V
, [
1163-1164] der zwey und zwanzigste unter
den Deutschen Buchstaben und der siebzehnte unter den Mitlautern, welcher
seiner heutigen gewöhnlichsten Aussprache nach dem f gleich lautend ist, er
stehe zu Anfange eines Wortes, Vater, viel, voll, Volk, oder am Ende, brav,
massiv, oder auch in der Mitte, Larve, Nerve, Pulver. In dem letztern Worte
wird es von vielen gelinde, wie ein w gesprochen, welche Aussprache es auch
bekommt, wenn es in der Mitte zwischen zwey Selbstlautern stehet; wie in
Frevel, Stüver, Sclave, wo es wie ein w oder sanftes b ausgesprochen wird. Die
Deutschen haben diesen Buchstab mit dem ganzen übrigen Alphabete von den
Lateinern angenommen. Allein, bey diesen hatte er, aus Armuth an
Schriftzeichen, einen sehr mangelhaften Gebrauch. In ihrer größern Schrift
mußte das V so wohl den Selbstlaut u, als auch den gelindern Blaselaut,
ausdrücken, für welchen wir jetzt das w haben, und ob sie gleich in ihrer
spätern kleinern und Current-Schrift zwey verschiedene Zeichen u und v
annehmen, so waren doch die Schreiber durch die ältere größere Schrift schon so
sehr verwöhnt, daß der Gebrauch der letztern sehr unbestimmt und schwankend
wurde. Diese Verwirrung schlich sich mit der Schrift auch in die Deutsche
Schreibart ein. Zwar half man einem Theil derselben dadurch ab, daß man für den
sanftern Blaselaut, welchen das V, v oder u, wenn es das Zeichen eines
Mitlauters war, ausdrucken mußte, das w annahm und nicht Vein, vehe mir, Vind
u. s. f. sondern Wein, wehe, Wind schrieb; allein, sie ward auf der andern
Seite wieder vermehret, indem man das v nicht nur als völlig gleich bedeutend
mit dem f gebrauchte, welches die Lateiner nicht thaten, bey welchen es, wenn
es ein Mitlaut war, wie unser w lautete, sondern es auch nach Art derselben
anstatt des Selbstlautes u schrieb. Im ersten Falle, schrieb man ohne
Unterschied Fater und Vater, fon und von, Folk und Volk, im zweyten aber vnnd
und und, dauon und davon. Nach und nach ward die Rechtschreibung einförmiger,
und der Mitlauter v theilte sich mit dem f in diejenigen Fälle, in welchen der
harte Blaselaut Statt fand, obgleich diese Theilung sehr ungleich und
willkührlich geschahe, indem man sich dabey bloß nach dem Gebrauche richtete,
und bald das f, bald aber auch das v schrieb, so wie dieses oder jenes
allgemeiner geworden war. Man schrieb daher Volk, behielt aber das f in dem
Stammworte folgen; auf ähnliche Art entstanden die Ungleichheiten in der
Schreibart der Wörter viel, voll und Fülle, füllen, vor und für u. s. f. Einige
Wörter hat man noch sehr lange so wohl mit einem v, als mit einem f,
geschrieben; z. B. Vehwamme und Fehwamme, vest und fest, und in manchen
Gegenden schreibt man sie noch jetzt mit dem v. In solchen Fällen nun, wo der
Gebrauch schwankend zu seyn scheinet, erklärt man sich billig allemahl für das
f, weil dieses in den allermeisten Fällen zur Bezeichnung des harten
Blaselautes angenommen ist, dagegen man das v vergleichungsweise nur in einigen
wenigen beybehalten hat. Es ist nur die Frage, ob man es nicht auch in diesen
wenigen verbannen und dafür das bessere f einführen könne. Da f und v unserer
Aussprache nach völlig gleichlautend sind, das letztere sich auch nur durch
einen Mißbrauch anstatt des erstern eingeschlichen hat, so wäre es allerdings
zu wün- schen, daß die ersten Schreiber und Schriftsteller dasselbe vermieden
hätten. Allein, da die ganze Nation diese Ungleichheit einmahl angenommen, und
dadurch stillschweigend gebilliget hat, so kann solche auch nicht anders, als
durch ihre allgemeine Einwilligung, wieder abgeschaffet werden, wozu heutiges
Tages keine vernünftige Hoffnung ist. Es sind daher alle Bemühungen einzelner
Sprachlehrer seit mehr als hundert Jahren in diesem Stücke fruchtlos gewesen
und haben ihnen keinen andern Vortheil gebracht, als daß man sie als
Sonderlinge verlacht hat, und man kann mit Gewißheit behaupten, daß die
Bemühungen derer, welche sich in den neuesten Zeiten zu Sprach- und
Schriftverbesserern anwerfen, kein besseres Schicksal haben werden. Überdieß
würde die Verwirrung, welche eine so wesentliche Veränderung, als die
Ausstoßung eines ganzen allgemein angenommenen Buchstabens ist, weit mehr
Nachtheil verursachen müssen, wen sie auch gewisser Maßen allgemein werden
sollte, als der kleine etwa damit verbundene Nutzen wieder ersetzen könnte. Was
den Gebrauch des v anstatt des u betrifft, so hat sich derselbe sehr lange
erhalten, wozu bey Wiederherstellung der alten Römischen Litteratur die
Pedanterey einiger Lateinischen Gelehrten das ihrige beytrug, welche das u zu
Anfange eines Wortes mit v und in der Mitte mit u ausgedruckt wissen wollten;
eine Pedanterey, welche sich, so seltsam und thöricht sie auch ist, doch sehr
lange erhalten hat. Allein, endlich behaupteten Vernunft und Geschmack ihr
Recht, wenigstens in der Deutschen Schreibart, und zeigten ihnen, wie seltsam
es sey, vnd zu schreiben, und nunmehr ward der Mitlaut v mit fast einstimmiger
Bemühung überall verbannet. Ein Überbleibsel des alten Vorurtheils, das u und v
als einen und eben denselben Buchstaben zu betrachten, hat sich indessen noch
bis auf unsere Zeiten erhalten, und dieser bestehet darin, daß man in allen
Registern und alphabetischen Verzeichnissen den Selbstlaut u mit dem Mitlaut v
vermengt, und die damit anfangenden Wörter nach Maßgebung des folgenden
Buchstabens ordnet. Wie seltsam diese Vermischung zweyer in der Gestalt und
Aussprache so verschiedener Buchstaben ist, wofür man keinen andern Grund hat,
als weil die alten Römer in ihrer großen Schrift, aus Armuth an Schriftzeichen,
für beyde nur Einen Buchstab hatten, darf wohl nicht erst gesagt werden. Es
wird also auch nicht erst einer Entschuldigung bedürfen, daß ich in diesem
Wörterbuche U und V, als zwey verschiedene Buchstaben, so wie sie es wirklich
sind, behandelt habe. [
1163-1164]