Taub
, [
537-538] -er, -este, adj. et adv. ein
in einer doppelten Hauptbedeutung übliches Wort. 1. * Toll, unsinnig; eine
veraltete Bedeutung, von welcher noch die Tobsucht in manchen Gegenden die
Taubsucht genannt wird. 2. Des Gehöres beraubt. (1) Ei- gentlich. Von einem
tobenden Lärmen oder Getöse des deutlichen Gehöres beraubt; in welchem
eigentlichern Verstande man noch sehr häufig von einem heftigen Lärmen oder
Schalle sagt, daß er uns taub mache oder betäube. In theils weiterer, theils
engerer Bedeutung ist taub, gehörlos, nicht hörend, es geschehe nun aus
Vorsatz: gegen eines Klagen, gegen eines Bitten taub seyn. Etwas mit tauben
Ohren anhören. Oder aus einem Fehler in den Werkzeugen des Gehöres, des
Vermögens zu hören beraubt. Taub seyn, werden. Ein tauber und stummer Mensch.
Einem Tauben das Gehör wieder verschaffen. (Siehe Taubheit.) Bey dem Ulphilas
daubata, bey dem Notker toub, im Nieders. doop, im Angels. und Engl. deaf, im
Schwed. töf, in einigen gemeinen Oberdeutschen Mundarten töberich. In der
Schweiz ist dyppel so wohl taub, als auch blind, in welcher letztern Bedeutung
es auf eine merkwürdige Art mit dem Griech. hier nichtlateinischer Text,
siehe Image überein kommt. (2) Figürlich. a) Sinnlos, unempfindlich;
eine wenig gangbare Bedeutung. Taubes Hinbrüten. In einigen Gegenden nennt man
ein Glied taub, wenn man keine Empfindung in demselben hat. Nieders. toov. Ein
tauber Schmerz, welcher mit einer halben Unempfindlichkeit verbunden ist. Im
Schwed. ist döf, dumm, so wie dumm in der Schweiz auch taub bedeutet. b) *
Todt; eine veraltete Bedeutung, in welcher douen bey dem Notker für sterben
vorkommt. Vielleicht hat es diese Bedeutung auch in folgender Stelle des
Kristan von Hamle, eines Schwäbischen Dichters:
Swa e lag viel toub diu Heide Da siht man schone ougenweide;
wo es aber auch leer bedeuten kann. c) Kraftlos, der
gehörigen Kraft beraubt; eine nur noch in einigen Fällen übliche Bedeutung.
Taube Kohlen, ausgebrannte und gedämpfte, (
S. Taubkohle.) Ein tauber Schall, ein leerer,
kraftloser. Taube Nessel, welche nicht brennet, Lamium Linn. d) Des gehörigen
Gehaltes beraubt, leer an dem nöthigen Gehalte; am häufigsten auch nur in
einigen bereits angenommenen Fällen. Taube Nüsse, leere, welche keinen Kern
haben. Taube Ähren, welche keine Körner enthalten. Tauber Hafer, (
S. Taubhafer.) Taube und leere Bergarten, im Bergbaue,
welche kein Erz enthalten. Ein taubes Gebirge, eben daselbst im Gegensatze des
haltigen. Ein taubes Ey, ein Windey. Im Niedersächsischen bedeutet es leer im
weitesten Verstande: ein tauber Graben, ein leerer, ausgetrockneter. Ein tauber
Dunst, ein leerer. Sie machten die Lande toube, leer, Jeroschin. Aus welchem
weitern Umfange man beynahe vermuthen sollte, daß es in dieser Bedeutung der
Leere nicht so wohl zu taub, gehörlos, als vielmehr tief gehöre-, so fern
dasselbe überhaupt einen hohlen, leeren Raum bedeutet hat. Anm. Da alle Wörter
ursprünglich Onomatopöien sind, und eigentlich solche Veränderungen bezeichnen,
welche unmittelbar in das Gehör fallen, so ist es sehr wahrscheinlich, daß
dieses Wort sehr genau mit toben verwandt ist, und eigentlich von einem
tobenden Getöse betäubt bezeichnet. Andere sehen die Bedeutung der Leere als
die erste an, können aber alsdann weder einen Grund dieser Bedeutung, noch auch
eine wahrscheinliche Verbindung derselben mit der Gehörlosigkeit angeben.
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539-540]