Die Besonnenheit
, plur. inus. von dem Participio besonnen, des irregulären
Verbi besinnen, und zwar in dessen fünften Bedeutung. 1) Das
Vermögen, sich seiner und anderer Dinge deutlich bewusst zu seyn; die
Reflexion. Nicht jede Handlung der Seele ist unmittelbar eine Folge der
Besinnung, jede aber ist eine Folge der Besonnenheit, Herder. 2) In engerer
Bedeutung, das Vermögen, sich alle in einem gegenwärtigen Falle
nothwendige Vorstellungen schnell zu erwecken, welches auch die Gegenwart des
Geistes genannt wird.Anm. Das Participium besonnen, von welchem dieses
abgeleitet ist, ist als ein eigenes Adjectiv im Hochdeutschen
ungewöhnlich, aber im Oberdeutschen ist es für verständig,
vorsichtig, dem Geiste nach gegenwärtig, noch völlig gangbar. Nur ist
es wider die Natur der Participien der vergangenen Zeit, wenn es bey einigen
neuern Schriftstellern mit Besinnungskraft, mit Reflexion begabt, bedeuten
soll: Der Mensch ist ein besonnenes Geschöpf, Herd. weil es, so wie der
Gegensatz unbesonnen, sich nur auf einzelne Fälle beziehen kann. Das
Substantiv die Besonnenheit aber, ist nicht allein alt, sondern auch
völlig analogisch. Die Besunnenheit was der Genieß des Helden,
Theuerd. Kap. 30; war des Helden Glück. Nur scheint es darum ein wenig
unbequem, weil die eingeschränkte Bedeutung der entgegen gesetzten
Unbesonnenheit sich gern mit einschleicht, daher der Ausdruck Besinnungskraft
bequemer ist. Sulzer gebrauchte dafür Besinnlichkeit, welches aber um
deß willen tadelhaft ist, weil besinnlich völlig ungewöhnlich
ist. [
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