Wähnen
, [
1341-1342] verb. reg. neutr. welches das
Hülfswort haben bekommt. 1. * Dafür halten, meinen, glauben, im weitesten
Verstande; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, worin es aber in den
ältern Oberdeutschen Schriften häufig vorkommt. Ih uuan, ich glaube, halte
dafür, heißt es mehrmahls im Ottfried. 2. Auf eine irrige, ungegründete Art
dafür halten, aus irrigen Gründen muthmaßlich schließen; in welcher Bedeutung
es nur noch allein üblich ist. Ihr sollt nicht wähnen, daß ich kommen bin, das
Gesetz aufzulosen, Matth. 5, 17. Daß nicht jemand wähne, ich sey thöricht, 2
Cor. 11, 16. Indessen fängt es auch in dieser Bedeutung an, weniger gebraucht
zu werden, indem in den meisten Fällen, wo das ungegründete zugleich mit
bezeichnet werden soll, sich einbilden gebraucht wird. So auch das Wähnen. Anm.
Bey dem Kero uuanan, bey dem Ulphilas wenjan, im Angelsächsischen wenen, im
Engl. to ween, im Niedersächsischen wanen, im Schwedischen vänta. Aus der
Endsylbe nen erhellet, daß dieses Verbum ein Intensivum oder vielmehr
Iterativum ist, wie sehnen, gähnen, dehnen u. s. f. Die einfachere Form, wovon
jenes abgeleitet ist, kommt noch im Ottfried vor, wo wahen, Meldung thun,
erzählen, erwähnen bedeutet. Noh in themo uuahen thiu uuort ni milsi fallen;
und so in andern Stellen mehr,
S. Schilters Gloss. v. wahen. Mit dieser Bedeutung des
Verbi wahen sind die Lateinischen fari, vates, u. s. f. verwandt.
[
1343-1344]