Suchen
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493-494] verb. reg. act. etwas, dessen
Ort unbekannt ist, zu finden oder zu entdecken sich bemühen, besonders so fern
es durch hin und her sehen geschiehet, so, daß es als ein Intensivum von sehen
betrachtet werden kann. 1. Eigentlich. Etwas suchen und nicht finden. Das
Verlorne suchen. Eine Sache in allen Winkeln, auf dem Wege, in dem Sande, im
Wasser u. s. f. suchen. Der Leithund sucht, wenn er ein Wild vermittelst der
Spur zu finden bemühet ist. Jemanden suchen. Ich habe ihn gesucht und nicht
gefunden. Wo soll ich ihn suchen? Ich suchte dich bey dem Freunde. Das hatte
ich in ihm nicht gesucht, von ihm nicht vermuthet. Die groben Seelen suchen
sich so wie die feinen, bemühen sich einander kennen zu lernen, mit einander in
Verbindung zu kommen. 2. Figürlich. (1) Was hast du hier zu suchen? zu thun, zu
verrichten. Ich habe da nichts zu suchen, nichts zu verrichten.
Wenn er nicht fliehen will, was sucht er bey den Schafen?
Schleg.
(2) Was sucht er darunter? was hat er dabey für eine
verborgene Absicht? Ich weiß schon, was du darunter suchst. (3) Er sucht etwas
darin, setzt eine Art von Ruhm, von Vorzug darin; eigentlich eine elliptische
R. A. er sucht einen Ruhm darin. Er sucht etwas darin, seinen Verdruß merken zu
lassen. (4) Das Mittelwort gesucht von Werken des Verstandes, bedeutet oft, die
Mühe, welche es dem Erfinder gekostet, verrathend, von Dingen, welche dieses
sichtbare Mühsame nicht haben sollten. Die Wendung, das Gleichniß, der Ausdruck
ist zu gesucht. Der Anlaß zu eingestreuten Betrachtungen muß nicht gesucht
seyn, sondern aus der Materie selbst hervor dringen. Ein gesuchter Scherz, der
nächste Grad nach einem gezwungenen. 3. In weiterer Bedeutung, sich bemühen
etwas zu erlangen, oder eine Absicht zu erreichen, es geschehe auf welche Art
es wolle. So wohl mit der vierten Endung. Den Schatten suchen, in den Schatten
gehen oder treten. Jemandes Nutzen, andrer Beßtes suchen. Jemandes Glück,
Schaden, Verderben suchen. Ursache zu etwas, einen Vorwand suchen. Schutz bey
jemanden, Hülfe suchen. Ein Capital suchen. Eine Gelegenheit suchen. Ein Amt,
eine Versorgung suchen. Bey andern Mitleid, wo nicht Stärkung, Trost, wo nicht
Hülfe suchen. Seine Ehre in etwas suchen. Ich bin den Lügen gram, ich suche
keinen Zwist, Haged. Er sucht seinen Reichthum nicht in dem Überflusse, sondern
in dem Gebrauche desselben, Gell. Indessen lässet es sich nicht mit allen
Hauptwörtern gebrauchen. Z. B. die biblischen Ausdrücke, die Sünde, das Böse,
jemandes Befehle, Demuth und Gerechtigkeit, ein Zeichen, die Flucht suchen,
lassen sich im Hochdeutschen nicht nachahmen. Besonders, durch Bitten,
Anhalten. Gnade, Vergebung suchen. Die gesuchte Nachsicht erlangen. Da denn in
den Kanzelleyen auch das Suchen für Gesuch gebraucht wird. Da diesem Suchen
gefüget worden. Jemandes Suchen abschlagen. In den Zusammensetzungen ansuchen,
ersuchen und Gesuch ist diese Bedeutung noch merklicher. Ingleichen mit dem
Infinitiv und dem Wörtchen zu, für Mühe anwenden, sich bemühen, überhaupt.
Jeman- den zu schaden, zu nützen suchen. Jemanden zu gefallen, ihm
auszuweichen, ihn umzubringen suchen. Ich suche es dahin zu bringen, daß u. s.
f. Etwas zu beschleunigen, zu verzögern, zu hindern suchen. Suche ihr Muth
einzusprechen. Jeder sucht meine Entschlüsse auszuforschen. So auch das Suchen.
Anm. In dem Isidor, bey dem Kero u. s. f. suahhan, bey dem Ulphilas sokjan, im
Nieders. söken, im Angels. secan, im Engl. to seek, im Schwed. söka, im Pohln.
zukam. Wachter leitet es von Auge, Ihre aber von hier nichtlateinischer
Text, siehe Image, her. Allein, in der ersten Bedeutung scheinet der
Begriff des Sehens der herrschende zu seyn, daher er daselbst füglich als ein
Intensivum von sehen betrachtet werden kann. Die folgende weitere Bedeutung
läßt sich als eine Figur der ersten ansehen, indessen scheint doch, daß in
derselben mehrere dem Anscheine nach verwandte Begriffe zusammen kommen. Denn
da die meisten Zeitwörter ursprünglich Onomatopöien sind, so geschiehet es oft,
daß ein Wort mehrere ganz verschiedene Wirkungen oder Handlungen bezeichnet,
welche mit eben demselben Laute verbunden sind, oder unter demselben gedacht
worden. Die verschiedenen Bedeutungen, welche bey diesem Worte noch in
Betrachtung kommen, sind: 1. Des Gehens oder Ziehens. Se sechten den
Wolkenstein, sie zogen dahin, in der Stiftischen Fehde bey dem Frisch. Das Lat.
sequi ist damit verwandt, und im Lettischen ist sekku, ich folge. Auch unter
besuchen leidet diese Bedeutung. Ja es kommen Spuren vor, daß es ehedem noch
mehrere Arten körperlicher Bewegungen bedeutet hat. Frisch führet verschiedene
Stellen an, wo es für plagen, plündern stehet. 2. Des Redens, Sprechens,
besonders mancher Arten der Rede. Noch jetzt wird es für bitten gebraucht. Bey
dem Kero ist kesuahhidda, Untersuchung, ingleichen Streit. Bey andern alten
Oberdeutschen Schriftstellern ist suachon, fordern. Das Lat. quaerere bedeutet
so wohl suchen, als fragen, und queri, klagen, und das Hebr. hier
nichtlateinischer Text, siehe Image, rufen, schreyen. Unser sagen
gehöret gleichfalls dahin. Die Niederdeutschen haben von suchen ein neues
Intensivum suksen, welches aber nur von den Hunden gebraucht wird.
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