Abziehen
, verb. irreg.
S. Ziehen. Es ist:I. Ein Activum, und bedeutet alsdann
herab ziehen, wegziehen, ziehend von etwas absondern; und zwar,1. Eigentlich.
Den Ring abziehen. Einem Thiere die Haut abziehen, und metonymisch, ein Thier
abziehen. Mandeln abziehen, ihnen die Haut abziehen. Den Braten abziehen, von
dem Spieße. Die Handschuhe abziehen. Sie zog einen Handschuh ab, um uns
eine schöne Hand zu weisen. Einem die Larve abziehen, in figürlicher
Bedeutung, ihn in seiner wahren bösen Gestalt, ungeachtet seiner
Verstellung, darstellen. Die Hand von einem abziehen, gleichfalls in
figürlicher Bedeutung, ihn seiner bisherigen Hülfe,
Unterstützung, Aufsicht berauben. Ein geladenes Gewehr abziehen, den
Schuß heraus ziehen.2. In weiterer und zum Theil figürlicher
Bedeutung, wo dieses Zeitwort so wohl im gemeinen Leben, als in den
Wissenschaften, Künsten und Handwerken von vielen Arten der Absonderung,
Wegschaffung, und der dadurch bewirkten Vollendung gebraucht wird, und oft nach
einer im Deutschen sehr gebräuchlichen Metonymie erkläret werden
muß. So stehet es,1) Für abnehmen. Den Hut abziehen, den Hut vor
einem abziehen, ihn mit Abnehmung des Hutes grüßen. Schon im
Schwabenspiegel lieset man den hut gen im abziehen. Die Saiten von einem
musikalischen Instrumente abziehen, im Gegensatze des Aufziehens.2) Für
wegnehmen, besonders der Zahl, dem Maße und dem Gewichte nach. So bedeutet
abziehen in der Rechenkunst so viel, als das Lateinische Wort subtrahiren. Auf
gleiche Art sagt man: [
137-138] einem etwas abziehen, von
einer von ihm verlangten oder ihm gebührenden Summe wegnehmen, zurück
behalten. Einem zehn Thaler von seinem Lohne, von seiner Besoldung, von dem
geforderten Preise abziehen. Ich will es ihm schon an dem Lohne (vielleicht
besser von dem Lohne) abziehen. Abziehen ist hier der allgemeinste Ausdruck,
dessen Begriff abbrechen, abkürzen, abknappen, abdrücken, abzwacken
u. s. f. mit allerley Nebenbegriffen, besonders der größern oder
geringern Gewalt, bezeichnen.3) Für in Gedanken absondern, besonders in
der Logik, wo einige Neuere abziehen, von derjenigen Verrichtung des Verstandes
gebrauchen, da man sich nur die gemeinschaftlichen Merkmahle mehrerer Dinge mit
Ausschließung der besondern vorstellet, oder kürzer, da man sich das
Unselbstständige an einem Dinge für sich allein denkt. Ein
abgezogener, allgemeiner, Begriff. Abziehen ist in diesem Verstande eine
buchstäbliche Übersetzung des Lateinischen Kunstwortes abstrahiren
und abstract. Da es nun zugleich ein figürlicher Ausdruck und dabey sehr
vieldeutig ist, so haben andere dafür mit besserm Erfolge absondern
gebraucht.4) Für wegziehen, vornehmlich in der figürlichen Bedeutung,
dem Gemüthe nach von etwas entfernen. Einen von einem Vorhaben, von einer
Partey, von dem Wege der Tugend abziehen, durch vorgelegte Bewegungsgründe
davon abbringen. So auch, sein Gemüth, sein Herz von etwas abziehen. Sich
von der Welt abziehen, alle Verbindung mit ihren Thorheiten und Eitelkeiten
aufheben.5) Für abfließen lassen, und zwar, (a) für ableiten.
Das Wasser von den Wiesen, das Wasser aus einem Teiche abziehen, und
metonymisch, einen Teich abziehen. (b) Für abzapfen. Wein oder Bier
abziehen, es in ein anderes Faß, oder in Flaschen laufen lassen. Ein
Faß Wein auf Bouteillen abziehen. (c) Für destilliren. Weinessig,
Weingeist, Branntwein, u. s. f. abziehen, und metonymisch, Blumen, Kräuter
u. s. f. abziehen, destilliren. Abgezogene Wasser. Dieses Abziehen geschiehet
vermittelst des Abziehzeuges, oder des zum Destilliren nöthigen
Geräthes, worunter die Abziehblase, oder die Blase, das vornehmste
Stück ist.6) Für ablegen, absenken, besonders im Weinbaue, wo
abziehen eine besondere Art des Ablegens andeutet, da die Enden der
Weinstöcke nur in die obere Erde, oder in angesetzte und mit Erde
gefüllete Körbe abgebogen werden, bis sie anwurzeln.7) Für
abheben. Die Pfanne abziehen, in den Salzsiedereyen, sie von dem Herde los
machen und ausheben.8) Für abdrucken, in den Buch- und Kupferdruckereyen
einen Bogen abziehen, welches doch nur von einzelnen Bogen, z. B. von den
Probe- und Correctur-Bogen gebraucht wird. Eine Kupferplatte abziehen, ein
Probeblatt von derselben abdrucken.9) Für absieden. So pflegen die
Färber das so genannte Abklören, oder Ausziehen der Farbe aus einem
gefärbten Zeuge auch abziehen zu nennen. Hierher gehören ferner auch
noch folgende metonymische Arten des Gebrauches, eine Bearbeitung durch
verschiedene Arten der Absonderung anzudeuten. So stehet dieses Zeitwort,10)
Für abschaben. Ein Fell abziehen, bey den Kürschnern, die
Fleischseite desselben völlig rein und glatt schaben, welches vermittelst
eines besondern Abzieheisens geschiehet. Bey den Tischlern bedeutet es mit der
Ziehklinge glatt schaben.11) Für abfeilen. So pflegen die Metallarbeiter
diejenigen Stücke, welche sie zusammen löthen wollen, mit der breiten
und dicken Abziehfeile abzuziehen, damit sie völlig eben werden. Auf
ähnliche Art bedeutet abziehen, wenn vonGewichten die Rede ist, auch so
viel als eichen, weil solches mehrentheils vermittelst der Feile geschiehet.12)
Für glatt und scharf machen. In diesem Verstande werden Schermesser und
andere schneidende Werkzeuge abgezogen, wenn sie, nachdem sie geschliffen
worden, zur Wegschaffung des Grathes auf dem Abziehsteine oder auf einem
ledernen Riemen hin und her gestrichen werden; welches auch abstreichen
heißt. In dem Begriffe des bloßen Glättens ziehen auch die
Schuster das Leder an den steifen Stiefeln ab, wenn sie es mit Bimssteinen
glatt reiben.13) Für abmessen, vornehmlich in dem Markscheiden,
vermuthlich von den Schnüren und Ketten, welche dabey gezogen werden,
daher das Abmessen eines Markscheiders selbst auch ein Zug genannt wird. Auch
gebraucht man dieses Wort von der Abmessung eines Waldes.14) Sich abziehen, das
Reciprocum, wird vornehmlich von den gedruckten Bogen gesagt, wenn sie sich
abdrucken, und also die Farbe fahren lassen. Im gemeinen Leben sagt man auch
wohl von dem Zugviehe, daß es sich abziehe, wenn es sich durch allzu
vieles Ziehen entkräftet. In den Küchen ziehet man eine Suppe mit
einem Eye ab, wenn man ein Ey hinein schlägt; und in andern ähnlichen
Bedeutungen mehr.II. Ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn zu sich
nimmt, sich mit seinem Gepäcke von einem Orte entfernen. In dieser
Bedeutung wird es vornehmlich in einem gedoppelten Falle gebraucht. 1) Von
einem Haufen Soldaten, wenn sie sich mit ihrem Gepäcke von einem Orte
wegbegeben. Der Feind ist von der Stadt abgezogen, hat die Belagerung der Stadt
aufgehoben. Die Armee mußte unverrichteter Sache wieder abziehen. Die
Wache ist abgezogen, im Gegensatze des Aufziehens. Die Compagnie ist von der
Wache abgezogen. So auch, von dem Hofdienste abziehen, wenn sich die
Fröhner Abends mit ihrem Geschirre nach Hause begeben. Ingleichen in
figürlicher Bedeutung, unverrichteter Sache, mit Schande, mit einer langen
Nase abziehen müssen, im gemeinen Leben, auch von einzelnen Personen. 2)
Von dem Gesinde, wenn es mit seinem Gepäcke eines Dienste
verläßt, im Gegensatze des Anziehens. Das Gesinde ziehet ab. Die Magd
ist bereits abgezogen. Der Knecht wird bald abziehen. Der Grund beyder Arten
des Gebrauches liegt in dem Gepäcke, welches man in den ersten
einfältigen Zeiten, da die Sprachen gebildet wurden, im eigentlichsten
Verstande mit sich zog. 3. Ehedem bedeutete abziehen auch, sich mit seinen
Hadseligkeiten aus einer Stadt oder Gegend wegbegeben, wofür man jetzt
lieber wegziehen saget.Anm. Das Substantiv die Abziehung könnte in allen
Bedeutungen der thätigen Gattung gebraucht werden; allein es ist nicht
sehr üblich. Der Abzug druckt die Handlung der Mittelgattung in beyden
Fällen aus.
S. auch Abzucht. [
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