Der Vormund
, [
1281-1282] des -es, plur. die -münder,
Fämin. die Vormünderinn. 1. Überhaupt, eine Person, welche für einer andern
Bestes und Sicherheit sorget, es sey nun durch Vertheidigung mit Worten, durch
Fürsprache, oder durch Verwaltung ihrer Angelegenheiten, oder endlich auch
durch Gewährung thätigen Schutzes; in welcher sehr weiten Bedeutung es ehedem
besonders in solchen Fällen gebraucht wurde, wo die andere Person, oder als
eine Person betrachtete Sache, solches selbst zu leisten, fähig war. Es ist in
dieser weitern Bedeutung, im Ganzen genommen, im Hochdeutschen veraltet, kommt
aber hin und wieder in manchen einzelnen Gegenden und Orten vor. Die Vorsteher
der Kirchen und milden Stiftungen werden noch an vielen Orten, so wohl Ober-
als Niedersachsens, Vormünder genannt, weil sie nicht nur die Güter derselben
verwalten, sondern auch für ihr Bestes sprechen, sie vertreten. Die Vögte oder
Advocati der Stifter kommen ehedem gleichfalls unter dem Nahmen der Vormünder
vor. Ein Advocat oder gerichtlicher Beystand hieß im Niedersächsischen ehedem
Voremunt, Vormund, wovon in dem Brem. Nieders. Wörterbuch. v. Mund, mehrere
Beyspiele angeführet werden. Eben diesen Nahmen bekamen ehedem die Syndici der
Städte, und an vielen Orten werden auch die Heimbürgen auf den Dörfern, welche
die Güte und das Beste der Gemeine handhaben, Vormünder genannt. Selbst in der
Deutschen Bibel hat Luther es noch in einer dieser weitern Bedeutungen
gebraucht. Jehu schrieb Briefe und sandte sie gen Samaria, zu den Obersten der
Stadt Jesreel, zu den Ältesten und Vormünden (Vormündern) Ahabs, 2 Kön. 10, 1.
5. Und 2 Marc. 11, 1. Kap. 13, 2 heißt Lysias, des Königs Antiochus Vormund,
Vetter und oberster Rath. 2. In engerer Bedeutung, welche jetzt im
Hochdeutschen die gewöhnlichste ist, ist der Vormund, Fämin. Vormünderinn, eine
Person, welche nach dem Tode der Ältern das Beste unmündiger Kinder besorgt, so
wohl durch ihre Erziehung, als durch ihre Vertretung und Beschützung, als
endlich auch durch die Verwaltung ihres Vermögens. Die unmündige Person heißt
in Rücksicht ihres Vormundes, dessen Mündel. Der Vormund besorgt das Beste
unmündiger, der Pfleger und Curator aber auch mündiger Personen. Jemandes
Vormund seyn. Jemanden zum Vormunde haben. Anm. Das Wort lautet schon in den
Monseeischen Glossen Foramund, im Schwabenspiegel Vormunt, und im Nieders.
gleichfalls Vormund. Da Fürsprache und Schutz die beyden wesentlichen
Obliegenheiten eines Vormundes in dem ganzen Unfange der Bedeutung dieses
Wortes ist, so lässet sich die letzte Hälfte desselben mit fast gleichen Grunde
auf eine doppelte Art ableiten; entweder von dem veralteten munden, sprechen,
wovon im Tatian noch das Intensivum muntigan, aussprechen, und die
Zusammensetzung balmund, verleumden, vorkommt; oder auch von dem alten Mund,
Schutz, und Munden, schützen. Mund, Schutz, kommt so wohl in der Alemannischen
Mundart, als auch in der Angelsächsischen, Schwed u. s. f. häufig vor. Daher
war im mittlern Lat. Mundium, der Schutz, Mundius, Mundualdus, ein Beschützer,
Vormund, im Alemannischen Balmund, ein Schlechter Beschützer oder Vormund, und
eine Menge anderer mehr. Man hatte davon auch das Zeitwort vormunden, welches
beschützen überhaupt bedeutete, und wovon Frisch eine Stelle aus den Script.
Brunsv. anführet. Mündel ist von eben diesem, oder dem vorigen Stamme,
vermittelst des Endlautes -el, eine Person, welche den Schutz oder die
Fürsprache anderer begießt, mündig, fähig, sich selbst zu schützen, oder für
sich selbst zu sprechen. Im Italienischen heißt ein Vormund noch jetzt
Mondualdo, im mittlern Lateine Mundualdus, eigentlich Mund - walt, der den
Schutz handhabet. Da Mund, im mittlern Lateine Mundius, schon für sich allein
einen Beschätzer, tutor, bedeutet, so scheinet das Vorwort vor hier eben so um
des Nachdruckes willen vorgesetzt zu seyn, als pro in protegere, um dadurch
näher zu bezeichnen, daß sich der Schutz auf einen andern beziehe. Unserm
heutigen Gebrauche nach sollte das Wort billig Fürmund heißen, weil der Begriff
des für hier sehr merklich ist: allein Vormund aht die Verjährung vor sich,
läßt sich aber allenfalls auch eben so erklären, wie in Vorsteher, vorstehen,
und andern. [
1283-1284] Von dem alten munden, schützen,
vormunden, beschützen, war dieses Wort ehedem in einer doppelten Form üblich.
Man sagt ohne Suffixum Vormund, plur. die Vormünde, (welcher noch in der oben
angeführten Stelle, 2 Kön. 1. vorkommt,) und im Fämin. die Vormündinn, und mit
der Endsylbe er, der Vormunder oder Vormünder, (im Deutschen Livius von 1514,
Fürminder, Schwedisch Förmyndare, Dänisch Formynder,) da denn der Plural die
Vormünder, und das Fämin. die Vormünderinn lautete. Die heutige Hochdeutsche
Mundart hat beyde Formen zusammen genommen, und macht von der ersten, den
männlichen Singular, von der zweyten aber den männlichen Plural des Fämininum
Vormünderinn. Übrigens wird Vormund häufig von Personen beyderley Geschlechtes
gebraucht. Gebraucht man aber das Fämin. Vormünderinn, so bezeichnet selbiges
zwar eine weibliche Person, so fern sie wirklich die Vormundschaft eines
Mündels verwaltet, aber nicht die Ehegattinn eines Vormundes, die man doch ine
einigen Gegenden noch Vormündinn nennet. Ein Vormund in der zweyten Bedeutung
hieß ehedem auch Vogt. Im Oberdeutschen wird er noch Gerhab und Treusträger
genannt. [
1283-1284]