Die Zeit
, [
1675-1676] plur. die -en, ein Wort,
welches eigentlich einen sehr abstracten Begriff bezeichnet, daher es von jeher
auch sehr schwankend gebraucht worden, und erst in den spätern Zeiten genau
bestimmt werden können. Es bedeutet: 1. Im schärfsten philosophischen
Verstande, die Folge der auf einander kommenden endlichen Dinge; in welchem
Verstande die Zeit der Ewigkeit, entgegen gesetzt wird. Vor der Schöpfung der
Welt war keine Zeit, weil es daselbst keine endlichen Dinge gab, deren Folge
den Begriff der Zeit ausmacht. In dieser Bedeutung ist der Plural ungewöhnlich.
Die Zeit wird es lehren, die Folge der Dinge und die mit ihr kommenden
Veränderungen. 2. In dem gewöhnlichen gesellschaftlichen Leben, wo eine solche
scharfe Abstraction ungewöhnlich und unnöthig ist, wird dieses Wort in vielen
Fällen, theils von einzelnen Theilen dieser Folge, theils von der Dauer
desselben, theils aber auch von den zugleich mit erfolgenden Veränderungen
gebraucht. Die vornehmsten Bedeutungen dieser Art mögen etwa folgende seyn. (a)
Ein Theil dieser Folge, so fern er durch die Beysätze näher bestimmt wird; am
häufigsten ohne Plural. Ich weiß die Zeit, da er heirathen wollte. Es wird
schon eine Zeit kommen, da du es bereuen wirst. Er soll es zur andern Zeit wohl
empfinden. Ich muß sie auf einige Zeit, auf kurze Zeit verlassen. Vor kurzer,
vor langer Zeit. Nach langer Zeit. Die vergangene, die gegenwärtige, die
künftige Zeit. (b) Ein Theil dieser Folge, so fern er zu einer Veränderung
erfordert wird; ohne Plural. Du hast noch acht Tage Zeit. Lassen sie mir Zeit.
Du hast noch Zeit genug dazu. Sich die gehörige Zeit zu etwas nehmen. Es ist
keine Zeit zu versäumen, zu verlieren. Es gehöret viele Zeit dazu, die Sache
erfordert viel Zeit. Die Zeit leidet es nicht. (c) Ein Theil dieser Folge, so
fern gewisse Veränderungen in demselben gewöhnlich sind, oder so fern er zu
gewissen Veränderungen der schicklichste ist, die gewöhnliche, die gehörige,
die bestimmte Zeit; auch ohne Plural. Es ist hohe Zeit, daß wir gehen, es ist
die höchste Zeit. Es ist noch nicht Zeit, zu sprechen. Die Zeit ist vorbey, ist
verflossen; es ist nicht mehr Zeit. Etwas außer der Zeit thun, zur Unzeit,
außer der gehörigen oder schicklichen Zeit. Die rechte Zeit versäumen. Zur
rechten Zeit kommen. Vor der Zeit kommen. Will er mich vor der Zeit unter die
Erde bringen? vor der mir von der Natur bestimmten Zeit, Gell. (d) Diese Folge,
so fern ihre Dauer empfunden wird; auch ohne Plural. In diesem Verstande sagt
man: die Zeit wird mir lang, wenn man aus Mangel der Beschäftigung diese Dauer
als lange während empfindet. Zeit und Weile wird mir lang. Einem die Zeit
vertreiben, verkürzen.
S. Zeitvertreib. (e) Einzelne Theile dieser Folge mit
Einschluß der Veränderungen, oder der Dinge, welche auf einander folgen; bald
im Singular, bald im Plural. Sich in die Zeit schicken, sich nach den Umständen
bequemen. Es sind jetzt schlechte Zeiten. Die Hoffnung besserer Zeiten. Die
Zeiten sind jetzt schwer, im gemeinen Leben, wenn die Erwerbung des Unterhaltes
mit Schwierigkeiten verbunden ist. Er hat gute Zeit, es geht ihm wohl.
Gottesdienstliche Zeiten, Feste. (f) Die Dauer des Tages; nur im Singular und
im gemeinen Leben. Welche Zeit ist es? fragt man in manchen Gegenden, für wie
viel Uhr ist es? Es ist noch früh an der Zeit, d. i. der Zeit des Tages nach.
Es ist schon spät an der Zeit. (g) Die Zeiten der Verborum, d. i. die
Bestimmung der verschiedenen Arten der Zeit, in welcher das Prädicat dem
Subjecte zukommt, so wohl der gegenwärtigen, als der vergangenen und
zukünftigen; Lat Tempus. (h) Im gemeinen Leben nennt man oft die monathliche
Reinigung des andern Geschlechtes, dessen Zeit. Sie hat ihre Zeit. (i) Endlich
gehören hierher noch viele adverbische und elliptische Arten des Ausdruckes, in
welchen dieses Wort bald im Singular, bald im Plural in einer der vorigen
Bedeutungen gebraucht wird. Von Zeit zu Zeit, so wohl von einer Zeit zur
andern; als auch für bisweilen. Nach der Zeit, nachher, hernach. Der Ort, wo er
sich die Zeit her aufgehalten, diese Zeit her, seither. Zur Zeit, gegenwärtig,
bis jetzt. Zur Zeit ist er noch nicht da. Zu Zeiten, im gemeinen Leben, für
bisweilen.
Aus Rache fiel mir ein Ein überflüssigs Huhn zu Zeiten
abzulangen,
sagt der Fuchs beym Hagedorn. Bey Zeiten, frühe genug, zur
rechten, gehörigen Zeit. Zeit genug, im gemeinen Leben, für zeitig genug, frühe
genug. Du sollst es Zeit genug erfahren. Zeit meines Lebens, so lange ich
bisher gelebt habe. Mittler Zeit, unter der Zeit, für indessen. Vor Zeiten,
ehedem. Zu meiner Zeit, als ich noch lebte, als ich mich noch daselbst befand,
u. s. f. In den zu seiner Zeit angezeigten Briefen, im vorigen, ehedem. Die
Vorwürfe, welche du dir hättest ersparen können, werden dich zu ihrer Zeit
peinigen, künftig einmahl. Zweifel, welche zu ihrer Zeit wieder aufleben,
künftig, wenn ihre Zeit gekommen ist, wenn die Umstände sie begünstigen. Liebe
Zeit! ein Ausdruck der Verwunderung, des sanften Verweises u. s. f. Aber, liebe
Zeit, wer konnte das wissen? Anm. Dieses Wort lautet von den frühesten Zeiten
an im Oberdeutschen Zit, in den Slavonischen Mundarten Zhas, Czas, im
Niederdeutschen Tied, im Angels. Tid, im Isländ. u. s. f. Tyd. Bey einem so
hohen Alter und so sehr abstracten Begriffe muß die erste ursprüngliche
Bedeutung nothwendig dunkel seyn. In den ältesten Schriftstellern kommt es
mehrmahls für Stunde vor. Ja sint binoti zuelif dago ziti? hat nicht der Tag
zwölf Stunden? Ottfr. Dagegen er in andern Stellen stunta für unser Zeit
gebraucht: thio iro stunta werbent, die zu ihrer Zeit gehen. Es kann seyn, daß
dieses Wort zu zauen, zaudern, ziehen gehöret; es kann aber auch seyn, daß es
mit aetas, Griech. hier nichtlateinischer Text, siehe Image, Hebr.
hier nichtlateinischer Text, siehe Image, hier
nichtlateinischer Text, siehe Image, verwandt ist, indem der vorgesetzte
Zischlaut, bey vielen Europäischen Völkern bloß zufällig ist.
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1675-1676]