Wieder
, [
1529-1530] ein Adverbium, oder vielmehr
ein Umstandswort, welches vornehmlich eine dreyfache Bedeutung hat. 1. Der
Wiederhohlung einer Handlung oder eines Zustandes, oder vielmehr, daß ein
Prädicat aufs neue Statt finde, also schon vorher müsse Statt gesunden haben.
Es regnet schon wieder, setzt voraus, daß es schon vorher geregnet habe. Wieder
zu sich selbst kommen. Er hat mit versprochen, lange nicht wieder von der Liebe
zu reden. Etwas wieder vor die Hand nehmen. Jemanden wieder zu Gnaden annehmen.
Etwas wieder in den vorigen Stand setzen. Um wieder auf den vorigen Gegenstand
zu kommen. Es kann in dieser Bedeutung nur mit Verbis und den davon
abgeleiteten Substantiven verbunden werden, denn ob es gleich scheinet, daß es
auch Adverbia bestimmen könnte, wieder hart werden, wieder aus einander gehen,
so beziehet es sich doch in allen diesen Fällen zunächst auf das Verbum, und da
hier mehrere Bestimmungswörter sind, so tritt wieder, als das schwächste, den
übrigen vor. 2. Der Rückkehr oder Versetzung in den vorigen Zustand. Etwas
wieder erstatten. Ich soll mein Geld noch wieder haben. Ich will es schon
wieder gut machen. So auch wiederfinden, wiedergeben, etwas wieder herstellen,
u. s. f. Diese Bedeutung fließt oft mit der vorigen zusammen, ist aber oft noch
davon unterschieden. So ist etwas wiederbringen, nicht, es noch Ein Mahl
bringen, sondern es an seinen vorigen Ort bringen; etwas wiedersuchen, nicht es
noch Ein Mahl suchen, sondern es suchen, damit es an seinen Besitzer zurück
komme. 3. Der Vergeltung der vorher gegangenen ähnlichen Handlung eines andern,
die Wiederhohlung der Handlung eines andern, in der Absicht der Vergeltung. In
dem ersten Falle geschahe die Wiederhohlung von einer und eben derselben, hier
von einer andern Person. Es schallet wieder, wenn der Schall des einen Dinges
von dem andern wiederhohlet wird. Daher denn der Begriff des zurück, oder der
Rückkehr, bald deutlicher, bald dunkler damit verbunden ist. Etwas
wiederschicken, nicht, es noch Ein Mahl schicken, sondern, es an den, der es
uns geschickt hatte, zurück schicken. So auch wiederfordern, wiedergeben, u. s.
f. Anm. 1. Dieses Wort ist vorzüglich um deß Willen merkwürdig, weil sich die
vornehmsten und wichtigsten Regeln der Zusammensetzung der Wörter bey demselben
anbringen, und durch dasselbe erläutern lassen. Einer der vornehmsten Fälle, in
welchem zwey Wörter zu einem einigen verbunden werden, ist immer der, wenn die
Bedeutung elliptisch ist, und noch Eines oder mehrere Worte erfordert, wenn sie
einen klaren Begriff geben soll. In der ersten Bedeutung des Wortes wieder ist
das der Fall nicht: es regnet schon wieder, der Kranke geht schon wieder aus u.
s. f. bedürfen zu einem klaren Begriffe keiner weitern Bestimmung: wohl aber in
den beyden folgenden Bedeutungen, wo man sich den Begriff des vorigen Zustandes
oder Ortes; oder der vorher gegangenen ähnlichen Handlung eines andern,
wenigstens dunkel denken muß, wenn man einigen Begriff mit demselben verbinden
will: wiederkehren, zurück an den vorigen Ort; wiederbellen, ein vorher
gegangenes Bellen durch Bellen erwiedern. Daher kommt es in den beyden letzten
Bedeutungen am häufigsten, und fast nur allein in Zusammensetzungen vor. Eine
andere Regel ist, daß wenn sonst zwey getrennte Wörter gemeinschaftliche
Biegungszeichen und Artikel bekommen, sie in ein und eben dasselbe Wort
übergehen. Sich einer Sache wieder erinnern, etwas wieder erlangen, wieder
genesen, sind keine Composita, weil hier wieder nichts mehr ist, als ein jedes
anderes Adverbium, und auch die Bedeutung nicht elliptisch ist; allein die
Wiedererinnerung, Wiedererlangung, Wiedereroberung, Wiedergenesung, sind
allerdings Composita, weil hier gemeinschaftliche Artikel und Biegungszeichen
sind, welche nicht Statt finden können, wenn nicht der Begriff beyder Wörter
als ein Ganzes gedacht wird. Andere ähnliche Bemerkungen werden im Folgenden
bey den einzelnen Wörtern dieser Art vorkommen. Der Hauptton ruhet in diesen
Zusammensetzungen, wie in allen übrigen Fällen, auf der ersten Hälfte,
wiederkommen, das einzige wiederhohlen ausgenommen. Anm. 2. So wohl dieses
Adverbium, als die vorige Präposition wider, lauten von den frühesten Zeiten an
widari, withere, [
1531-1532] und bey dem Ulphilas vithra.
Die Endsylbe er ist die Ableitungssylbe, daher es hier nur auf die Sylbe wird
ankommt, deren erste und ursprüngliche Bedeutung sich bey einem so hohen
Alterthume schwerlich wird abgeben lassen. Indessen scheinet der Begriff der
Wiederhohlung, der Wiederkehr einer der ältesten, und die erste Sylbe in den
Latein. iterum (wiederum,) iterare, item, itidem, damit nahe verwandt zu seyn.
Dieses id oder it, für das Latein. re - findet sich so wohl in der alten
Alemannischen Mundart, als im Angelsächsischen und Schwedischen. Bey dem
Willeram ist Itlon, Wiedervergeltung, retributio, itporan werdan, wiedergeboren
werden, im Angelsächs. edgyldan, wiedervergelten, im Schwed. idisla,
wiederkäuen u. s. f. Von diesem wieder, von neuen, zurück, ist der Begriff der
Präposition wider eine bloße Figur. Anm. 3. Ob nun gleich beyde Wörter im
Grunde Eines Stammes sind, so ist es doch in der neuern Hochdeutschen Mundart
seit dem 16ten Jahrh. gewöhnlich, selbige durch die Orthographie zu
unterscheiden, und die Präposition wider, ohne e, das Adverbium aber mit dem e,
wieder zu schreiben. Es ist der Mühe werth, die Ursache aufzusuchen, durch
welche man dazu bewogen worden; und dieses liegt ohne Zweifel in der Klarheit
und Deutlichkeit des Ausdruckes. Wider ist eine Präposition, wieder aber ein
Adverbium; beyde sind schon als Redetheile verschieden. Die Bedeutung jener ist
zwar eine Figur von dieser, aber eine so weit entfernte und dunkele Figur, daß
man sie ohne Schaden für eine eigene Bedeutung ansehen kann. Und dann können
beyde, wenn sie auf einerley Art geschrieben werden, wirklich Zweydeutigkeit
verursachen, oder doch wenigstens den Leser auf einige Augenblicke ungewiß
machen, welcher Redetheil gemeinet sey. Dieser Unbequemlichkeit konnte durch
ein leichtes, in der Sprache selbst an die Hand gegebenes Mittel, durch das e
gehoben, und dadurch die leichte Verständlichkeit, die erste Absicht der
Sorache, befördert werden. Aus ähnlichen Ursachen unterschied man auch für und
vor, dann und denn, und hundert andere, nicht bloß durch die Schreibart,
sondern selbst durch die Aussprache; oder vielmehr, die neuere Hochdeutsche
Mundart, welche sich aus ältern Oberdeutschen und der Niederdeutschen bildete,
nahm aus beyden verschiedene Formen auf, wenn sie selbige zur Klarheit nöthig
fand, aus der Oberdeutschen für und dann, und aus der Niederdeutschen vor und
denn. Auf ähnliche Art schrieb sie die Präposition nach der alten Art ohne e,
wider, das Adverbium aber nach der neuern Art, wieder. Man hat dagegen
eingewandt: 1. Die Alten schrieben nicht so, sondern ohne Unterschied wider.
Sehr wohl; aber wer hat je behauptet, daß alte und veraltete Formen, sie
betreffen nun, was sie wollen, zur Richtschnur der neuen dienen können? In den
ausgestorbenen Sprachen ist das Alte ein Gesetz, aber nicht in den lebendigen,
wo es, im Falle eines Widerspruches, gerade das verwerfliche ist. Was würde
geschehen, wenn wir unsere heutige Sprache nach der alten ummodeln wollten? Der
Einwurf beweiset also viel zu viel, folglich eigentlich nichts. 2. Die
Etymologie setzet sich dawider, und diese ist doch eine Richtschnur der
Orthographie. Allerdings; aber nur die nähere Abstammung, welche in der
Biegung, Ableitung und Zusammensetzung der Wörter bestehet, aber nicht die
entferntere, welche dem größten Theile der Schreibenden dunkel und unbekannt
ist. Wir haben tausend Wörter in der Sprache, welche sich nicht allein in der
Schreibart, sondern selbst in der Aussprache und andern Umständen, von ihren
Quellen entfernet haben. Der seltsame Einfall, die Wörter einer Sprache nach
der entfernten Etymologie umzubilden, hat zu allen Zeiten tausend Thorheiten
und Ungereimtheiten ausgehecket. Man [
1533-1534] sehe
darüber eine Abhandlung in meinem Magazine. 3. Die Unterscheidung der
verschiedenen Bedeutungen eines Wortes durch die Orthographie, ist eine Grille,
welche in tausend Fällen nicht einmahl anwendbar ist. Sehr richtig, wenn dieser
Unterschied willkührlich von einzelnen Person gemacht wird. Aber hier kommt es
bloß auf die Beybehaltung eines alten, nützlichen Unterschiedes an, der seit
dem 16ten Jahrh. beynahe allgemein ist, der also von einzelnen Personen eben so
wenig aufgehoben werden kann und darf, als sie befugt sind, neue einseitige
Unterschiede einzuführen. [
1533-1534]