Ü
, [
729-730] ein einfacher Selbstlaut,
welcher die achte Stelle unter den Deutschen Selbstlauten verdienet, ob es
gleich, so wie seine Brüder ä und ö, von den meisten Sprachlehrern davon,
ausgeschlossen wor- den, die sie bald Halb-Vocale, bald unreine Selbstlaute,
bald gar Doppellaute nennen, ohne mit einer von diesen Benennungen einen
bestimmten und deutlichen Begriff zu verbinden. Es ist, wie das Französische u,
ein Mittellaut zwischen dem i und u, wird aber in den Provinzen bald wie ein
völliges i ausgesprochen, wie das Minze, ibel, fir, Minch, hibsch der Schlesier
und Pfälzer; bald aber auch wie das tiefere u, in dem Schuler, Zeugnuß, Rucken
u. s. f. vieler Oberdeutschen, deren rauhere Mundarten statt des Hochdeutschen
ü gern ein tiefes u hören lassen. Daß er ein einfacher Selbstlaut und kein
Doppellaut ist, erhellet unter andern auch daraus, weil er bald gedehnt, bald
geschärft ist; ersteres in Mühe, büßen, süß, trübe u. s. f. letzteres aber in
müssen, Flüsse, Güsse, kürzer, Küche u. s. f. Da das Deutsche von den Lateinern
erborgte Alphabet kein Schriftzeichen hatte, diesen Laut auszudrucken, so mußte
man seine Zuflucht zu einem zusammen gesetzten nehmen. Man wählte das u und
setzte das i darneben, oder auch wohl darüber, anzudeuten, daß das ü ein
Mittellaut zwischen beyden wäre; andere aber bedienten sich statt des i, zu
eben dem Ende des e, und daher schrieb man das ü bald ui, iu, u, bald ue, bald
u, und in der größern Schrift bald Ui, bald Ue. Alle diese Schreibarten haben
den großen Haufen der Sprachlehrer, die über das Äußere hinweg zu sehen nicht
im Stande waren, verleitet, diesen Selbstlaut für einen Doppellaut auszugeben,
weil sein Zeichen aus zwey Zeichen zusammen gesetzt war. Sie haben aber auch
noch die Unbequemlichkeit, daß sie Ausländern und Unkundigen die Aussprache
ungewiß machen, weil Ui leicht wie der Schwäbische Doppellaut ui, z. B. uich
für euch, welchen doch die Hochdeutschen nicht kennen, gelesen werden kann. Am
schicklichsten wäre es daher, wenn das ü mit zwey Puncten so wohl in der
größern als kleinern Schrift allgemeiner gemacht würde, welches durch die
Schriftgießereyen sehr leicht geschehen könnte. Schon in dem zu Ulm 1483
gedruckten Buche Keltla und Dimma ist das ü mit zwey Strichlein über dem u
angedeutet. Siehe auch, was schon bey dem ä und ö von diesen Selbstlauten
gesagt worden. [
731-732]