Verschlagen
, [
1119-1120] verb. irreg. (
S. Schlagen,) welches nach Maßgebung des einfachen
Zeitwortes und der Partikel ver in verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird. Es
ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Activum. 1. Durch Schlagen
verbrauchen, in welchem Falle man, z. B. sagt, alle Nägel verschlagen, alle
Nägel einschlagen, und dadurch verbrauchen. 2. Durch Schlagen verschließen,
zuschlagen, Fässer, Kästen verschlagen, sie zunageln oder zuschlagen. In den
Salzkothen werden die Pfannen verschlagen, wenn sie gestickt werden. 3. Durch
Schlagen absondern. In diesem Verstande sagt man noch zuweilen, eine Kammer,
ein Zimmer, einen Raum verschlagen, wenn man einen Theil desselben durch eine
leichte Wand von angeschlagenen Bretern absondert; wofür doch einen Vorschlag
machen, üblicher ist. (
S. Verschlag.) 4. Zu sehr schlagen, eine nur in der
Jägerey übliche Bedeutung, wo man einen Hund verschlägt, wenn man ihn durch zu
viele Härte schüchtern und furchtsam macht, wofür auch überschlagen üblich ist.
5. Für überschlagen, der Zahl oder Größe nach ungefähr bestimmen, wo es doch
nur in engerer Bedeutung in den Salzwerken üblich ist, wenn der Gehalt der
Salzsohle genau untersucht wird. Die Sohle verschlagen. (
S. Verschlag.) Im Nieders. ist verslaen auf der Woge
untersuchen, Schwed. försla, welches aber auch zählen bedeutet, und zwar nach
einer sehr alten Bedeutung, in welcher Ottfried schon unfirslagen für unzählbar
gebraucht. 6. In der Ferne schlagen, ingleichen durch oder im Schlagen
verirren, verlieren; wo es wieder in verschiedenem Verstande vorkommt. a. Einen
Ball verschlagen, ihn im Schlagen verlieren, so schlagen, daß man ihn nicht
wieder finden kann. b. In der Seefahrt wird man von dem Winde verschlagen, wenn
man durch denselben von seiner Fahrt abgetrieben wird. Der Sturm verschlug das
Schiff an die Küste, an eine wüste Insel. Von seiner Fahrt verschlagen werden.
Ein verschlagenes Schiff. Bey den Jägern wird es als ein Reciprocum gebraucht.
Der Schuß verschlägt sich, wenn er an einen unbekannten falschen Ort geräth.
Ein verwundetes Wild hat sich verschlagen, wenn es an einen unbekannten Ort
gerathen ist. c. Eben daselbst verschlägt sich ein Wild in den Zeug, wenn es
sich in demselben verwickelt. d. Figürlich sagt man, sich etwas verschlagen,
sich um den möglichen Genuß eines Guten bringen, fast so, wie verscherzen, doch
mit einem merklichen Unterschiede. Der Kaufmann verschlägt sich seine Kunden,
wenn er durch sein Betragen macht, daß sie sich von ihm wegwenden. Sich eine
gute Heirath, sein Glück u. s. f. verschlagen. 7. Eine Münze verschlagen, in
einigen Gegenden, sie verrufen, abwürdigen, in andern Gegenden auch abschlagen.
II. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, gleichfalls in mehrern, dem
Anscheine nach verschiedenen Bedeutungen, welche doch insgesammt in dem
Gebrauche des einfachen Zeitwortes gegründet sind. 1. Aufhören zu schlagen, in
verschiedenen Bedeutungen des Zeitwortes. a. Bey den Jägern verschlägt das
Birkgeflügel, wenn es aufhöret zu schlagen, d. i. zu locken, welches daselbst
auch verbleffen genannt wird. b. Eben daselbst hat der Hirsch verschlagen, wenn
er den Bast von seinem Gehörne völlig abgeschlagen hat, wofür auch verbasten
üblich ist. 2. Wenn sehr kalte Körper etwas von ihrer strengen Kälte verlieren,
so daß sie ohne heftige Empfindung angegriffen oder genossen werden können, so
sagt man, daß sie verschlagen. Das Wasser verschlagen lassen. Das Bier nicht
anders als verschlagen trinken. Verschlagener Wein. Im Hochdeutschen ist
überschlagen in eben demselben Verstande üblich. 3. Ein Pferd verschlägt, hat
verschlagen, wenn es wegen plötzlich unterdrückter Ausdünstung krank wird,
welche Krankheit sich zuerst durch eine Streife in den Füßen äußert. Sich
verfangen, ist in eben demselben Verstande üblich, besonders, so fern das
Verschlagen von dem Winde oder einem hitzigen Trunke herrühret. (
S. auch Rehe.) Zwar sagt man auch, ein Pferd ist
verschlagen, allein alsdann ist es das Mittelwort mit dem Zeitworte seyn. Ein
verschlagenes Pferd. 4. Die verlangte Wirkung hervor bringen, so wie verfangen
und anschlagen; vorzüglich mit der Verneinung. Die Arzeney will nichts
verschlagen. Es verschlägt nichts mehr bey dem Kranken. Kein Bitten wollte
etwas verschlagen. Das kann nichts verschlagen, kann nichts helfen. 5.
Austragen, ausmachen. Es verschlägt nicht viel, der Unterschied trägt wenig
aus. Er verschlägt viel, der Unterschied beträgt viel. In noch weiterm Ver-
[
1121-1122] stande, daran gelegen seyn. Es verschlägt
viel, es ist viel daran gelegen, eigentlich, der Unterschied zwischen beyden
Fällen be trägt viel. Das verschlägt nichts, macht keinen erheblichen
Unterschied, ist daher gleichgültig. Wenn die Person ausgedruckt wird, so
stehet selbige, so wohl der ganzen Analogie der Sprache, als auch den besten
Beyspielen nach, in der dritten Endung. Es verschlägt mir nichts, ist mir
gleichgültig. Das kann mir nicht viel verschlagen. Der Frau verschlug das
nichts, Gell. Was kann denn das meinem Wirth verschlagen? eben ders. Was würde
es ihnen verschlagen, wenn u. s. f. Less. Zwar heißt es auch bey dem Gellert:
ich habe es ihnen ja schon gesagt, daß mich ein Wort nichts verschlägt;
ingleichen: aber das verschlug mich nichts; und an einem andern Orte: was kann
sie denn das verschlagen, ob ich ihnen aus dieser oder jener Ursache gewogen
bin; doch das gehöret mit zu den kleinen Flecken, von welchen dieser sonst so
reine Schriftsteller nicht ganz frey ist. 6. Von einer jetzt veralteten
Bedeutung, nach welcher es ehedem schlau, listig, und in weiterm Verstande auch
klug seyn, bedeutete, ist noch das Mittelwort verschlagen, als ein eigenes Bey-
und Nebenwort üblich, Geschicklichkeit oder Fertigkeit besitzend, seine
Absichten auf eine, andern verborgene Art zu erreichen und darin gegründet, wo
es mit listig wohl größten Theils gleich bedeutend ist, und so, wie dieses, so
wohl in einem unschädlichen Verstande, als auch in einem nachtheiligen,
gebraucht wird, und alsdann den Gebrauch dieser Fertigkeit zum Schaden anderer
bedeutet. Ein verschlagener Mensch. Ein verschlagener Kopf. Eine verschlagene
Antwort. Meine Feinde sind verschlagen und haben geschwinde Ränke, Ps. 64, 7.
Sie ist die verschlagenste Person, die ich nur kenne. (
S. auch verschmitzt.) In Preußen sagt man in diesem
Verstande beschlagen, im Schwed. so wohl beslagen, als förslagen; selbst unser
beschlagen, Kenntniß von etwas haben, und Anschlag, gehören hierher. Das
Stammwort ist noch in dem Isländ. slägur vorhanden, welches gleichfalls listig,
verschlagen bedeutet, dagegen im Schwedischen Slug und Slägd, der Betrug ist.
Aus allem erhellet, daß schlagen ehedem auch von gewissen schnellen Fähigkeiten
des Geistes gebraucht worden, so daß unser klug, vielleicht auch schlau, genau
damit verwandt sind. (
S. diese Wörter.) Der nachtheilige Nebenbegriff des
Schadens anderer ist diesem Worte so wenig wesentlich, als dem Worte listig;
obgleich beyde häufig mit demselben gebraucht werden. Bey dem Apherdian kommt
auch ein Activum verschlagen, für betriegen, ingleichen durch Gaukeln
verblenden, vor. Anm. Das ganze Zeitwort ist, wenigstens in einigen
Bedeutungen, schon sehr alt. Einige Oberdeutsche Schriftsteller gebrauchen das
Activum auch anstatt des einfachen Zeitwortes schlagen.
Die aller Meynungen verschlugen in den Wind, Opitz.
Das Hauptwort die Verschlagung wird selbst in den Bedeutungen
des Activi wenig gebraucht; das Verschlagen hingegen ist in beyden Formen
üblicher. [
1121-1122]