Versprechen
, [
1143-1144] verb. irreg. act. (
S. Sprechen,) welches nach Maßgebung der verschiedenen
Bedeutungen beyder Theile der Zusammensetzung, besonders aber der Partikel, in
verschiedenen Verstande vorkommt. 1. So daß ver eigentlich eine Entfernung
bedeutet. (1) Mit Sprechen zubringen. Und ich habe mit euch so manche Stunde
versprochen, Zach. Welcher Gebrauch doch seltener ist. In der vertraulichen
Sprechart sagt man dafür verschwatzen, verplaudern. (2) * Läugnen, eine
veraltete Bedeutung, welche noch bey den Schwäbischen Dichtern vorkommt. Eben
so veraltet sind die Bedeutungen des Widersprechens, in dem Schwabenspiegel,
des Verbiethens, bey dem Ottfried, der Verwerfung mit Worten, bey dem Stryker,
und andere ähnliche mehr, welche insgesammt Figuren des Begriffes der
Entfernung sind. 3. Mit Worten zusagen, sagen, daß man etwas zum Nutzen des
andern thun oder lassen wolle. (a) Eigentlich, mit der dritten Endung der
Person. Einem etwas versprechen. Ich habe es dir ja schon versprochen. Jemanden
seine Hülfe, eine Belohnung versprechen. Versprich mir, daß du kommen willst.
Daher das Versprechen. Sein Versprechen halten, brechen. Ehedem gebrauchte man
dafür verheißen, welches aber außer der höhern Schreibart veraltet ist, seitdem
versprechen in dieser Bedeutung üblicher geworden. Ungewöhnlich ist hier die
reciproke Form. Judas versprach sich den Hohenpriestern, Jesum zu verrathen,
Luc. 22, 6. Wachter hielt diese Bedeutung mit Unrecht für dunkel; sie ist
vielmehr eben so deutlich, als in versagen, vergeben, verschenken, verkaufen u.
s. f. und eine Figur der Übertragung. (b) In engerer Bedeutung, den Besitz
einer Sache zusagen, wo es oft auch mit Auslassung der dritten Endung der
Person gebraucht wird. Die Waare ist schon versprochen, ist schon jemanden
zugesagt. Jemanden seine Tochter versprechen nähmlich zur Ehe. Sich mit einer
Person versprechen, ihr versprechen, sie zu heirathen. Wo es oft in engerer
Bedeutung von dem feyerlichen Verlöbnisse für verloben gebraucht wird, in
welchem Verstande auch die Versprechung, die Eheversprechung, das
Eheversprechen üblich sind. Ein versprochenes Brautpaar. Ich sähe es gern, wenn
ich euch, meine Töchter, auf einen Tag versprechen könnte, Gell, d. i.
verloben. Ingleichen von einem Besitze auf kurze Zeit. So sagt man, man sey
schon versprochen, wenn man einem andern sein Wort gegeben hat, ihn zu
besuchen. (c) Figürlich, Hoffnung geben oder machen, wenn solches gleich nicht
durch Worte geschiehet. Theils mit dem Accusativ der Sache allein. Der Anschein
verspricht nicht viel. Ein viel versprechender junger Mensch. Diese Witterung
verspricht eine reiche Ernte. Seine Fähigkeiten versprechen einen großen Mann.
Ein andrer hat zwar viel Geschicke, Doch weil die Miene nichts
verspricht, u. s. f. Gell.
Theils auch als ein Reciprocum. Sich viel von Jemanden
versprechen, viel von ihm hoffen. Wie kannst du dir Treue von einer Buhlerinn
versprechen. Versprich dir nicht zu viel Glück. Ich verspreche mir von dieser
Unternehmung viel Nutzen. 2. Aus Mangel der Aufmerksamkeit falsch sprechen oder
reden, als ein Reciprocum; im gemeinen Leben auch sich verreden. Sich
versprechen. Ich habe mich nur versprochen. Wie leicht verspricht man sich
nicht! Daher das Versprechen. 3. Durch Sprechen oder Worte den Zustand eines
Dinges verschlimmern, doch nur in einigen Fällen. (1) Im gemeinen Leben
gebraucht man es oft für besprechen im abergläubischen Verstande. Eine Büchse
versprechen, durch abergläubige Worte machen, daß sie versage. (2) * Tadeln,
mißbilligen, ingleichen übels nachreden, verleumden. Da sie (die Pharisäer)
sahen etliche seiner Jünger mit ungewaschenen Händen das Brot essen,
versprachen sie es, Marc. 7, 2; sie beredeten es, hielten sich darüber auf.
Es mocht mich jemand hier versprechen Und mir solches für ein
Frevel rechen, Grobian,
bey dem Frisch. Ein versprochener Mann war daher ehedem so
viel als ein berüchtigter, anrüchtiger Mann. Doch diese ganze Bedeutung ist im
Hochdeutschen veraltet. Im Nieders. ist verspreken, schmähen, lästern. So auch
das Versprechen und die Versprechung, welches letztere doch nur in einigen
Fällen der ersten Bedeutung gebraucht wird.
S. auch Verspruch. Anm. In der Deutschen Bibel kommt
dieses Wort einmahl in einer noch andern, gleichfalls veralteten Bedeutung vor.
Denn die Männer zu Sichem versprachen Abimelech, u. s. f. Richt. 9, 22; d. i.
sie sagten ihm Treue und Gehorsam auf, wo es gleichfalls eine Figur der ersten
Hauptbedeutung ist, wo ver die Bedeutung der Entfernung hat. Übrigens kommt die
Bedeutung des Zusagens bey den ältern und mittlern Schriftstellern wenig vor,
indem versprechen bey ihnen in manchen andern Bedeutungen gangbar war. So wie
diese veralteten, so hob sich jene Bedeutung, dagegen fing verheißen, welches
man bis dahin anstatt desselben gebraucht hatte, an zu veralten. So herrschen
die Ebbe und Fluth der Zeit über Wörter, so wie über Personen und Sachen!
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1145-1146]