Warten
, [
1389-1390] verb. reg. welches auf
gedoppelte Art gebraucht wird. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben.
(1) * Sehen, besonders scharf auf etwas sehen, als ein Intensivum von dem
veralteten wahren, sehen; eine im Hochdeutschen längst veraltete Bedeutung, in
welcher uuarten bey dem Notker, Willeram und andern ältern Schriftstellern
häufig vorkommt. Uuarta fone himele, siehe, schaue vom Himmel, Notker. Wenn der
Donner den Menschen schlecht (schlägt), so will er dann warten (um sich sehen),
was da sey, und kert das antlitz vmb, Buch der Natur, 1482. (2) * Beobachten,
mit dem Genitiv der Sache; gleichfalls veraltet. (3) In einer Stellung bleiben,
bis eine Person oder Sache ankomme, und in weiterm Verstande, in einer
Gemüthsstellung verbleiben, bis eine Sache erfolge. Warte hier, bis ich wieder
komme! Ich kann nicht lange warten. Ich habe schon lange gewartet. Laß mich
nicht lange warten! An der Thür, vor der Stadt warten. Auch als ein Reciprocum:
ich habe mich ganz müde gewartet. Ingleichen mit dem Accusativo der Zeit, ohne
daß es deßhalb zum Activo würde. Ich habe schon zwey Stunden gewartet. Die
Person oder Sache, welche kommen, oder erfolgen soll, bekommt die Präposition
auf. Auf jemanden warten; auf Briefe, auf Antwort, auf eine gute Gelegenheit
warten. Die Juden warten auf den Messias. Er läßt lange auf sich warten, bleibt
lange aus. Auf wen wartest du? Jemanden auf den Dienst warten, figürlich, in
böser Absicht auf ihn warten, auf ihn lauern. Wenn, auf jemanden warten, von
leblosen Dingen, gebraucht wird, so bedeutet es figürlich so viel, als
bevorstehen. Die Strafe wartet auf sich. Es wartet ein Amt, eine Belohnung auf
ihn. Weißt du denn nicht, was für ein Glück heute auf dich wartet? Statt des
Vorwortes auf ist im Oberdeutschen der Genitiv häufig, eines, einer Sache
warten; wir warten deiner Güte, Ps. 48, 10; welcher auch noch in der edlern und
höhern Schreibart der Hochdeutschen zuweilen vorkommt. Er warte deines Winkes,
Schleg. Schon lange warte ich deiner. Alles, was dich erheitern und vergnügen
kann, soll deiner warten, Weiße. Wenn mit dem Warten zugleich die Vollziehung
einer Sache aufgeschoben wird, so bekommt sie die Präposition mit. Mit dem
Essen warten. Man hat schon lange mit dem Esse auf dich gewartet. Ich kann
nicht länger damit warten. Im Imperativo wird es häufig als ein Formel des
Unwillens gebraucht. Warte, warte, du sollst dafür büßen! Warten sie nur, ich
will mich schon rächen! So auch das Warten. Das Verbale, die Wartung, wird nur
in den Bedeutungen des folgenden Activi gebraucht. 2. Als ein Activum. (1)
Sorge für etwas tragen, den Obliegenheiten in Ansehung einer Sache ein Genüge
thun, mit dem Genitiv der Sache; eine Bedeutung, deren Gebrauch immer seltener
wird. Seines Amtes, seines Berufes warten. Eines Dinge warten. Seiner Nahrung,
seiner Arbeit warten. Mit dem Accusativo ist es in dieser Bedeutung nicht
üblich, obgleich das zusammen gesetzte und gebräuchlichere abwarten damit
verbunden wird. (2) Besonders, vermittelst der nöthigen Handreichung, Sorge für
etwas tragen; mit dem Accusativo. Einen Kranken warten. Kinder warten. Die
Pferde, das Vieh warten. Einen Garten warten. Im Oberdeutschen auch hier mit
dem Genitivo, welcher im Hochdeutschen nur in der höhern Schreibart gebraucht
wird. Ich will sie (die Sprossen) vor Unfall schützen, ich will ihres
Wachsthumes warten, Geßn. So auch das Warten. Das Verbale, die Wartung, wird
nur allein in der letzten Bedeutung des Activi gebraucht, die Leistung der
nöthigen Handreichung. Die Wartung eines Kranken, eines Kindes. Gute Wartung
haben, gut gewartet werden. Im gemeinen Leben nur Wart. Anm. Bey allen alten
Schriftstellern, von dem Ottfried an, schon uuarten, im Niederdeutschen, mir
einer andern Ableitungssylbe an der Wurzel, wachten. Die Endsylbe ten beweiset,
daß auch dieses Verbum ein Intensivum ist, von einem veralteten wahren,
obgleich ein Intensivum von anderer Art, als warnen. Die Vieldeutigkeit dieses
wahren machte, daß auch warten ehedem sehr vielfache Bedeutungen hatte, welche
aber um der Zweydeutigkeit willen bis auf die schon gedachten veraltet sind.
Von wahren, sehen, welches noch in gewahr üblich ist, war warten eigentlich
scharf und genau auf etwas sehen, und davon ist unsere Bedeutung des expectare
eine unmittelbare Figur. In dem jetzt gedachten Lateinischen herrschet eben
dieselbe Figur, indem es von spectare, schauen, sehen, dem Intensivo von unserm
spähen gebildet ist. Von Wahren, in bewahren, war warten ehedem auch hüthen,
beschützen, vertheidigen, welche Bedeutung bey dem Ottfried und andern alten
Schriftstellern noch häufig vorkommt, und wovon die Ausländer ihr Guardare,
Guarda, garder, Garde u. s. f. gebildet haben. [
1391-1392]