Wallen
, [
1365-1366] verb. reg. neutr. welches auf
doppelte Art gebraucht wird. 1. Mit dem Hülfsworte haben, sich wellenförmig
bewegen. (1) Eigentlich von flüssigen Körpern, wenn sie sich in einer starken
innern Bewegung befinden, welche Wellen auf der Oberfläche bildet. Das Wasser
wallet in dem Topfe, wenn es kocht. Das Meer wallet, wenn es sich in einer
starken Bewegung befindet, in welchem Verstande es doch wenig mehr gebraucht
wird. Wenn gleich das Meer wüthete und wallete, Ps. 64 4. Das Blut wallet, wenn
es stärker, als gewöhnlich; eine noch sehr übliche Bedeutung. Ein starkes
Wallen des Geblütes empfinden. (2) In weiterer Bedeutung, auch von andern
leichten oder biegsamen Körpern, sich wellenförmig bewegen, besonders als ein
anschauliches Wort in der dichterischen Schreibart. So wallet das Getreide auf
dem Felde, wenn es durch seine Bewegung gleichsam Wellen bildet.
Die frohen Haine hallen, Da Zephyrs Hauch und Scherz in ihren
Haaren wallen, Haged. Ein schimmerndes Gewand floß, gleich der Morgenröthe,
Weit wallend um sich her, Dusch.
Dort, wo der Rauch aus den Bäumen in die Luft empor wallt,
dort wohnt meine Phyllis, Geßn. In goldnen Locken wallt sein Haar, eben ders.
So lang in dieses Hafens Arme Segel wallen vom Ostwind aufgeschwellt, Raml. O
ich sehe es mit Lust, wie der graue Bart schneeweiß über meine Brust herunter
wallet, Geßn.
Es webet, wallt und spielet, Das Laub um jeden Strauch, Haged.
(3) Figürlich, von Leidenschaften und Empfindungen, eine ohne
Zweifel von dem Wallen des hergenommene Figur. Auch am häufigsten in der
dichterischen Schreibart. Das Herz wallet mir vor Freude.
Noch haben sie uns Männer aufgespart, In deren Brust die
Freyheitsliebe wallet, Weiße.
In engerer Bedeutung zuweilen von der Empfindung des
Erbarmens, der Liebe. Dein Herze wird dir wallen, Opitz. Noch ließ der große
Gott sein Vaterherze wallen, eben ders. Laß dein Herz für einen Sünder wallen,
Canitz. 2. Mit dem Hülfsworte seyn. (1) Sich auf einem flüssigen Körper
wellenförmig fortbewegen, auch nur in der dichterischen Schreibart. Mit
pestilenzialischem Fittig wallet auf Nebeln die Seuche daher, Zachar. (2) In
weiterer Bedeutung, geben, zu Fuße reisen; eine im Hochdeutschen veraltete
Bedeutung, vermuthlich, weil die Figur hier nicht paßt, und man so viele andere
Wörter an dessen Stelle hat. Im Oberdeutschen scheint es noch hin und wieder
gangbar zu seyn. In der Fremde herum wallen. Im Hochdeutschen lebt es in dieser
Bedeutung nur noch bey den Dichtern, ungeachtet das Bild hier zur Verschönerung
nichts beyträget, da es nicht einmahl passend ist.
Den Pilgram, welchen du siehest außer Weges wallen Und irrig
gehn Wald ein, Opitz. Schon wall ich auf der Bahn, die und zur Ehre leitet,
Zachar.
Auf Erden wallen, figürlich, noch auf der Erde leben.
So lang ich hier im Leibe walle Bin ich ein Kind, das
strauchelnd geht, Gell.
So auch das Wallen und die Wallung,
S. das letztere besonders. Anm. Für gehen, wandern,
schon bey dem Ottfried und Notker uuallon, im Schwed. valla, im Angels.
vealian, wovon ohne Zweifel auch das Französische aller gebildet ist. Wallen
ist ursprünglich eine Onomatopöie, welche, so wie das Lat. builire, den Laut
des siedenden Wassers oder des wallenden Meeres nachahmet, worauf es nach einer
sehr gewöhnlichen Figur auch auf solche Bewegungen übergetragen worden, welche
nur für das Auge, nicht aber für das Ohr, wallend sind. Seiner Form nach ist es
ein Intensivum, welches folglich einen stärkern Grad dieser Bewegung
bezeichnet, als das einfache, aber ungewöhnliche, walen bezeichnen würde,
welches nur noch in dieser und manchen andern Ableitungen lebt. (
S. Walgen.) Auch Schwall, schwellen und Quellen gehören
hierher, wo nur der Grundbegriff durch Vorsylben anders bestimmt worden.
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1365-1366]