Der Stuhl
, [
471-472] des -es, plur. die Stühle,
Diminut. das Stühlchen, ein noch in verschiedenen Bedeutungen übliches Wort. 1.
Ein stehendes Ding, wo es mit Stiel von stehen abstammet, aber nur noch in
verschiedenen einzelnen Fällen gangbar ist. (1) Eigentlich. Eine Säule hieß
ehedem ein Stuhl, Griech. hier nichtlateinischer Text, siehe
Image, hier nichtlateinischer Text, siehe Image, im Epirot.
Stula, im Alban. Sstjula, wohin auch unser Stolle, in der Bedeutung einer
kurzen dicken Säule gehöret. Es ist in diesem Verstande im Hochdeutschen
veraltet, außer daß noch eine Säule, d. i. ein senkrecht stehendes Stück
Zimmerholz in einem Gebäude, in einigen Gegenden so wohl ein Stiel, als ein
Stuhl genannt wird. (2) Figürlich. (a) Ein stehendes Geld, wird noch zuweilen
ein Stuhl genannt, daher ein ausstehendes Capital in einigen Gegenden noch der
Hauptstuhl heißt, zum Unterschiede von den Zinsen, Schwed. Hufvudstol. Es
scheinet, daß hier der Begriff des Stehens der herrschende ist, ob gleich auch
der folgende der Masse Statt findet. Denn, (b) in einigen Fällen sticht der
Begriff der Menge und der Masse sehr merklich hervor. In den Schmelzhütten
macht das Erz einen Stuhl, wenn sich im Schmelzen ein Erz auf das andere setzt,
wo es aber auch zur folgenden Bedeutung gehören kann. Eine Menge mehrerer Dinge
Einer Art, heißt im Isländ. in einigen Fällen Stol; so ist Herastol oder
Stolaher das Kriegsheer, Skipastol, die Flotte. Unser Stock wird auf ähnliche
Art gebraucht. In Boxhorns Glossen ist Stual, die Last. Vermuthlich gehöret
hierher auch der in dem Salzwerke zu Halle übliche Gebrauch, wo die Salzbrunnen
in Stühle getheilet werden. Der Deutsche Brunnen hält daselbst 32 Stühle, ein
Stuhl 4 Viertel oder Quart, und ein Quart 12 Pfannen; wo es vielleicht
eigentlich auch eine Menge oder Masse bedeutet. 2. Ein Gestell, etwas darauf zu
stellen, etwas darauf zu setzen, etwas zu tragen. (1) Im weitesten Verstande,
wo es gleichfalls nur noch in einigen Fällen üblich ist. Der Dachstuhl ist in
der Zimmermannskunst ein Gestell von Zimmerholz, das Dach zu tragen, oder zu
unterstützen; der Glockenstuhl, das Zimmerwerk, welches die Glocken träget; der
Stuhl oder Weberstuhl, das Gestell des Webers, oder Wirkers. Der Zinkstuhl, in
den Goslarschen Schmelzhütten, das Gestell von Stein, worauf der Zinkstein in
dem Schmelzofen gesetzt wird. (
S. auch das Gestühl.) In dem Salzwerke zu Halle wird
auch der Haspel der Stuhl genannt, daher der Oberstuhl und der Unterstuhl, der
obere und der untere Haspel. In einigen Niedersächs. Gegenden heißt das
Holzwerk eines Hauses bis unter das Dach, der Stuhl. Ein Haus brennt alsdann
bis auf den Stuhl ab, wenn nur das Dach abbrennt. (
S. Stuhlgeld.) Im Schwed. gleichfalls Stol, im
Epirotischen Stula. Im Schwed. ist Stol auch die Bank, worauf die Krämer ihre
Waaren auslegen, im mittlern Lat. Staulus, Stallus, daher das Franz. etaler,
und in den Slavon. Mundarten heißt ein jeder Tisch Stol, Stul, so wie im Böhm.
Stül auch das Bettgestell ist. (2) In engerer Bedeutung, ein Gestell in und auf
demselben zu sitzen. Einen Stuhl in der Kirche haben, einen bestimmten
eingeschlossenen Ort, wo man in derselben sitzen kann. Die Kirchenstühle, wenn
es gleich nur Bänke sind. Besonders in den Zusammensetzungen Beichtstuhl,
Bethstuhl, Lehrstuhl, Katheder, Predigtstuhl, Kanzel u. s. f. wo es aber oft
eine Figur der folgenden Bedeutung seyn kann, indem dergleichen Arten von
Sitzen ehedem bloß aus beweglichen Stühlen bestanden haben können. (3) In der
engsten Bedeutung, ein solches bewegliches Gestell, darauf zu sitzen. (a) Ein
zierliches bewegliches und erhabenes Gestell für Eine Person darauf zu sitzen,
wodurch es sich von Bank, Kanapeh, Schämel u. s. f. unterscheidet; schon bey
dem Ottfried Stual, im Nieders. Stool, im Angels. Stol, im Engl. Stool, bey dem
Ulphilas Stols, im Schwed. Stol, im Wallis. Ystol, im Slavon. Stolek, im
mittlern Lateine Stolium, daher Faldistolium, ein Stuhl der zusammen gelegt
werden kann, wovon das Franz. Fauteuil gebildet ist. Entweder auch von Stuhl,
Gestell, oder auch von Stuhl, Säule, so fern ein solcher Sitz in den ersten
Zeiten der Einfalt, eine bloße kurze Säule, eine Stolle oder ein Stock war. 1.
Eigentlich. Ein Feldstuhl, ohne Lehne, welcher zusammen gelegt werden kann, ihn
auf dem Felde, und im Felde mit sich zu führen; Armstuhl, Lehnstuhl,
Sorgestuhl, Backenstuhl. Ein gepolsterter oder gefütterter Stuhl, im Oberd. ein
Sessel. Sich auf einen Stuhl setzen. Jemanden einen Stuhl reichen. Vom Stuhle
aufstehen. Von dem Stuhle fallen. Figürlich. Sich zwischen zwey Stühle setzen,
von beyden nichts bekommen, von zwey Dingen, welche man haben könnte, keines
bekommen. Jemanden den Stuhl vor die Thür setzen, plötzlich alle Verbindung mit
ihm aufheben, eigentlich, ihn aus dem Hause stoßen. Seht doch, gleich den Stuhl
vor die Thür gesetzt! Gell. 2. Figürlich, der Sitz eines geistlichen oder
weltlichen Regenten, ingleichen eines Richters oder eines Gerichtes, kommt noch
häufiger unter dem Nahmen eines Stuhles vor. Schon Ottfr. und Notker gebrauchen
Stual und Stuol für Thron, und in der Deutschen Bibel kommt es in dieser
Bedeutung mehrmahls vor, da es denn zugleich die königliche Würde bezeichnet.
Der Stuhl des Königes, 1 Mos. 41, 40. 1 Kön. 1, 46. Der Stuhl des Herren, des
großen Gottes, 2 Mos. 17, 16; Ps. 9, 5, 8. Gott wird Christo den Stuhl seines
Vaters David geben, Luc. 1, 32. Die Stühle der Gewaltigen stürzen, Weish. 6, 1.
Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet, wo man es nur noch von
den Thronen der geistlichen Fürsten gebraucht. Der päpstliche Stuhl, oder der
Stuhl zu Rom, d. i. so wohl der päpstliche Thron, als auch der Papst mit seinem
Hofe, der päpstliche Hof. Zuweilen auch noch von Erzbischöfen und Bischöfen.
Der erzbischöfliche oder bischöfliche Stuhl. Der Stuhl zu Mainz, der Erzbischof
zu Mainz mit seinem Kapitel. Auch ein Gericht oder Gerichtshof wird noch
zuweilen ein Stuhl genannt. Der Freystuhl, Landstuhl, ein Freygericht,
Landgericht. Der Gerichtsstuhl, Rechtsstuhl, Schöppenstuhl, Dingestuhl.
S. auch einige der folgenden Zusammensetzungen.
[
473-474] (b) In der anständigern Sprechart ist der
Stuhl, und vollständiger Nachtstuhl, Leibstuhl, Kammerstuhl, ein ähnlicher
durchbrochener Sitz, den Leib darauf zu entladen. Zu Stuhle gehen, Richt. 3,
20, auf den Stuhl gehen, im mittlern Latein. adsellare; welche R. A. auch oft
überhaupt so viel bedeuten, als auf den Abtritt gehen. Figürlich ist der Stuhl
in der anständigen Sprechart theils der Stuhlgang, die Entladung des Leibes
durch den After: keinen Stuhl haben, keinen offenen Leib, drey Stühle gehabt
haben, es gehet Blut durch den Stuhl mit ab; theils auch die Excremente selbst.
Ein blutiger Stuhl, flüssiger Stuhl, harter Stuhl.
[
473-474]