Über
, [
735-736] eine der ältesten Partikeln in
der Sprache, welche überhaupt den Umstand der Höhe, in Beziehung auf ein
darunter befindliches Ding ausdruckt. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I.
Als ein Nebenwort, wo es doch in den meisten Fällen eine Ellipse des folgenden
Vorwortes ist. 1. Auf der Oberfläche eines Dinges hin und jenseit derselben, wo
es für sich allein nur in einigen sprichwörtlichen R. A. üblich ist. Es gehet
alles bunt über, es gehet alles verworren, unordentlich zu; wo es nicht als die
Präposition zu gehen gehöret, sondern für sich allein adverbisch steht. In
andern Fällen hingegen, z. B. das Glas läuft über, ist es nicht das Adverbium,
sondern die trennbare Präposition von überlaufen. Hierher gehöret auch das im
gemeinen Leben übliche über und über, eine Intension des einfachen über zu
bezeichnen, selbst wenn es zu dem Zeitworte gehöret. Das Glas läuft über und
über, läuft gar sehr über. Es ist über und über voll, völlig voll, auf der
ganzen Oberfläche voll. Über und über naß, über den ganzen Leib, über die ganze
Oberfläche. 2. Ehedem wurde es auch nicht selten für das zusammen gesetzte
vorüber, vorbey, gebraucht, auf welche Art schon Willeram uvre gebraucht.
Ja, wär der Thränen erster Ausbruch über, Schleg.
Wo es doch um des Sylbenmaßes willen gebraucht zu seyn
scheinet, indem es sonst für die anständige Schreib- und Sprechart zu niedrig
seyn würde. im gemeinen Leben sagt man nur noch, es ist über, für vorüber,
vorbey. II. Als ein Vorwort, welches wiederum entweder für sich allein mit
seinem Nennworte, oder auch in der Zusammensetzung mit andern Wörtern vorkommt.
1. Für sich allein mit seinem Nennworte, wo es bald die dritte, bald aber auch
die vierte Endung erfordert. Es ist in der Deutschen Sprache nicht leicht ein
Vorwort, welches in Ansehung der Endung, die es erfordert, so unbestimmt wäre,
oder vielmehr, wo in der Anwendung so häufig gefehlet würde, als eben dieses.
Die Sprachlehren, deren Pflicht es eigentlich ist, diejenigen Fällen genau zu
bestimmen, wo über diese und keine andere Endung erfordert, gehen, wie in den
meisten schweren Fällen, sehr leicht über die Sache weg, und fertigen uns mit
der kurzen nichts bedeutenden, nichts sagenden und oft so trüglichen Regel ab,
über nehme auf die Frage wohin, den Accusativ, und auf die Frage worin, den
Dativ zu sich. Man urtheile aus dem folgenden, ob diese aus den Lateinischen
Grammatiken erborgte Regel verdiene, ferner noch einen Augenblick in einer
vernünftigen Sprachlehre zu stehen. Ich werde mich bemühen, die Fälle, in
welchen es die dritte oder vierte Endung erfordert, so genau als möglich zu
bestimmen, will aber nur noch überhaupt bemerken, daß dieses Vorwort eigentlich
und ursprünglich den Zustand eines in der Höhe befindlichen Dinges, in
Beziehung auf ein darunter befindliches, andeute, von welcher eigentlichen
Bedeutung alle übrige Figuren sind. Es erfordert aber dieses Vorwort, 1) die
dritte Endung oder den Dativ. Es bezeichnet alsdann (a) Einen Stand der Ruhe in
der Höhe, in Beziehung auf ein darunter befindliches Ding, im Gegensatze des
unter. wodurch es sich von auf unterscheidet, welches, so weit es hierher
gehöret, den Stand der Ruhe auf der Oberfläche eines Dinges ausdruckt. Es liegt
über der Thür. So weit der Himmel über der Erde erhaben ist. Wasser stehet über
den Bergen, Ps. 104, 6. Der Zorn Gottes bleibt über ihm, Joh. 3, 36. Das Licht
scheint nicht mehr oben über ihnen, Es. 5, 30. Er wohnt über mir. Es stehet ein
Gewitter über der Stadt. Indessen gibt es auch einige Fälle, wo über in dieser
Bedeutung mit der vierten Endung gebraucht wird; z. B. er steckt in Schulden
bis über die Ohren, wo der Accusativ schon so allgemein ist, daß man diese, und
vielleicht noch einige andere ähnliche Redensarten, mehr für Ausnahmen von der
Regel, als für Sprachfehler, halten muß. Wenn es aber Marc. 15, 26 und Luc. 23,
38 heißt, oben über ihn war geschrieben, so ist solches ein Fehler für über
ihm. Eben so, Esra ragete über alles Volk, Nehem. 8, 5; für, ragete über allem
Volke hervor. Wenn aber in ragen oder hervor ragen die Bewegung zur Erhöhung
hervor sticht, so läßt sich auch der Accusativ rechtfertigen, (
S. im Folgenden.) Wenn aber über in dieser Bedeutung
figürlich einen Vorzug bezeichnet, so wird es durchgängig mit der vierten
Endung gebraucht,
S. im Folgenden. (b) Eine Bewegung oder Handlung im
Stande der Ruhe, in Beziehung auf ein darunter befindliches Ding; im Gegensatze
des unter. Jacob richtete ein Mahl auf über ihrem Grabe, 1 Mos. 35, 20. Der
Himmel that sich auf über ihm, Matth. 3, 16. Der Herr wird über ihnen
erscheinen, Zach. 9, 14. Das Wasser schlagt ihm über dem Kopfe zusammen, Ps.
69, 17. Es schwebt ein Unglück über deinem Haupte, über der Stadt. Das Öhl
schwimmt über dem Wasser. Das Haus brannte ihm über dem Kopfe weg. Die Schafe
empfingen über den Stäben, 1 Mos. 30, 39. Die ihr euch über mir wölbt, schlanke
Äste, Geßn. Über setzt in dieser Bedeutung voraus, daß das in der Bewegung oder
Handlung begriffene Ding, die Grenzen des darunter befindliches nicht
überschreite. Da dieser Umstand zuweilen unbestimmt ist, oder doch nicht so
genau bestimmt werden soll, oder auch der Begriff der Bewegung des Zeitwortes
am meisten hervor sticht, so gibt es Fälle, wo das Vorwort so wohl mit der
dritten, als mit der vierten Endung verbunden wird. Daher fahren, wie Flammen
über den Stoppeln, Weish. 3, 7; wo auch der Accusativ stehen könnte, wenn die
Flamme entweder über die Stoppeln hinaus fahren, oder auf sei zu fahren, in
welchen Fällen über zu zwey der folgenden Bedeutungen gehören würde. So auch:
über welchen du sehen wirst den Geist herab fahren, Joh. 1, 33. Die Hände über
dem Kopfe zusammen schlagen, Ier. 2, 37; und, sie über den Kopf zusammen
schlagen. Die Sonne soll über den Propheten untergehen, Mich. 3, 6. Über dir
gehet auf der Herr, Es. 60, 2.3. Ich fühle zu sehr, daß die Sonne nie wieder
über mir aufgehen wird, Dusch. Mehr als einzelne Tage werden über mein Grab und
deinen Kummer aufgehen, ebend. Wo die Veränderung des Casus eine Folge des
veränderten Nebenbegriffes ist. (c) Den Gegenstand einer Beschäftigung, doch
nur im Stande der Ruhe, denn, so bald das Zeitwort einige thätige Bewegung oder
Handlung bezeichnet, so wird die vierte Endung erfordert; eine Figur der ersten
Bedeutung. Fleißig über der Arbeit seyn. Über der Arbeit begriffen seyn, in der
Arbeit. Ich war eben über dem Schreiben, als er kam, war eben im Schreiben
begriffen. Immer über den Büchern sitzen, liegen. Lange Zeit über etwas
zubringen. Du bist über wenigem getreu gewesen, Matth. 25, 21; welche R. A.
elliptisch ist. Wenn aber das Zeitwort ursprünglich eine Bewegung bedeutet, so
steht die vierte Endung; z. B. über viele gesetzt seyn. In der Deutschen Bibel
kommen mehrere hierher gehörige R. A. vor, welche aber theils ungewöhnliche und
harte Ellipsen enthalten, theils an sich ungewöhnlich sind, und daher nicht
nachgeahmet werden dürfen. Der Herr hat seinen Engeln befohlen über dir, Ps.
91, 4. [
737-738] Über eine Sache Gedanken haben, Dan. 4,
2; wo richtiger der Accusativ stehet, weil Gedanken haben doch so viel ist, als
das thätige denken. Über ihnen wird die Weißagung erfüllet, Matth. 13, 14. (d)
Die Zeit der Beschäftigung mit einer Sache, doch nur so fern angedeutet werden
soll, daß etwas geschehen, indem man mit einer gewissen Sache beschäftiget
gewesen; wofür auch während, bey und unter üblich sind. Wenn aber über die
volle Zeitdauer eines Dinges bezeichnet, so erfordert es die vierte Endung. Es
kam sie hart an über der Geburt, Mos. 35, 17. Lasset die Sonne nicht über euren
Zorn untergehen, Eph. 4, 26; während eueres Zornes. Mit einem andern
Nebenbegriffe findet auch die vierte Endung Statt, (
S. die vorige zweyte Bedeutung.) Über der Mahlzeit
trinken. Über dem Lesen, dem Gebeth, der Arbeit einschlafen. Der Faule stirbt
über seinen Wünschen, Sprichw. 21, 25. Über dem Bethen gab er seinen Geist auf.
Über der Tafel ging nichts merkwürdiges vor, Gell. Über Tische. Ungewöhnlich
hingegen auch: Du sollt dich nicht schlafen legen über seinem Pfande, 5 Mos.
24, 12; so lange du sein Pfand bey dir hast. Ihr habt noch nicht bis aufs Blut
widerstanden über dem Kämpfen, Hebr. 12, 4; in dem Kämpfen. Gott beschert es
wohl über Nacht, in der Nacht. (e) Besonders, wenn der Gegenstand der
Beschäftigung so wohl die Zeit einer Veränderung, als auch die Veranlassung,
die wirkende Ursache derselben ist. Sie vergessen meines Nahmens über ihren
Träumen, Ier. 23, 27; während der Beschäftigung mit ihren Träumen und um
derselben willen. Sich über dem Heben etwas verrenken. Über einer langen Rede
(von langen Reden) heiser werden. Unsere Kleider sind alt geworden über dieser
langen Reise, Jos. 9, 13. Sich über einer Sache aufhalten, bey derselben und um
derselben willen, so ganz etwas anders ist, als sich über eine Sache aufhalten.
Über einem Lärm erwachen. Über dem Lesen Essen und Trinken vergessen. Es wird
mir sehr leicht seyn, über ihrem Herzen das Glück zu vergessen, Gell. So
lächerlich sie über dieser Bemühung wird, ebend. Es läßt sich daher diese
Wortfügung, dem heutigen Sprachgebrauche nach, nicht anwenden, wenn nicht die
wirkende oder veranlassende Ursache zugleich der Gegenstand der Beschäftigung
ist. Ehedem gebrauchte man es sehr häufig mit der dritten Endung, so wohl eine
Ursache zu bezeichnen, warum etwas geschiehet, als auch einen bloßen
Gegenstand; in welchen Fällen doch entweder oder über mit der vierten Endung
stehen muß. So kommst du nicht in Angst und Noth über (wegen) seiner Thorheit,
Sir. 22, 16. Über solchen Reden entstund ein Lärm, wegen solche Reden, oder
über solche Reden. Moses flohe über dieser Rede, wegen, Apost. 7, 29. Über
einer Wohlthat gerichtet werden, Kap. 4, 9; wegen. Willst du dich über diesem
(über dieses, hierüber,) von mir richten lassen? Apost. 25, 9. Wenn ihr über
zeitlichen Gütern (über zeitliche Güter) Sachen (Prozesse) habt, 1 Cor. 6, 4.
Und tausend andere Beyspiele mehr, wovon noch im folgenden einige vorkommen
werden. (f) Jenseit, einen Zustand oder eine Handlung zu bezeichnen, auf jener
Seite ist und geschiehet. Über dem Flusse wohnen, jenseit desselben. Die Stadt
liegt über dem Strome. Über der Gränze wächst kein Wein. Er ist schon über der
Gränze. Dahin gehöret auch das gegen über, wo der Dativ von diesem Vorworte
herrühret. Er stand gegen mir über. Die Stadt liegt gegen den Berge über. (
S. Gegen.) So bald aber die geringste Bewegung längs der
Oberfläche mit eintritt, ist die vierte Endung nöthig. Ich bin noch nicht über
den Fluß, wir sind noch nicht über alle Berge; wo wirklich eine noch dauernde
Bewegung voraus gesetzt wird. [
737-738] 2) Wenn dieses
Vorwort aber die vierte Endung oder den Accusativ erfordert, so hat es folgende
Bedeutung. (a) Eine Bewegung zur Erhöhung, in Rücksicht eines darunter
befindlichen Dinges; im Gegensatze des unter. Etwas über die Thür legen. Das
Untere über sich kehren. Die Hände über den Kopf zusammen schlagen. Er setzte
seinen Stuhl über die Stühle der Könige, 2 Kön. 25, 28. Er erhöhet mein Haupt
über meine Feinde, Ps. 27, 6. Meine Sünden gehen über Haupt, Ps. 38, 5.
Funfzehn Ellen doch ging das Wasser über die höchsten Berge, 1 Mos. 7, 2. Er
läßt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten, Matth. 5, 45. (
S. die zweyte Bedeutung des Dativ.) Über einander
herfallen. Über Hals und Kopf. Über den Haufen werfe, fallen, stoßen. Sich über
andere wegsetzen. Er glaubt, daß sein Adel über diese Pflicht wegsetzt. Bis daß
der hohe Sinn dich über Berge trägt, Opitz. Unrichtig ist es daher alle Mahl,
wenn in dieser Bedeutung die dritte Endung gebraucht wird. Sich über den
Völkern erheben, Weish. 6, 3. (b) Eine Bewegung oder Handlung in der Höhe, in
Rücksicht auf ein darunter befindliches Ding, so daß sich die Handlung längs
der Oberfläche dieses Dinges erstrecket, und das handelnde Ding nicht im Stande
der Ruhe angesehen werden kann. Du sollst eine Decke machen über die Wohnung, 2
Mos. 26, 7. Jesus hub seine Augen auf über seine Jünger, Luc. 6, 20. Über das
Haus David will ich ausgießen meinen Geist, Zach. 12, 10. Die Hand über
jemanden ausstrecken, Sir. 50, 22. Der Wind bläset über die Erde, über das
Meer. Sich über etwas ausbreiten. Eine Finsterniß über das ganze Land, Luc. 23,
44. Streue Kohlen über die Stadt, Ezech. 10, 2. Jemanden über die Achseln
ansehen. Einen Schleyer über den Kopf hängen. Über die Berge klettern, laufen.
Über alle Berge seyn. Wir sind noch nicht über den Berg; wo ein Zeitwort der
Bewegung darunter verstanden wird. Den Segen über etwas sprechen. Achtzig Jahre
waren schon über sein Haupt hingeflogen, Geßn. Über Stock und Stein springen.
Den Stab über jemanden brechen. Eine Stürze über einen Topf. Der Herr streuete
die Wachteln über das Lager, 4 Mos. 11, 31. Noch ein wenig zweifelhaft sind die
Fälle, wenn über jemanden sitzen oder gehen so viel bedeutet, als ihm zur
rechten Hand; indem der Gebrauch hier getheilt ist, obgleich die Regel die
dritte Endung erforderte, weil hier ein Stand der Ruhe ist. Er saß über mir.
Ich empfinde fast ein Grauen, Daß ich, Plato, für und für, Bin
gesessen über dir, Opitz.
Indessen ist im Hochdeutschen der Accusativ am
gewöhnlichsten; vielleicht weil es eigentlich ein Bestreben zur Höhe bedeutet,
daher über, wenn es einen Vorzug bedeutet, alle Mahl die vierte Endung
erfordert, (
S. die folgende Bedeutung.) Nicht, daß ein Bauer sollte
über einen Fürsten sitzen, Luth. Der Meinige geht als ein Rechnungsführer, doch
allezeit über den ihrigen. Gell. (c) Oft tritt noch der Nebenbegriff mit ein,
daß sich die Bewegung oder Handlung bis jenseit der Gränzen des darunter
befindlichen Dinges erstrecke, da denn der Begriff der Höhe oft verschwindet,
und über nur andeutet, daß sich die Bewegung nicht nur längs der obern Fläche
eines Körpers hin, sondern auch bis auf die andere Seite desselben erstrecke.
Über den Fluß gehen, fahren, schiffen, über denselben der Breite nach, bis auf
das andere Ufer. Laß dein Brot über das Wasser fahren, Pred. 11, 1. Über den
Markt gehen, reiten, fahren. Es lief ein Hase über
[
739-740] den Weg. Über das Ziel schreiten. Über die
Schnur hauen. Über einen Graben setzen. Über die Gasse laufen. Über einen
Stock, einen Graben, einen Stein springen. Über die Klinge springen lassen.
Über einen Stein fallen. Über eine Brücke gehen, reiten, fahren. Über die
Schwelle treten. Über Land gehen, reisen, reiten, fahren, und über Feld gehen,
reiten, fahren, wo der Artikel nicht gewöhnlich ist.
Siehe Land und Feld.
Die Künste nehmen Dädals Federn Und kommen über Meer und Land
Mit Hebezeug und Rädern In ihrer harten Hand, Raml.
Über die Gränze entweichen. Etwas nicht über das Herz bringen
können. Wo der Accusativ bleibt, wenn gleich das Zeitwort einen Stand der Ruhe
zu bezeichnen scheinet, weil entweder eine wirklich noch fortdauernde
Bestrebung Statt findet, oder solche doch als eben jetzt erst vergangen gedacht
wird. Wir sind noch nicht über den Fluß. Über diese Pedanterey ist er lange
hinaus oder hinweg. Sie sind über ihre funfzig Jahre hinaus. Bey den
eigenthümlichen Nahmen der Städte, Flecken, Dörfer, und Inseln, wenn angedeutet
werden soll, daß sich die Bewegung durch einen Ort erstrecke, wird lieber über
als durch gebraucht. Über Cassel nach Amsterdam, über Hamburg nach Kopenhagen,
über Rom nach Sicilien reisen. Die Reise gehet über Hispaniola. Die Nahmen der
Länder aber bekommen durch. Durch Frankreich nach Spanien, durch die Schweiz
nach Italien reisen. (d) In der vorigen Bedeutung bezeichnet über eine Bewegung
längst der horizontalen Oberfläche, besonders der Breite nach; allein, oft
verliert sich auch dieser Begriff, und es bedeutet alsdann überhaupt, daß sich
die Bewegung, die Handlung oder auch der Zustand längs der äußern Fläche eines
Dinges, und oft bis jenseit derselben erstrecke. Dadurch unterscheidet es sich
hinlänglich von auf. Die Haare hangen ihm über die Ohren, flattern über die
Schultern. Einen Schleyer über das Gesicht ziehen. Einen Schuh über einen
Leisten schlagen. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht. Einem das Fell über
die Ohren ziehen. Einen Mantel über sich werfen. Helle Thränen flossen über
ihre Wangen herab. Etwas über sich nehmen, im figürlichen Verstande, es auf
sich nehmen, sich zu dessen Bewerkstelligung anheischig machen. Wo der
Accusativ bleibt, wenn gleich das Zeitwort einen Stand der Ruhe zu bezeichnen
scheinet, indem der thätige Begriff der Erstreckung, der hier nicht
ausgeschlossen werden kann, die vierte Endung fordert. Über den ganzen Leib
wund seyn. Über den ganzen Leib naß, bekleidet seyn. Daher über und über, über
die ganze äußere Fläche. (e) Oft verliert sich auch der Begriff der Erstreckung
über die äußere Fläche, und da bezeichnet über figürlich bloß eine Annäherung
und Berührung, doch mit einem merklichen Grade des Nachdrucks, als wenn sich
das nähernde gleichsam über die ganze Fläche des andern erstreckte, daher auch
hier der Accusativ nothwendig bleibt. Es gehet über mich. Etwas über sich
ergehen lassen. Der Segen kam über mich, Hiob 29, 13. Der heilige Geist wird
über dich kommen, Luc. 1, 35. Indessen hat über jemanden kommen jetzt den
harten Begriff des Ungestümes bey sich. Wenn ich über dich kommen werde! Laß
mich über dich kommen! dich zu züchtigen u. s. f. Über etwas herfallen. Wie
bist du darüber gerathen? Er kann über alles, er kann zu allem kommen. Er kann
über das Geld. Er darf nicht über das geringste. Es geht so sehr über das Geld,
über den Beutel, es wird viel Geld erfordert. Es gehet über uns her, es wird
nachtheilig von uns gesprochen. In welchen [
739-740] und
ähnlichen R. A. sich doch immer etwas von dem folgenden Begriffe der Gewalt mit
einschleicht. (f) Häufig bezeichnet es auch einen Vorzug, so fern derselbe als
eine höhere Stellung in Beziehung auf ein niedriges darunter befindliches Ding
angesehen wird; im Gegensatze des unter. Das Vergnügen geht über den Reichthum.
Das geht bey ihm über alles. Die Furcht Gottes gehet über alles, Sir. 24, 15.
Wo auch der Accusativ bleibt, wenn gleich das Zeitwort einen Stand der Ruhe
bezeichnen scheinet, indem wirklich eine Bestrebung zur Höhe darunter verborgen
liegt. Der Jünger ist nicht über seinen Meister, Luc. 6, 40. Er ist noch weit
über ihn. Gott ist über alles. In vielen Fällen, wo man es in dieser Bedeutung
ehedem gebrauchte, wählt man jetzt lieber andere Ausdrücke dafür. Er war
herrlicher gehalten über alle, 1 Mos. 34, 19; als alle. Der Herr hat mich
erwählt über alle Völker, 5 Mos. 10, 15; vor allen Völkern; wenn es aber Kap.
7, 14 heißt, gesegnet wirst du seyn über allen Völkern, so ist der Dativ hier
unrichtig. Ich liebe dein Geboth über Gold und über fein Gold, Ps. 119, 227;
mehr als. Wir sollen Gott über alle Dinge lieben, mehr als. Dein Gott hat dich
gesalbet über deine Genossen, Hebr. 1, 9; mehr als. Ein geplagter Mensch über
alls Menschen auf Erden, 4 Mos. 12, 3; und so in andern Stellen mehr. (g) Noch
häufiger bezeichnet es einen Gegenstand der Gewalt, Herrschaft, Aufsicht,
Aufmerksamkeit und Beobachtung; als eine Figur der vorigen zweyten Bedeutung.
Sey ein Herr über deine Brüder, 1 Mos. 27, 29. Ein Herr über alles. über
jemanden herrschen, regieren, tyrannisieren. Den Sieg über seine Feinde
erhalten. Über seine Feinde siegen, triumphieren. Die Oberhand über jemanden
behalten. Über andere zu gebiethen, zu befehlen haben. Ein Oberster über
hundert, ein Aufseher über andere. Die Sorge über etwas auf sich nehmen. Ich
will über sie wachen, Ier. 44, 27. Jemanden zum Aufseher, Fürsten, Richter u.
s. f. über andere setzen.
Und wenn in dieser Macht Gott über mich gebeuth, Gell.
(h) Ferner, den Gegenstand einer Gemüthsbewegung und deren
Äußerung, so daß der erste zugleich die Veranlassung oder wirkende Ursache der
letztern ist. Sich über eine Sache ärgern, freuen, erzürnen, aufhalten,
beklagen, beschweren, erbarmen, entsetzen, entrüsten, verwundern, bekümmern,
betrüben, kränken, grämen u. s. f. Über eine Sache erschrecken, bestürzt, froh,
lustig, böse, mürrisch, traurig, unwillig, ungeduldig u. s. f. seyn oder
werden. Über eine Sache murren, klagen, fluchen, zürnen, zanken, seufzen,
spotten, scherzen, weinen u. s. f. Machen sie mir keine Vorwürfe darüber. Ich
werde noch den Tod über dich kriegen, Gell. In der Deutschen Bibel und bey
andern Schriftstellern findet man es in dieser Bedeutung häufig mit der dritten
Endung; vermuthlich aus Verwechselung derselben mit der vorigen fünften
Bedeutung des Dativs, obgleich beyde merklich genug von einander verschieden
sind. Wie der Löwe brüllet über seinem Raube, Es. 31, 4. Sie werden fröhlich
seyn über dem, das ich schaffe, Kap. 65, 10. Und werden sich verwundern und
sich entsetzen über alle dem Gute, und über alle dem Friede, Ier. 33, 9. Und so
in hundert Stellen mehr, worunter sich auch viele befinden, in welchen der
Gebrauch des Vorwortes über überhaupt ungewöhnlich und veraltet ist; z. B.
Unsere Seele ekelt über dieser losen Speise, 4 Mos. 21, 5; besser vor. Es
reuete den Herrn über dem Übel, 2 Sam. 24, 16; es reuete den Herrn das Übel u.
s. f. Daß in allen solchen Fällen, wo über in dieser Bedeutung gebraucht werden
kann, die vierte Endung erfordert wird, erhellet unter
[
741-742] andern auch daraus, weil diese Bedeutung, so
wie die vorige und folgende, eine Figur der vorigen zweyten ist. (i) In noch
weiterer Bedeutung, einen Gegenstand einer Beschäftigung oder Handlung des
Geistes und deren Äußerung, so daß dieser Gegenstand dabey gleichsam zum Grunde
liegt, und seinen Theilen nach entwickelt wird; welcher Begriff doch wieder
mancherley Stufen hat, die, um nicht zu weitläufig zu werden, hier nicht
entwickelt werden können. Über einen Spruch, über eine Wahrheit predigen,
welches mit dem Predigen auf etwas und von etwas nicht verwechselt werden darf.
Über das Evangelium, die Epistel predigen. Eine Auslegung über ein Buch machen.
Sich über etwas besinnen, über etwas nachdenken, seine Gedanken über etwas
haben. Ein Urtheil über etwas fällen. Seine Meinung über eine Sache sagen.
Jemanden über etwas um Rath fragen. Sich über eine Sache unterreden,
berathschlagen, vergleichen. Über den Punct habe ich eigentlich noch nichts
beschlossen. Über etwas nachdenken. Ein Buch über eine Materie schreiben. Ich
will mich noch über diese Sache bedenken. Über den Vorzug streiten, besser um.
Anmerkungen über ein Buch machen. Auch hier wird es häufig mit der dritten
Endung verbunden, welches aber um deßwillen nicht minder unrichtig ist, als bey
der vorigen Bedeutung. Über einer Sache Gedanken haben, Dan. 4, 2. Es erhub
sich eine Frage über der Reinigung, Joh. 3, 25. Über dem Evangelio kämpfen,
Phil. 4, 3; besser wegen des, oder für das. Indem aber Petrus sich besinnet
über dem Gesichte, Apost. 10, 19. Ich besprach mich mit ihnen über dem
Evangelio, Gal. 2, 2. Sich ein Gewissen machen über bestimmten Feyertagen, Col.
2, 16. Und so in vielen andern Stellen mehr. (k) Eine größere Ausdehnung des
Raumes in Beziehung auf einen andern kleinern Raum, und nach noch weiterer
Figur, auch eine größere Zahl, ein größeres Maß, Gewicht, eine Übertreffung an
Kraft, Vermögen, Fähigkeit u. s. f. als eine Figur der vorigen ersten so wohl
als dritten Bedeutung, woraus zugleich die Nothwendigkeit des Accusativs
erhellet. Wo du andere Weiber dazu nimmst über meine Töchter, 1 Mos. 26, 1;
außer meinen Töchtern. Über Vermögen versucht werden, 1 Cor. 10, 13. Über sein
Vermögen, über Macht essen, über den Durst trinken.
Sie liefen über Macht nach dem Gebüsche zu, Lessing.
Das ist über mein Vermögen. Über die gewöhnliche Zeit
ausbleiben. Über die Gebühr, über die Billigkeit fordern. Er hat uns über die
Maße viel Gutes gethan, Tob. 12, 3. Über alle Maße schön. Er ist über vierzig
Jahr alt. Es ist ein Viertel über zehn. Es ist schon über vierzehn Tage, daß
ich ihn nicht gesehen habe. Sie haben sich schon über eine Stunde gezankt. Über
drey Finger breit. Über sechs Ellen lang, über zehn Pfund schwer. Es sind ihrer
über funfzig. Das macht über tausend Thaler. Das ist über Menschen Gedenken.
Über die Hälfte. Über ein Jahr bleibt der Wein nicht gut. Das gehet über meinen
Verstand, über meinen Begriff. Es geschahe über Verhoffen, über Vermuthen, ohne
daß man es hoffte. Über die gewöhnlichen Kosten mußten noch zehn Thaler bezahlt
werden. Das ist über die Natur, über die Vernunft, was aus den bekannten
Naturkräften nicht erkläret, aus den bekannten natürlichen Wahrheiten nicht
erwiesen werden kann. Was über die gewöhnliche Speise gereicht wird. Noch über
die geforderte Zahl liefern. Über seine Schuldigkeit thun. Gott, der über alles
gütig ist, mehr als alles. Gott über alles lieben.
[
741-742] Dahin gehören auch noch die folgenden Arten
des Gebrauches. Ein Mahl über das andere, mehrere Mahle schnell hinter
einander. Hiob brachte eine traurige Bothschaft über die andere. Eine Sünde
über die andere häufen, Es. 30, 1; Sünde auf Sünde häufen. Er hält mich einen
Tag über den andern auf, mehrere Tage hinter einander. Eine Schuld über die
andere machen. Sie bekommt Eine Ohnmacht über die andere. Ingleichen, in eben
diesem Verstande mit Wiederhohlung des Hauptwortes im Plural, außer wenn es ein
Collectivum ist. Sie bekommt Ohnmachten über Ohnmachten, mehrere, schnell
hinter einander. Mir ist ser ubar ser, ich empfinde Schmerzen über Schmerzen,
Ottfried. Jemanden Briefe über Briefe, Bothen über Bothen schicken. Schulden
über Schulden machen. Geld über Geld biethen. Ferner, das so gewöhnliche über
dieß, über dieses, über das, praeterea, wo das Vorwort sehr häufig, obgleich
eben so irrig, mit der dritten Endung verbunden wird. Über das alles ist heute
der dritte Tag, Luc. 24, 21. Über dieses that er noch hinzu. Es ist schon an
und für sich billig; über dieß wirst du mich dadurch sehr verbinden. Der Feind
war uns überlegen; über dieß wurden wir auch von unsern Bundesgenossen
verlassen. Wenn es Joh. 4, 27 heißt: und über dem kamen seine Jünger, so steht
hier der Dativ ganz richtig, weil es so viel bedeutet, als sie kamen darüber
zu, über seinem Gespräche mit der Samariterinn. Gemeiniglich schreibt man über
das und über dieß als ein Wort, überdieß, überdas, aber eben so unrichtig, als
wenn man außer dem, nach diesem, es ist an dem u. s. f. zusammen ziehen wollte.
Wir haben der Zusammensetzungen ohnehin schon so viel, daß man sie eher zu
vermindern, als so ganz ohne Noth und Grund zu vermehren suchen sollte. Eine
Fortsetzung dieser Bedeutung ist, wenn über mit Beywörtern verbunden wird, ein
Übermaß derselben zu bezeichnen, da denn die Zusammenziehung eher zu
vertheidigen ist; übergroß, überreif, übermächtig, übermüthig, überreich,
überhoch, übertheuer, wo es oft nur ungewöhnlich groß, mächtig, theuer, u. s.
f. bedeutet. (l) Wenn dieses Vorwort in der vorigen Bedeutung von einer Zeit
gebraucht wird, so bezeichnet es allemahl einen unbestimmten Überschuß, ein
unbestimmtes Übermaß der Zeit; es sind schon über drey Wochen, daß er hier war,
mehr als drey Wochen. Allein es wird mit der vierten Endung auch noch in einem
doppelten Falle von einer etwas bestimmtern Zeit gebraucht. (1) Für das Vorwort
nach, auf die Frage wenn? eine Zeit zu bezeichnen, welche inzwischen verfließen
wird. Heut über acht, morgen über vierzehn Tage. Heut über drey Wochen. Über
drey Tage werdet ihr über diesen Jordan gehen, Jos. 1, 11. Über vier Wochen bin
ich ein glücklicher Mann. Allemahl über den andern Tag, je den dritten Tag;
allemahl über den dritten, vierten Tag u. s. f. Am häufigsten gebraucht man es
hier, wenn der Zeitpunct, von welchem man an rechnet, bestimmt, oder doch als
bekannt voraus gesetzt wird; über vierzehn Tage, d. i. heut über vierzehn Tage.
Übers Jahr komme ich wieder, heute übers Jahr. Wenn ich übers Jahr noch lebe.
Übermorgen, den dritten Tag von heute an, den nächsten Tag nach dem morgenden.
Doch sagt man auch im gemeinen Leben, über eine Weile, nach einer kurzen Zeit;
über lang oder kurz, nach einer unbestimmten längern oder kürzern Zeit. Gesetzt
es sollte ihnen über lang oder kurz einkommen, ihr diese Sache vorzuhalten,
Gell. künftig einmahl. Im Theuerdanke heißt es: nicht uber lang darnach es
geschah, Kap. 72, nicht lange her- [
743-744] nach. Opitz
gebraucht es noch ungewöhnlicher von einer vergangenen langen Zeit:
Und daß nun überlang Der angeborne Lauf behält den langen
Gang,
seit langer Zeit. Wenn der Zeitpunct a quo nicht so bestimmt
oder deutlich ist, gebraucht man lieber andere Vorwörter. Über acht Tage waren
abermahl seine Jünger drinnen, Joh. 20, 26; acht Tage darauf, nach acht Tagen.
Es begab sich über drey Jahren, 1 Kön. 2, 39; drey Jahren darnach. Darnach über
drey Jahr kam ich gen Jerusalem, Gal. 1, 18; drey Jahr darauf, darnach. Über
ein Kleines, Joh. 16, 16 für ein kurzen, ist ganz veraltet. (2) Eine ganze oder
völlige Zeitdauer zu bezeichnen, auf die Frage wie lange? Über Nacht auf die
Gasse bleiben, 1 Mos. 19, 2; die ganze Nacht hindurch. Außer dieser Redensart
stehet es in dieser Bedeutung fast alle Mahl hinter dem Hauptworte. Es wird
kein Mann bey dir bleiben diese Nacht über, 2 Sau. 19, 7. Den Sabbath über
waren sie stille, Luc. 23, 56. Die ganze Predigt über schlafen. Was hast du die
ganze Zeit über gethan? Ich werde den Sommer über hier bleiben. Die Mahlzeit
über, die ganze Mahlzeit hindurch, welches von dem über der Mahlzeit, während
derselben, sehr verschieden ist. Das Jahr über. Den Tag über. Im gemeinen Leben
gebraucht man es so wohl vor als nach dem Hauptworte in einigen Fällen gern mit
der zweyten Endung. Des Tages über, den Tag über. Der Landmann wird über
Winters oder Winters über seinem Vieh wenig zu Gute thun können. Sommers über,
über Sommers. Aber nicht Jahrs über, der Mahlzeit über u. s. f. (m) Endlich
gehören hierher auch die Fälle, da dieses Vorwort in Ausrufungen vor
Verwunderung, Unwillen und Abscheu mit der vierten Endung gebraucht wird. Über
den niederträchtigen Menschen! Über den klugen Mann! Weiße. Über den infamen
Kalender, daß ein solcher Tag darin steht! ebend. Wo es eigentlich eine
Fortsetzung der vorigen achten Bedeutung ist, einen Gegenstand der
Verwunderung, des Unwillens, des Abscheues zu bezeichnen. 2. In der
Zusammensetzung mit andern Vorwörtern. Diese Wörter sind, 1) Partikeln, wo das
Vorwort bald voran steht, wie in überaus, überall, überein, überhin, bald
nachfolgt, besonders mit den relativen Partikeln, darüber, hierüber, hinüber,
herüber, vorüber, worüber. Überdas, überdieß, übereinanander, gegenüber,
gleichüber, querüber, werden richtiger getheilt geschrieben. Überley aber,
überseits, überwärts u. a. m. sind im Hochdeutschen unbekannt. Ein Fehler ist
es, wenn man das mit den relativen Partikeln zusammen gesetzte Vorwort auslösen
will. Ich bekam über dieses einen Streit, für darüber. Über was können sich
zwey Schwestern auch sonst zanken? Less. für worüber.
S. Da II. 2) Mit den Nennwörtern, wo es so wohl mit Bey-
als Hauptwörtern verbunden wird. Mit Beywörtern bezeichnet es theils ein
Übertreffen, wie in übermenschlich, übernatürlich, überwichtig, übermäßig,
überzählig u. s. f. theils einen ungewöhnlichen hohen Grad des folgenden
Beywortes, wie überreif, übergroß, übertheuer, übervoll, übermüthig, überlaut
u. s. f. In übersichtig aber sticht noch die mehr eigentliche Bedeutung des
Vorwortes hervor. Mit Hauptwörtern, das Überbein, der Überfluß, Übermuth,
Übergewicht, Überrest, Überschrift u. s. f. In manchen Hauptwörtern ist dafür
aber üblicher, wie Oberbett, die Oberhand, wo doch das Nebenwort Überhand noch
gangbar ist; andere werden mit Ober- und Über zugleich gemacht, wie
[
743-744] Oberrock und Überrock, Oberstrümpfe und
Überstrümpfe, wo doch zwischen beyden noch ein Unterschied Statt findet. 3) Mit
Zeitwörtern, da sich denn unter den mit diesem Vorworte zusammen gesetzten
Zeitwörtern ein merklicher Unterschied äußert. Einige sind Neutra, entweder von
Natur, oder doch nach der Zusammensetzung, dem Gebrauch und der Bedeutung nach,
wenigstens können sie nicht mit der vierten Endung des Sache verbunden werden,
und in diesen liegt der Ton auf dem Vorworte: überbleiben, besser übrig
bleiben, überfließen, überlaufen, überhangen, überschnappen, überkippen u. s.
f. Diese haben das gewöhnliche Augment ge, und im Infinitiv tritt das zu
zwischen dem Vor- und dem Zeitwort. Es hat oder ist übergeschnappet,
überzuschnappen; das Wasser ist übergelaufen. Das Vorwort ist hier zugleich
eine trennbare Partikel, welche in der Conjugation hinter das Zeitwort tritt.
Es läuft über, nicht es überläuft, es hangt über. Andere, und zwar die meisten,
sind Activa, oder sie haben doch die vierte Endung der Sache bey sich, und in
diesen liegt der Ton auf dem Zeitworte: überantworten, überdenken, sich
übereilen, jemanden überfallen, ihn überlaufen, sich über heben u. s. f. In
diesen ist das Vorwort untrennbar, d. i. es verläßt sein Zeitwort die ganze
Conjugation hindurch nicht; er übereilet sich, ich überlaufe jemanden. Diese
Zeitwörter bekommen in den vergangenen Zeiten das Augment ge nicht, und im
Infinitiv nimmt das zu seine Stelle vor der ganzen Zusammensetzung: ich habe es
schon überlegt, er ist überrascht worden, nicht übergelegt, übergerascht. Es
ist noch zu überstehen, zu übersehen, nicht überzustehen. Einige wenige
Ausnahmen gibt es auch hier. Übernachten und überwintern haben den Ton auf dem
Zeitworte, da es doch der Regel nach auf dem Vorworte liegen sollte. Einem
überhelfen gehöret nicht zu den Ausnahmen, weil hier der Dativ, nicht aber der
Accusativ, steht. Überein stimmen und überein kommen, gehören gar nicht
hierher. Ein Fehler aber ist es, wenn man das Vorwort in denjenigen Fällen, wo
es untrennbar seyn sollte, als ein trennbares behandelt.
Laß, Theuer, dich nicht deiner Schwachheit über! Schleg.
für überlaß dich nicht.
Denk' alles, was du glaubst, noch zehnmahl ernsthaft über,
Dusch.
für überdenke alles u. s. f. So wie es ein Fehler ist, das
trennbare Vorwort in ein untrennbares zu verwandeln. Alles, alles glänzt in
reifer Schönheit, alles überströmet in vollem Segen, Geßn für, es strömt in
vollem Segen über. Oder gar ein zusammen gesetztes Zeitwort zu gebrauchen, wo
doch nur das einfache Zeitwort mit dem Vorworte Statt finden kann. Das
Vergnügen zu sammeln übergeht alles andere Vergnügen, Gottsch. für, geht über
alles andere Vergnügen. Von den Bedeutungen der mit diesem Vorworte zusammen
gesetzten Zeitwörtern will ich hier nichts sagen, um diesen Artikel nicht zu
weitläufig zu machen; sie lassen sich indessen alle Mahl auf eine der vorigen
zurück führen, von welchen sie mehr oder weniger Figuren sind. Anm. 1. Man
wende nun die in unsern Sprachlehre gegebene und schon oben gedachte Regel, daß
über auf die Frage wohin? die vierte, und auf die Frage worin? die dritte
Endung erfordert, auf die oben angeführten Bedeutungen an, und sehe, wie weit
man damit komme. Diese Regel ist ganz aus den gemeinen Lateinischen
Sprachlehren entlehnet, wo man super und supra auf diese Art unterscheiden
lehret. Allein das Deutsche Vorwort hat mehr Bedeutungen als diese beyden
Lateinischen; es bedeutet auch trans, vlira, inter, plus, praeter, per, post,
de, ad, ex, [
745-746] amplius, nimium u. s. f. und auf
die meisten dieser Bedeutungen läßt sich diese Regel nicht anwenden. Wollte man
ja eine kurze Regel haben, so würde sie so lauten. Wenn sich bey über eine
Thätigkeit, oder auch nur ein Bestreben zur Thätigkeit, gedenken lässet, so
erfordert es die vierte, außer dem aber die dritte Endung. Es gilt auch von
diesem Vorworte, was man bey allen Vorwörtern, so wohl in der Deutschen als
andern Sprachen, nie aus den Augen verlieren muß, daß zwar ihre verschiedenen
Bedeutungen angezeiget, und deren Gränzen bestimmt werden können, daß aber
deßwegen ein Vorwort nicht in allen den Fällen gebraucht werden könne, welche
sich unter eine oder die andere Bedeutung ziehen lassen. Der Gebrauch hat seine
Tyranney vornehmlich an den Partikeln, und unter diesen am stärksten an den
Vorwörtern ausgeübt, und viele Bedeutungen eines Vorwortes nur auf eine
bestimmte Anzahl von Ausdrücken eingeschränkt, dagegen in andern vollkommen
ähnlichen Fällen ein anderes Vorwort üblicher ist. So ist über in der zehnten
Bedeutung des Accusativs im Hochdeutschen sehr eingeschränkt. Für, Esau nahm
über die Weiber, die er zuvor hatte, Mahalat, wird man lieber sagen, außer den
Weibern. Über die gedachten zwey Güter besitzet er noch u. s. f. außer den.
Über wird, wie andere ähnliche Vorwörter, im gemeinen Leben und der
vertraulichen Sprechart in einigen Fällen gern mit dem Artikel zusammen
gezogen; übers, übern, überm, für über das, über den, über dem. Laß dein Brot
übers Wasser fahren. Übern Haufen werfen. Die Wolke steht überm Hause. Die
beyden ersten sind noch am erträglichsten; überm aber beleidigt das Ohr zu
sehr, als daß sich entschuldigen ließe. Anm. 2. Dieses alte Vorwort lautet
schon bey dem Ulphilas afar, ufar, im Isidor ubar, im Nieders. over, över, äwer
im Angels. over, im Schwed. yfver, ofar, öfver, ivir, ivi, im Pers. aber, mit
vorgesetztem j bey dem Kero juber, mit dem Hauchlaute im Griech. hier
nichtlateinischer Text, siehe Image, und mit dem Zischer im Lat. super
und supra, im Franz. sur. Das hohe Alter erhellet schon aus dem Hebr.
hier nichtlateinischer Text, siehe Image, trans, über. Die
Endsylbe ist die Ableitungssylbe einen Umstand zu bezeichnen, vielleicht ein
Ding, Subject. Daher war es ehedem auch ohne diese Endsylbe üblich. Froide ob
aller froide, einer der Schwäbischen Dichter, für, Freude über Freude. Auch die
Niedersachsen gebrauchen up, und die Oberdeutschen ob, so wie die Schweden of,
a, noch oft für über. Das Lat. ob, wegen, gehöret gleichfalls hierher. (
S. Auf und Oben, welche sehr genau mit diesem Worte verwandt
sind.) Das Beywort von über heißt ober und in einigen Fällen übrig. Es
scheint, daß in unserm heutigen über zwey verschiedene Bedeutungen zusammen
geflossen sind, die Bedeutung der Höhe, da es denn zunächst zu auf gehöret, und
die Bedeutung der horizontalen Bewegung, da es mit über verwandt seyn würde.
Beyde Bedeutungen lassen sich indessen auf die allgemeinere Stammbedeutung der
Bewegung überhaupt zurück führen. Im Schwed. ist of sehr, (
S. unser Oft) und obar, vortrefflich.
[
745-746]