Das Wunder
, [
1621-1622] des -s, plur. ut nom. sing. 1.
Die Verwunderung, die Empfindung des Ungewöhnlichen; ohne Plural. In dieser
größten Theils veralteten Bedeutung wird es nur noch ohne Artikel, und in
einigen wenigen Verbindungen gebraucht, welche noch dazu im gemeinen Leben und
der vertraulichen Sprechart üblicher sind, als in der edlern. Sein Wunder an
etwas sehen, etwas mit Verwunderung sehen, in den niedrigen Sprecharten, sein
blaues Wunder an etwas sehen. Es nimmt mich Wunder, d. i. es wundert mich,
verursacht mir Verwunderung. Es darf dich nicht Wunder nehmen, wenn es
geschiehet. (
S. Nehmen.) Ehedem gebrauchte man dafür auch, es hat
mich Wunder. Esn schol eu doch nicht wunder han, Stryker, welches aber im
Hochdeutschen veraltet ist. In Wunder ging ich bin hin zu ir, voll
Verwunderung, Hans Sachs. 2. Der Gegenstand der Verwunderung. (1) In der
weitesten Bedeutung, da eine jede ungewöhnliche oder seltene Sache, oder
Erscheinung schon ein Wunder genannt wird. Es ist ein Wunder, ein großes
Wunder, daß er nicht gestorben ist. Es wäre kein Wunder, ich verzweifelte, oder
elliptisch, kein Wunder, ich verzweifelte. Sie hatte sich durch Tanzen erhitzt,
und dann ist kein Wunder, wenn die Leidenschaft heftig wird. Komm, du sollst
Wunder sehen! Ein Wunder von einem Kinde, ein ungewöhnliches Kind. Ein Wunder
der Tugend, eine ungewöhnlich tugendhafte Person. Wunders halber, Wunders
wegen, im gemeinen Leben, der Seltenheit, der Ungewöhnlichkeit wegen. Ich will
doch Wunders halben hingehen, und sehen, was es ist. Wo es auch im gemeinen
Leben adverbisch gebraucht wird. Ich bildete mir Wunder ein, was er mir würde
zu sagen haben, ich bildete mir ein, er hätte mir recht viel zu sagen. Ich
dachte Wunder, was es wäre, ich glaubte, es wäre etwas recht außerordentliches.
Er dachte Wunder, was für ein Häschen ihn geleckt hätte, er glaubte, es wäre
ihm recht sehr gütlich geschehen, er hätte einen vorzüglichen Vortheil gehabt,
u. s. f. Ich dachte Wunder, wo sie wäre, ich glaubte, sie wäre an einem sehr
ungewöhnlichen Orte. (2) In engerer Bedeutung, ein im höchsten Grade
ungewöhnlicher, ein unbegreiflicher Gegenstand, wo doch das Wunder nach der
jedesmahligen Fähigkeit der Person bestimmt werden muß.
Der Erdball ändert sich, das Meer entfliehet, Und deckt uns
Wunder auf, Raml.
Welches Leben, auch das niedrigste und dunkelste, hat nicht
seine Geheimnisse und Wunder, Gell. Von der belebenden Sonne bis zur kleinsten
Pflanze sind alles Wunder, Geßn. (3) In der engsten Bedeutung sind Wunder
Erscheinungen, oder Wirkungen, welche sich aus den bekannten Gesetzen der Natur
nicht erklären lassen, und daher für eine unmittelbare Wirkung Gottes gehalten
werden; da es denn aber wieder auf den Grad der Kenntniß der Naturkräfte
ankommt. Je weiter der Mensch in dieser zurück ist, desto mehr Erscheinungen
hält er für Wunder. Ein Wunder thun, oder wirken, eine solche Wirkung hervor
bringen. Zeichen und Wunder, im biblischen Styl.
S. auch Wunderwerk. Anm. Bey dem Kero Vuntru, bey dem
Ottfried Uuntar, im Schwed. Under. Isländ. Undr, im Angels. Wundra, im Engl.
Wonder. (
S. Wundern.) Im gemeinen Leben wird es häufig den
Adjectivis und Adverbiis vorgesetzt, einen ungewöhnlich hohen Grad zu
bezeichnen; wunderschön, wunderklug u. s. f. [
1621-1622]