Die Unzucht
, [
1143-1144] plur. car. der Mangel, oder
die Abwesenheit der Zucht, und eine darin gegründete Handlung. 1. * Eigentlich,
in welchem Verstande dieses Wort ehedem sehr häufig war, eine jede so wohl der
gesellschaftlichen Wohlanständigkeit, als auch der bürgerlichen Ordnung, und
den Gesetzen zuwider laufende Handlung zu bezeichnen; da es denn theils mit
Ungesittetheit, Unanständigkeit, theils mit Frevel, Unfug, Ausschweifung,
theils auch mit Verbrechen und andern ähnlichen Ausdrücken gleich bedeutend
war. In den Monseeischen Glossen ist Unzuht, unruhiges Betragen, ingleichen
Ausschweifung, Unzuhtiger, ein ungezogener, unruhiger Mensch. In dem alten
Straßburgischen Stadtrechte wird für Unzucht erkläret, wenn jeman fin tur oder
venster bi naht (Nacht) ufhiebe, oder zerwurffe; wo es so viel als Unfug,
Störung der Ruhe und Ordnung ist. Bey den Schwäbischen Dichtern kommt es häufig
für Unhöflichkeit, ungezogenes Betragen vor, und im Schwabensp. Kap. 62. heißt
Unzuht, ungesittetes Betragen vor Gericht. Figürlich wurde es denn auch für
Schande, Unehr gebraucht. Sie thaten ihrem Bothen einen Unzucht, Königsh. Wenn
einer Frauen Unzucht thäte mit Schleyer abziehen und dem gleich, Straßburg.
Poliz. Ordnung. In dieser ganzen Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet,
doch scheint es in Schwaben noch für Muthwillen, Büberey, gangbar zu seyn. 2.
In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist die Unzucht der Mißbrauch des zur
Fortpflanzung verordneten Naturtriebes auf eine diesem Zwecke zuwider laufende
Art, wo es, so wie Hurerey zugleich ein harter Ausdruck ist, welchen man in der
glimpflichen und edlern Schreibart gern vermeidet. Unzucht treiben. Mit einer
Person Unzucht treiben. Sich der Unzucht ergeben. In Unzucht leben. Jemanden
zur Unzucht verleiten. Um Unzucht willen Weiber nehmen, Tod. 6, 18. Sich der
Unzucht ergeben, Ephes. 4, 9. In der ersten Bedeutung ehedem auch Inzucht und
Verzucht
S. Zucht.