Trotzen
, [
701-702] verb. reg. neutr. mit dem
Hülfsworte haben. 1. * Einen hohen Grad der Kühnheit besitzen, und solchen
thätig erweisen; eine im Hochdeutschen völlig veraltete Bedeutung. 2. Einen
hohen Grad des Vertrauens auf eine Sache hegen, und solchen mit Beyseitsetzung
alles Glimpfes thätig erweisen; mit dem Vorworte auf. Die sich verlassen auf
ihr Gut und trotzen auf ihren großen Reichthum, Ps. 49, 7. Sie trotzen auf den
Gott Israel, Es. 48, 2. Arphaxad trotzete auf seine Macht, Judith 1, 5. Trotze
nicht auf dein Amt, Sir. 10, 31.
Ein Midas trotzt auf den Besitz der Schätze, Haged.
Auf etwas pochen, wird in ähnlichem Verstande gebraucht. 3.
Oft verschwindet ein Theil des Begriffes der Zuversicht, und da sticht die
thätige Erweisung am stärksten vor, und alsdann ist trotzen, im hohen Vertrauen
auf sich oder andere, mit Beyseitsetzung alles Glimpfes, so wohl zum thätigen
Widerstande bereit seyn, als auch andere dreist zum Widerstande ausfordern, wie
Trotz biethen; da es denn auch, so wie diese R. A. die dritte Endung der Person
erfordert. Einem trotzen. Allen Gefahren trotzen. Trotz biethen. Viele,
besonders Oberdeutschen Schriftsteller gebrauchen es in dieser Bedeutung mit
der vierten Endung. Weswegen sie sich entschlossen, - und das sonst
unerbittliche Recht der Gräber zu trotzen, Gryph. Den Herren trotzen, Ier. 50,
24. 1 Cor. 10, 22. Wollt ihr mich trotzen? Joel 3, 9. Man trotzt die
Sterblichkeit, Günth.
Hast du in ihrer Brust ein Feuer angefacht, Das die Gefahren
trutzt? Schleg. Sie trotzte gar die Schwachheitssünden, Haged.
Diese im Hochdeutschen fehlerhafte Wortfügung scheint im
Oberdeutschen einheimisch, und aus Verwechselung mit dem in einigen Provinzen
gangbaren tratzen, zum Zorne reitzen, entstanden zu seyn, welches aber allem
Ansehen nach nicht hierher gehöret, sondern ein Intensivum von reitzen ist,
auch den Begriff des dreisten Ungestümes nicht hat, welcher mit trotzen
verbunden ist. Da dieses im Hochdeutschen kein Activum, sondern ein Neutrum
ist, und man daher nicht sagen kann, ich werde getrotzt, so kann man auch nicht
sagen, einen trotzen. Die ähnlichen R. A. einem pochen, einem Drohen, einem
widerstehen u. s. f. deren Begriffe sich in trotzen vereinigen, leiden
gleichfalls nur die dritte Endung. 4. Seine herrschende Abneigung von der
Versöhnung auf thätige Art an den Tag legen, wo es absolute, und höchstens mit
dem Vorworte mit gebraucht wird. Ein Kind trotzt, wenn es seinen Widerwillen
gegen den eingebildeten Beleidiger auf eine herrschende Art an den Tag legt.
Mit jemanden trotzen, im glimpflichern Verstande, mit ihm zürnen, in den
niedrigern Sprecharten, mit ihm maulen.
S. auch das Trotzen. Anm. In einigen Oberdeutschen
Mundarten trutzen, bey dem Notker trotzen, im Schwed. trotsa, im Isländ.
tratzast. Im Nieders. ist trotseren, stolz und trotzig thun, und in der Schweiz
trätzeln, schimpfen, welches aber, so wie das Baierische tratzen, reitzen,
nicht hierher, sondern zu reitzen zu gehören scheinet. Trotzen stehet für
trotsen, und zeigt schon dadurch, daß es ein Intensivum von einem andern
Zeitworte ist, vielleicht von treten, Oberd. trotten, da es denn vor Trotz auf
die Erde stampfen bedeuten würde. Noch wahrscheinlicher ist es ein Intensivum
so wohl von drohen, als auch von trauen und Trost, in der alten Bedeutung der
Zuversicht, indem alle diese Begriffe in diesem Worte zusammen fließen. Im
Angels. ist Threata, Engl. Threat, Drohung, und threatian, Engl. threat,
drohen, woraus mit angehängter Ableitungssylbe -sen, leicht trotzen werden
können. In einigen gemeinen Mundarten wird auch protzen in manchen Fällen für
trotzen gebraucht. Die Lat. trux und atrox, das Franz. brusque, das Ital.
bravazzare, trotzen, scheinen gleichfalls damit verwandt zu seyn.
[
701-702]