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Adelung - Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

Der Witten | | Die Witterung

Wittern

, [1583-1584] verb. reg. welches auf dreyfache Art gebraucht wird, 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. (1) Donnern, unpersönlich, wofür in den niedrigen Sprecharten auch wettern üblich ist. Es wittert, hat gewittert.
So läßt der Frösche Volk sein Quaken in den Röhren, So wohl beym Sonnenschein, als wenn es wittert, hören. Haller.
Figürlich, rasen, toben, da es denn persönlich gebraucht wird, aber im Hochdeutschen unbekannt ist, obgleich die niedrige Sprechart wettern im ähnlichen Verstande gebraucht. In einem alten Kirchenliede heißt es: laß den Satan wittern, laß den Feind erbittern. (2) Es wittert durch das Dach, im gemeinen Leben, wenn Regen oder Schnee durch das Dach bringen. (3) In einem andern Verstande wird wittern in manchen Provinzen gleichfalls unpersönlich von der Beschaffenheit der Witterung gebraucht. Es wittert nun den ganzen Monath so, ist den ganzen Monath solches Wetter. Da es denn zuweilen auch persönlich gebraucht wird.
Wer weiß, wie noch der Himmel wittert, Drum wohl dir, wenn du fleißig bist, Gryph.
(4) Von der Witterung verändert werden, doch nur in den Zusammensetzungen anwittern, auswittern, durchwittern, verwittern u. s. f. Da es wegen der passiven Bedeutung zugleich das Hülfswort seyn bekommt. 2. Als ein Activum, durch den Geruch empfinden. (1) Eigentlich, wo es vornehmlich bey den Jägern gebraucht wird, so fern der Geruch von dem Wetter, d. i. der Luft oder dem Winde, verbreitet wird, daher bey ihnen dafür auch winden üblich ist. Das Wild wittert den Jäger. Der Hund hat den Hasen gewittert. (2) Figürlich, verspüren, merken, eine Figur, welche freylich nicht die edelste ist, ob sie gleich häufig vorkommt.
Kaum rennt Crispin zum neuen Schmause, Und wittert angenehmen Wein, Haged. Der, wie ein muthigs Roß, den Streit von ferne wittert, Weiße. Scharf, und wie Schiffer pflegen, Sieht er nach Luft und Wind, und wittert Sturm und Regen, Haged. Du witterst den Verlust des Kleinods aller Schätze, Günth.
3. Als ein Reciprocum. (1) Sich wittern lassen, sich spüren lassen, merklich werden; eine Fortsetzung der vorigen Figur, welche im Hochdeutschen nur in der vertraulichen Schreibart und im Scherze üblich ist. Die Mäuse lassen sich dieses Jahr nicht mehr in solcher Menge wittern. Im Oberdeutschen hingegen ist es in dieser Bedeutung ohne lassen, als ein neutrales Reciprocum sehr gewöhnlich.
Nun ein kleiner rauher Wind Nur zu wittern sich beginnt, Opitz. Wie der Berg entbrennt, und wenn die Gluth sich wittert, eben ders. So wird sich bald ein Schwarm von Momus-Brüdern wittern, Günth. Belial herrscht über mich, Und der Drache wittert sich, Gryph.
(2) Der Witterung genießen, nur im gemeinen Leben. So sagt man, die Bienen wittern sich, verwittern sich, oder wittern sich aus, wenn sie sich sonnen, oder der schönen Witterung freuen. Anm. Es ist von Wetter, oder vielmehr mit Wetter Eines und eben desselben Stammes, und nur der Mundart nach unterschieden. Wetter scheint aus der Niederdeutschen, Wittern aber aus der Oberdeutschen Mundart herzustammen; wenigstens kennt die Niedersächsische Mundart in dem ganzen Geschlechte dieses Wortes kein i. Wittern heißt daselbst wedern, weren, auswittern, und verwittern, untweren und verweren, Ungewitter aber Aneweer. [1585-1586]
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