2. Unser
, [
889-890] ein Pronomen possessivum oder
zueignendes Fürwort der ersten vielfachen Person, von uns. Es wird auf
zweyerley Art gebraucht. I. Als ein Conjunctivum, oder in Gesellschaft seines
Hauptwortes, wo es auf folgende Art abgeändert wird: Singular. Nomin. Masc.
Unser, Fämin. unsere, contr. unsre. Neutr. unser. Genit. Masc. Unseres, contr.
unsres, besser unsers. Fämin. unserer, contr. unsrer. Neutr. wie das Mascul.
Dat. Masc. Unserem, contr. unsrem, besser unserm. Fämin. unserer, contr.
unsrer. Neutr. wie das Mascul. Accus. Masc. Unseren, contr. unsren, besser
unsern. Fäm. Unsere, contr. unsre. Neutr. unser. Plural. Nomin. Unsere, contr.
unsre. Genit. Unserer, contr. unsrer. Dativ. Unseren, contr. unsren, besser
unsern. Accus. Unsere, contr. unsre. Die zusammen gezogene Form unsers, unserm,
unsern, ist wohlklingender als die Form unsres, unsrem, unsren, welche viel
Härte hat. Das zusammen gezogene unsre und unsrer wird um eben dieser Härte
willen in der edlern Schreib- und Sprechart gern vermieden. Der große Haufe
ziehet unserer wohl gar in unser zusammen, unser lieben Frauen Mantel. Es
begleitet ein Hauptwort, welches der ersten vielfachen Person gehöret, mit ihr
in Verbindung stehet, oder sich sonst auf einige Art auf dieselbe beziehet.
Unser Vater. Unsere Stadt. Unser Vaterland. Das sind unsere Sachen. Es ist
unsers Standes, unsers Gleichen, welches letztere sehr unschicklich von einigen
zusammen gezogen und unsersgleichen geschrieben wird. Dieses Fürwort stehet, so
wie alle possessiva, der Regel nach vor seinem Hauptworte. Nur das einige Vater
unser in dem gewöhnlichen Gebethe dieses Nahmens weicht davon ab. Diese
freylich undeutsche Form, die aber durch die Gewohnheit ihr Widerwärtiges
verloren hat, ist von einigen ohne Grund Luthern zur Last gelegt worden. Allein
sie ist weit älter, als Luther, indem sie von den ersten Lehrern des
Christenthumes in Deutschland herrühret, welche das Pater noster so sclavisch
übersetzten, daß auch im Deutschen das Fürwort hinter seinem Hauptworte stehen
mußte, und es auf diese Art dem gemeinen Volke beybrachten. Daher fängt sich
dieses Gebeth schon bey dem Ottfried und Notker Fater unsir an. Da diese Form
nun zu Zeiten unter dem großen Haufen schon völlig allgemein war, so würde er
sie in der Übersetzung der Bibel und in dem Katechismus ohne Anstoß nicht haben
ändern können. Mit den Hauptwörtern Halbe, Weg, Wille wird es gern zusammen
gezogen, so, daß das n in ein t übergehet, und der ganze Ausdruck zu einem
Nebenworte wird; unserthalben, unsertwegen, um unsertwillen.
S. 2 Dein, wo bereits das nothwendigste davon gesagt und
zugleich bemerket worden, daß diese ganze Form nur in der vertraulichen
Sprechart gebraucht wird. II. Als ein Absolutum, mit Auslassung des
Hauptwortes, wo es auf doppelte Art gebraucht wird. 1. Als ein Nebenwort, so
daß das ungewisse Geschlecht unser adverbialiter gebraucht wird. Das Gut ist
unser. Wir wollen niemahls glauben, daß die Schuld unser sey. Und mit der
Inversion, einen Nachdruck zu bezeichnen. Unser ist das Land. 2. Außer der
Adverbial-Form, so, daß es sich auf vorher gegangene oder darunter verstandene
Personen beziehet, da es denn in der Declination von dem vorigen conjunctivo
nur darin abweicht, daß das Masculinum in der ersten Endung des Singularis ein
er, das Neutrum aber ein es, oder zusammen gezogen ein s annimmt. Es ist nicht
euer Haus, es ist unsers; in der edlern Schreibart, das unsrige. Das ist nicht
Sache, es ist unsere. Er ist nicht allein euer Freund, er ist auch unserer;
wofür man im gemeinen Leben lieber verkürzt unser, in der edlern Schreibart
aber der unsrige sagt. Man sagte es nicht euern Leuten, sondern unsern. Bey dem
Kero unseriu herzun, unsern Herzen, im Tatian unsa cumidu, unsere Schmerzen. Im
Engl. our. Es ist vermittelst der Endsylbe von uns gebildet, welches in den
ältesten Zeiten für wir gebraucht wurde. [
891-892]