Unterstehen
, [
1117-1118] verb. irreg. neutr. (
S. Stehen,) welches das Hülfswort seyn, als ein Recipr.
aber haben erfordert. 1. Unterstehen; ich stehe unter, bin untergestanden,
unter zu stehen; unter ein Obdach stehen oder treten, mit dessen Verschweigung;
untertreten. Wir wurden nicht naß, denn wir standen unter. Es regnete, aber wir
konnten nirgends unterstehen. 2. Unterstehen; ich unterstehe, unterstand, zu
unterstehen; ein Reciprocum, die Bewerkstelligung einer schweren und wichtigen
Sache mit Zuversicht und Vertrauen über sich nehmen, und selbige wirklich
anfangen; wo es doch am häufigsten nur im engern Verstande, theils von
verwegnen, theils auch von verbothenen Handlungen gebraucht wird. So wohl mit
dem Infinitiv und dem Wörtchen zu. Er wird den Höchsten lästern, und wird sich
unterstehen, Zeit und Gesetz zu ändern, Dan. 7, 24. Du unterstehest dich, zu
begreifen den Weg des Allerhöchsten? 4 Esr. 4, 2. Niemand soll sich
unterstehen, dir zu schaden, Apost. 18, 10. Als auch mit dem Accusativ der
Sache, doch am häufigsten nur mit den Partikeln es, was u. s. f. Er hat es sich
unterstanden. Was unterstehest du dich? Was unterstehet sich der Arme, Pred. 6,
8. Ingleichen mit einigen Beywörtern. Er unterstehet sich viel. Mit
Hauptwörtern ist es im Hochdeutschen nicht gang- bar, sondern man bedient sich
dafür einer Umschreibung. Nicht, sich einen Mord unterstehen, sondern sich
unterstehen einen Mord zu begehen. Im Oberdeutschen hingegen sagt man in der
zweyten Endung, sich eines Mordes unterstehen, welche Wortfügung auch im
Hochdeutschen nachgeahmet wird. Ich unterstehe mich dessen nicht. Ihr muest
euch untersteen der abentheuer, Theuerd. Kap. 6; wo es noch in dem veralteten
guten, wenigstens gleichgültigen Verstand des Unternehmens, Wagens gebraucht
wird. In noch weiterm Verstande heißt es eben daselbst Kap. 48: sich des Bären
unterstehen, sich an ihn machen, ihn angreifen. Anm. Schwed. untersta, welches
aber auch verstehen, intelligere, bedeutet. Unterstehen gründet sich in dem
zweyten Falle auf eben die Figur, als unterfangen, unternehmen und unterwinden,
und bedeutet eigentlich, sich unter etwas stehen, d. i. stellen, oder darunter
treten, um es aufzuheben; Lat. sustinere. Ottfried gebraucht dafür ingaan, sich
unterstehen, eigentlich es angehen, Lat. aggredi. Wachter erkläret es daher
irrig durch widerstehen, welcher Begriff gar nicht hierher gehöret. Daß es
ehedem auch außer der Reciprocation gebraucht worden, erhellet aus dem Theuerd.
Kap. 86:
Als es nun ging gen den Morgen Wolten die morder vnderstan Den
mord zu thun.
Nach einer jetzt veralteten Bedeutung wurde es ehedem mit dem
Accusativ für verhindern gebraucht; etwas unterstehen, eigentlich, sich
darunter stellen, dessen Bewegung aufzuhalten. [
1117-1118]