Sprechen
, [
229-230] verb. irreg. Präs. ich
spreche, du sprichst, er spricht; Imperf. ich sprach, Conj. ich spräche;
Mittelw. gesprochen; Imper. sprich. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als
ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1. * Im weitesten Verstande, einen Laut
von sich geben, eine jetzt veraltete Bedeutung, welche aber die erste und
ursprüngliche ist, in welcher sprechen eine unmittelbare Nachahmung dieses
Lautes ist. Darum spricht eine rauhe Fidel, nit als wol als ein polierte, in
dem 1483 zu Augsburg gedruckten Buche der Natur, wo es für klingen stehet. Man
gebraucht es noch in ansprechen von den Pfeifen, und den ihnen ähnlichen
musikalischen Instrumenten. Eine Flöte spricht nicht rein, wenn sie keinen
reinen Ton hat. Es ist in dieser weitesten Bedeutung mit brechen genau
verwandt, (
S. die Anmerkung) und wurde daher so wie dieses auch
figürlich von dem Glanze gebraucht. Daher sagen noch die Mahler, daß eine Farbe
vorspricht, wenn sie unter einer andern vorschimmert. 2. In engerer und
gewöhnlicherer Bedeutung, andern verständliche Laute vorbringen, und in noch
engerm Verstande, seine Empfindungen und Gedanken durch Worte merklich machen.
(1) Im weitesten Verstande, verständliche Laute hervor bringen, und in engerer
Bedeutung seine Empfindungen und Gedanken durch Worte ausdrucken, in welcher
Bedeutung man auch reden gebraucht. Ein Vogel spricht, kann sprechen, wenn er
vernehmliche Laute vorbringen kann. Ein Kind lernt sprechen, wenn es seine
Empfindungen und Gedanken durch Worte ausdrucken lernet. Figürlich und in der
höhern Schreibart, vermittelst der Worte andern merklich gemacht werden. Die
feurigste Zärtlichkeit spricht aus ihm, Sonnenf. Lieb' und Verzweiflung spricht
aus beyden, Gell. Das Herz, das aus Gerinen spricht, eben ders.
Ich fürcht', Achat, daß meine Schwäche nicht, Wenn ich sie
sprechen will, aus jeder Sylbe spricht. Schleg.
(2) In verschiedenen engern Bedeutungen. (a) In Rücksicht auf
die Art und Weise, wie man seine Gedanken andern durch Worte mittheilet, wo es
doch mehr von gewissen zufälligen Umständen, als von dem Inhalte der Rede
gebraucht wird; wo man auch wohl reden gebraucht. Langsam, geschwinde,
deutlich, undeutlich sprechen. Er spricht gut Französisch, schlecht Deutsch. Wo
es auch active üblich ist. Eine Sprache fertig, ohne Anstoß sprechen. (b) Mit
dem ausdrücklichen Beysatze dessen, was man durch Worte bekannt macht, für
sagen, wo es sich doch in diesem darin unterscheidet, daß dieses auch active
mit der vierten Bedeutung, sprechen, aber mehr neutraliter gebraucht wird.
Paulus antwortete und sprach u. s. f. Jesus sprach zu seinen Jüngern: habet ihr
u. s. f. Wie, sprach er, ist das möglich? Gott sprach: es werde Licht! Der
Vater sprach, das tauge nicht viel. Die Leute sprechen, daß unser König der
frömmste liebreichste Herr von der Welt ist, Weiße. Indessen ist im gemeinen
Leben und in der vertraulichen Sprechart der Hochdeutschen sagen üblicher,
dagegen die Oberdeutschen in dieser Bedeutung häufig sprechen gebrauchen.
Zuweilen, obgleich nicht so häufig wie sagen, wird es hier auch active mit der
vierten Endung gebraucht. Was spricht die Schrift? Gal. 4, 30. Was sprichst du
dazu? - Ich spreche ja. Sprich nur ein Wort. Oft wird dasjenige, was man durch
die Sprache ausdruckt, nicht unmittelbar, sondern mehr verdeckt angedeutet. Für
jemanden sprechen, zu seinem Besten reden. Ja, mein ganzes Herz hat für sie
gesprochen, Gell. Dazu gehört ja gar keine Tugend, einer Person etwas zu
gönnen, für welche das Blut in mir spricht, eben ders. In welchem Verstande man
auch wohl active sagt, einem das Wort sprechen. (c) Mit näherer Beziehung auf
die Person, welcher man etwas bekannt macht, wie reden, besonders von dem
Sprechen und Reden im gesellschaftlichen Umgange. Mit jemanden sprechen. Mit
jemanden von einer Sache, (im gemeinen Leben auch aus einer Sache) sprechen.
Wir sprachen von allerley. Wir sprachen eben von der Sache. Unter uns und
nieman- [
231-232] den zu nahe gesprochen. Auch wohl
active, doch nur mit dem Substantivo Wort. Ich habe ein Wort mit ihnen zu
sprechen, ein Weniges. Ich möchte gern ein Wort mit ihm allein sprechen. Wo es
denn mit der vierten Endung der Person auch in weiterm Verstande gebraucht
wird. Jemanden sprechen, ihm persönlich gegenwärtig seyn, und mit ihm sprechen.
Kann ich ihn nicht sprechen? Ich konnte ihn nicht zu sprechen bekommen. Sich
nicht sprechen lassen, nicht zu sprechen seyn. Er ist seit drey Tagen nicht zu
sprechen. Wir sprachen einander nur heimlich. Figürlich ist gut zu sprechen,
und nicht gut zu sprechen seyn, guter, nicht guter Laune seyn. (d) In einigen
Fällen, besonders der vertraulichen Sprechart, wird es so wie sagen auch für
befehlen gebraucht. Hier hat er nichts zu sprechen. II. Als ein Activum, wo es
außer den bereits angezeigten Fällen, durch verständliche Worte, mit deutlichen
Worten bekannt machen heißt. Etwas gut sprechen, es mit Worten für gut
erklären. Jemanden heilig sprechen, ihn feyerlich für einen Heiligen erklären.
Jemanden frey sprechen, los und ledig sprechen, ihn von einer Pflicht frey
sprechen. Jemanden rein, unrein sprechen, 3 Mos. 13, 7. 44. Etwas recht
sprechen, es für recht erklären; aber den Parteyen Recht sprechen, ihre
Streitigkeiten durch gesprochene Urtheile schlichten. Ein Urtheil in einer
Sache sprechen, wo man auch elliptisch sagt, in einer Sache sprechen. Den Segen
sprechen, ihn mit deutlicher Stimme hersagen. Das Tischgebeth, das Vater Unser
sprechen. Im Oberdeutschen sagt man auch Reime sprechen, Sprüche sprechen,
Reime, oder gereimte Sprüche mit deutlicher Stimme hersagen, (
S. Spruchsprecher.) In weiterer und figürlicher
Bedeutung in der höhern Schreibart. Der unbeseelte Thon sprach in das Aug
Entzücken, Zachar.
Sey mir gesegnet, Stimme meines Heils, Die neuen Trost in
meine Seele spricht, Gieseke.
So auch das Sprechen. (
S. auch die Sprache.) In einigen Zusammensetzungen, z.
B. Heiligsprechung ist auch das Verbale auf ung üblich. Anm. Schon im Isidor,
Kero u. s. f. sprehhan, im Nieders. spreken, im Angels. sprecan, im Schwed.
spraka. Daß dieses Zeitwort mit brechen verwandt ist, haben schon Frisch und
andere erkannt, nur haben sie die Verwandtschaft nicht aus dem rechten Lichte
angesehen. Sprechen und brechen sind nur in so fern verwandt, als beyde
ursprünglich Onomatopöien eines ähnlichen Lautes sind, der in dem ersten durch
das intensive s verstärket worden. Ohne dieses intensive s ist im Ottfried
anabrechon, anrufen, woraus denn erhellet, daß das Nieders. prachern, betteln,
unser fragen, die Lat. precari, Praeco, Preces, das Hebr. hier
nichtlateinischer Text, siehe Image, loben, das Schwed. vräka, erzählen,
verkündigen, und andere mehr, gleichfalls mit zur Verwandtschaft gehören. (
S. Pracht und Pracher.) Nimmt man auch den Blaselaut
weg, so kommt auch das veraltete rachon, wovon unser rechnen abstammt, mit in
Betrachtung. Eben so ist für brechen in einigen alten Mundarten auch das
intensivere sprechen üblich. Mit seinem wristum sind ausgesprochen
(ausgebrochen) und entsprungen die Itweg, (Abgründe,) in einer alten
Übersetzung der Sprüche Salomo, vom Jahre 1400. Im Schwed. ist spricka,
spalten. Das Englische to speak und Angels. specan, ist nicht durch Ausstoßung
des r aus sprechen gebildet, sondern ein eigenes Wort, welches mit dem Angels.
Swaeg, der Laut, Schall, und swaegan, tönen, Nieders. schwögen, eintönig und
langweilig reden, verwandt ist. In einigen Oberdeutschen Gegenden gehet dieses
Zeitwort regulär; daß ich dießfalls so hart sprechete, in einer
Österreichischen Kanzelleyschrift. In andern hat man für sprechen das gleich-
[
231-232] falls reguläre sprachen, welches so wohl für
sprechen überhaupt, als besonders für vertraulich sprechen, schwatzen, üblich
ist.
Daß ein Esel hat gespracht, warum wundert man sich doch? Geh
aufs Dorf, geh auf den Markt, o sie reden heute noch, Logau.
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231-232]