fern sie von einemgemeinschaftlichen
Stammvater abstammen, in der Bibel häufig vor, in welcher Bedeutung es
auch zuweilen noch in der höhern Schreibart gebraucht wird, selbst das
Verhältniß aller Menschen gegen einander auszudrucken, so fern sie
insgesammt von Adam herstammen.3. Figürlich. 1) Im gemeinen Leben,
Personen, die wegen alter gepflogener Freundschaft, oder beym vertraulichen
Trunke einander brüderliche Treue zugesagt, und sich daher wie leibliche
Brüder du zu nennen pflegen.
S. Dutzbruder. 2) Die einerley Art, Stand, Gesinnung mit
einander haben, in einerley Verbindung und Gesellschaft leben, in welcher
Bedeutung dieses Wort noch häufig gebraucht wird. Daher pflegen sich
gekrönte Häupter um der Gleichheit der Würde willen, in ihren
Titulaturen Brüder und Schwestern zu nennen. Personen, welche einerley
Glauben und Religion haben, werden in der Bibel häufig Brüder
genannt, welchen Nahmen sich zuweilen auch diejenigen geben, die in einerley
Amte stehen.
S. Amtsbruder, Glaubensbruder. Auch die Herrenhuther
nennen sich unter einander Brüder, und die weiblichen Personen ihrer
Kirche Schwestern.
S. Brüdergemeinde. Bey verschiedenen
Mönchsorden, besonders den Bettelorden, nennen diejenigen, welche nicht
eigentliche Geistliche sind, nicht nur sich unter einander Brüder, sondern
sie bekommen diesen Nahmen auch von andern außer dem Orden, und in noch
weiterer Bedeutung wurden ehedem wohl alle Mönche und Ordensglieder
Brüder genannt. Die barmherzigen Brüder.
S. Barmherzig. Daher heißen nicht nur in manchen
Städten verschiedene Gassen, wegen der ehedem in denselben befindlichen
Klöster der Bettelmönche, noch jetzt Brüdergassen; sondern
brudern wurde ehedem auch für betteln, Brudermann für einen Bettler,
und Bruderfrau für eine Bettelfrau gebraucht. Wenn aber in Niedersachsen
brudern noch an einigen Orten schmausen bedeutet, so rühret solches
vermuthlich von den Schmausereyen der ehemahligen Kalandsbrüder her.
S. Brüderschaft und Gebrüder. 3) Im weitesten
Verstande werden zuweilen zwey Dinge, welche einander völlig ähnlich
sind, Brüder genannt; daher die Hoden in ältern Schriften diesen
Nahmen häufig führen.Anm. Dieses Wort lautet bey dem Kero Pruader, im
Plural Priadra, bey dem Ottfried Bruader, bey dem Willeram Bruoder, im
Oberdeutschen noch jetzt Bruader, Bruoder, im Nieders. Broder, Broer, Broor,
bey dem Ulphilas Brothr, im Isländ. Brodur, im Schwed. und Dän.
Broder, im Irländ. Brutha, im Wallisischen Brawd, im Slavon. Bratr, im
Angels. und Engl. Brother, bey den Krainerischen Wenden Brat, im Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , im
Lat. Frater, im Persischen Berader. Bey diesem hohen Alter und weiten Umfange
dieses Wortes darf man wohl auf keine weitere Ableitung bedenken; indessen wagt
es doch Skinner, es von brüten, Wachter aber von dem Wallisischen Bru, der
Bauch, abzuleiten, wie das Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , von -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , uterus, abstammet.
S. auch Braut. Im Oberdeutschen lautet dieses Wort in
der zweyten Endung des Brudern, und im Plural die Brüderen. Man hat auch
an einigen Orten das Fämininum die Brüderinn, des Bruders Frau
auszudrucken. [
1215-1216]