Und
, [
837-838] ein Bindewörtchen, und zwar
das einfachste in der ganzen Sprache, welches bloß das Daseyn eines Dinges
neben dem andern bezeichnet. Es verbindet aber, 1. Einzelne Wörter, Begriffe
und Umstände, da es denn allemahl zwischen den beyden Wörtern oder Begriffen
gesetzt wird, welche es verbindet, und sich auf Wörter aller Art erstrecket.
Groß und schwer. Ein kluger und gelehrter Mann. Könige und Fürsten, Weise und
Unweise, Arme und Reiche. Ich und du wir und sie. Ehre und Gut aufopfern. Heute
und morgen. Hin und her gehen. Essen und trinken. Sehen und hören. Da diese
Häufung der Bindewörter in der edlern Schreibart in den meisten Fällen
veraltet, und, eines vermeinten Nachdruckes wegen, nur noch im Oberdeutschen
und in der Beredsamkeit der Kanzelleyen üblich ist, so wird es auch im
Hochdeutschen nicht gern mehr in diesem Falle gebraucht, daher man ein nachdem
und alldieweil und ähnliche Blumen gern den Kanzelleyen überläßt. Wohl aber
lassen sich in manchen Fällen Vorwörter durch diese Partikel verbinden. Er kam
von und aus Frankfurt. Mit und aus der Hand essen. Welches denn doch nur bey
Vorwörtern Statt findet, welche einerley Endung regieren. Durch und aus dem
Hause laufen, beleidigt Analogie und Wohlklang. Besonders wird ein und dasselbe
Vorwort sehr häufig wiederhohlet, und alsdann mit und verbunden, da es denn die
Gestalt eines Nebenwortes erhält. Durch und durch, durch die ganze Masse. Über
und über, über die ganze Oberfläche. Nach und nach, allmählig. Das veraltete
für und für u. s. f. Daß diese Partikel nur einerley Casus verbinden könne, der
Glanz der Sonne und der Sterne; daß sie, wenn mehrere auf einander folgende
Wörter verbunden werden sollen, nur allein zwischen den beyden letzten stehet;
Religion, Tugend, Pflicht und Gewissen verachten; ein frommer, gelehrter,
rechtschaffener und überaus gewissenhafter Mann, ist schon in allen
Sprachlehren angemerket worden. Indessen wird, um eines Nachdruckes willen,
auch wohl das und in solchem Falle mehr als Ein Mahl wiederhohlet. Religion,
und Tugend, und Pflicht, und Gewissen verachten. Noch häufiger wird es in der
nachdrücklichen affectvollen Schreibart in solchen Fällen ganz verschwiegen.
Der große Corneille starb arm, voll Verdruß, voll Unmuth. Man wird dein
Geschrey nicht hören, deine Thränen nicht sehen. Wie wird man die Tugend
lieben, sie ehren, wenn alles, was wir lesen, alles, was wir sehen, sie unter
die Füße getreten, unbelohnt, ungeachtet, im Staube der Vergessenheit zeigt? Wo
die pathetische Sprache ein dreymahliges und verschwiegen hat. Indessen muß man
sich hier hüthen, daß man, indem man das Schleppende de mehrmahligen und
vermeiden will, nicht in den entgegen gesetzten Fehler des allzu abgebrochenen
und nicht zusammen hangenden verfalle, welcher bey so vielen unserer neuern
Schriftsteller, wenn sie empfindsam schreiben wollen, durch eine widerwärtige
Härte Ohr und Geschmack beleidigt. 2. Einzelne Sätze einer Periode, und zwar,
1) Eigentlich, auf die einfachste Art, so daß bloß das neben einander Seyn
derselben ausgedruckt werden soll, da denn das Zeitwort, wenn es sich auf ein
und eben dasselbe Subject beziehet, sein Nenn- oder Fürwort verlieret. Cajus
kam und weinte. Ich stehe hier und warte. Er liegt da und ist krank. Mein
Freund kam und hohlte mich ab. Sehe hin und thue deßgleichen. Aber auch mit
veränderten Subjecten, da sich denn dessen Gebrauch sehr weit erstrecket. Nur
die Erziehung unter den städtischen Sitten, und die Gesellschaften deiner
Freunde haben dir ein Vorurtheil für das Landleben eingeflößt. Sie sagte, sie
wäre unruhig, und das war eben schlimm, Gell. Hier wirst du unter den sanften
Tönen der Nachtigall einschlummern, und wenn du ruhen wirst, wird der Mond mit
stillem Schimmer in dein Gemach scheinen. Die Sterne glänzen in der Nacht weit
heller als am Tage, und in der Finsterniß des Grabes leuchten die Verdienste
weit heller, als wenn sie das Licht des Lebens verdunkelt, Weiße. Indessen
verzehrt sich meine arme Julie, und ich verzehre mich mit ihr, ebend. Da stand
sie, das süße Mädchen! schluchzte, - küßte, mich, - segnete mich; - und ich
habe dir in deiner letzten Angst keinen Trost zugesprochen? ebend. 2) Indessen
wird es auch zuweilen in solchen Fällen gebraucht, wo mehr als eine bloße
einfache Verbindung zwischen den Sätzen angedeutet werden soll, da es denn oft
zierlich die Stelle anderer Bindewörter vertritt. Besonders für so, eine
Wirkung oder Folge einer vorher gegangenen wirkenden Ursache zu bezeichnen, in
der affectvollen Schreibart. Harre, und du wirst sehen, daß die Übel zu deinem
größern Glücke dienen, Gell. für: so wirst du sehen.
Bestreu den Weg mit Gold, Und Ehrgeiz, Lieb und Ruhm sind
deinen Wünschen hold, Weiße.
In einigen Fällen dient es manchen Vorwörtern zur Begleitung,
doch nur alsdann, wenn sich eine einfache Verbindung mit dem Vorhergehenden
denken lässet. Die wichtigsten Thaten sind mit Wolken bedeckt, und doch wird
ein altkluger Geschichtschreiber den Romanschreiber verachten. 3. Ganze
Perioden. Obgleich eine Periode eigentlich eine vollständige für sich
bestehende Rede ist, so kann sie doch auf mancherley Art mit dem vorher
gehenden verbunden werden, und dieß ist eigentlich das Amt der Bindewörter.
Unser und verbindet indessen eigentlich nur die einzelnen Wörter, Begriffe und
Sätze einer Periode, aber nicht leicht ganze Perioden, ausgenommen in einigen
Fällen. Besonders in Fragen, Einwürfen und Gesprächen, wenn eine Person ihre
Rede unmittelbar mit der vorher gegangenen Rede des andern verbindet. Ich habe
dir recht viel zu sagen. - Und was denn?
Dor. Gefällt es dir nicht auch? Ists nicht ein schönes Band?
Sylv. Ich seh nichts schönes dran? Dor Und kommt von Damons Hand!
Er ist nichts weniger als mein Freund. - Und sie haben ihm
doch so viele Wohlthaten erwiesen. Sie sind ein so reicher Mann, - und wenn ich
es nun auch wäre? Welches denn in manchen Fällen auch in den Reden einer und
eben derselben Person Statt findet, wo, besonders in der vertraulichen
Sprechart, ganze Perioden auf diese Art mit einander verbunden werden. Und höre
nur, dein guter Freund u. s. f. Gell. Und wenn die Liebe nichts ist als eine
Pflicht, so wundert michs, wie sie so viele Herzen an sich ziehen kann, Gell.
Welche derbe grobe Speise! Und ihr zankt euch noch um sie?
Michael der Dichter.
Als die Sprache sich noch mehr in ihrer rohen Einfalt und
Einförmigkeit bestand, war es sehr gewöhnlich, in der erzählenden Schreibart
die Perioden oder Theile der Erzählung vermittelst dieser Partikel mit einander
zu verbinden. Diese Verbindungsart ist nicht nur noch in den niedrigen
Sprecharten des großen Haufens anzutreffen, sondern herrschet auch in der
Deutschen Bibel, nach dem Muster des Hebräischen, welches so, wie fast alle
alte unausgebildete Sprachen, diese Verbindungsart gleichfalls hat. Am Anfange
schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüste
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und der Geist Gottes schwebete auf dem Wasser. Und Gott sprach u. s. f. Allein,
seitdem der gute Geschmack mehr Wohlklang und Abänderung auch in die Sprache
und Schreibart eingeführet hat, hat man diese Art, die Perioden zu verbinden,
völlig verbannet, welches desto nothwendiger war, da das und zur Verbindung der
Wörter und einzelnen Sätze der Perioden ohnehin nur häufig genug vorkommt. In
sehr nachdrücklichen Reden kann diese Partikel auch alsdann eine ganze Rede
anfangen, wenn diese als die Fortsetzung der vorher gegangenen Empfindung und
Beschäftigung des Gemüthes vorgestellet wird. So fängt Günther sein bekanntes
Gedicht, an seinen erzürnten Vater, mit dieser Partikel an:
Und wie lange soll ich noch dich, mein Vater, selbst zu
sprechen, Mit vergeblichem Bemühn, Hoffnung, Glück und Kräfte schwächen?
Anm. 1. Da diese Partikel unmittelbar verbindet, so leidet
sie, wenn sie zur Verbindung einzelner Wörter dienet, das Komma so wenig vor
sich als nach sich. Himmel und Erde; reich und schön; er saß und schlief. Wohl
aber wird sie, wenn sie zur Verbindung mehrerer Sätze einer Periode dienet, von
dem vorher gehenden Satze mit einem Komma abgesondert. Hier wollen wir im
Schatten uns lagern, und im weichen Grase dem Gesange der Vögel zuhören. Nur
dann, wenn dieses und in einer pathetischen Rede die Stelle eines andern
Bindewortes vertritt, leidet es zuweilen auch ein Semi-Kolon vor sich. Anm. 2.
Dieses alte Bindewort lautet schon in dem Isidor, bey dem Kero u. s. f. endi,
enti, inti, unte, unde, im Angels. und Engl. and, im Isländ. end, im Nieders.
un, bey den Krainerischen Wenden inu, jen. Da das n oft ein zufälliger, den
nordischen Mundarten vorzüglich eigener Nasenlaut ist, so scheinet das Latein.
et und Griech. hier nichtlateinischer Text, siehe Image damit
verwandt zu seyn; bey dem Kero kommt wirklich Ein Mahl edo für enti vor, wenn
es kein Schreib- oder Druckfehler ist. Die ältesten Schriftsteller gebrauchen
dieses und nicht so häufig, als wir heutiges Tages, sondern lassen dasselbe mit
dem veralteten ioh, welches mit auch verwandt zu seyn scheinet, abwechseln.
Ottfried gebraucht häufiger ioh, als und; Kero aber verbindet gern beyde enti
joh, inti joh, inti noh, für und. Das Lat. etiam, ist aus zwey ähnlichen
Partikeln zusammen gesetzt. [
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