Strecken
, [
431-432] verb. reg. act. heftig oder
sehr in die Länge ausdehnen, wie das niedrigere recken. 1. Eigentlich. Das
Leder strecken, bey den Gärbern und andern Lederarbeitern, es durch Ziehen in
die Länge ausdehnen. Bey den Jägern wird der Zeug gestreckt, wenn die Leinen
scharf angezogen und die Tücher und Netze dadurch ausgedehnet werden. Die
Schmiede strecken ein Stück Eisen, wenn sie es länger und dünner schmieden, im
Gegensatze des Stauchens. Sich strecken, sich dehnen, in der niedrigen
Sprechart sich recken, in Baiern sich stranzen. Figürlich, alle Kräfte an etwas
strecken, wofür man doch lieber sagt, alle Kräfte anstrengen. Ich strecke mich
zu dem was da vornen ist, Phil. 3, 23; eine gleichfalls veraltete Figur. Sehr
oft verlieret sich der Begriff der Heftigkeit oder der scharfen Anstrengung,
und lässet nur den Begriff der Ausdehnung in die Länge übrig. Ein fleißiges
Weib strecket ihre Hand nach dem Rocken, Sprichw. 31, 19. (
S. Ausstrecken.) Sich in das Gras strecken, legen.
Indeß, daß er einsam ins Gras gestreckt mit irrenden Blicken den Himmel
durchlief, Geßn. Sich nach der Decke strecken, sich nach seinen Kräften, nach
seinem Vermögen richten. Alle viere von sich strecken, ausgestreckt da liegen
im gem. Leben. Der Weg streckt sich sehr in die Länge. Daher wird gestreckt
zuweilen für lang gebraucht. Ein Pferd ist gestreckt wenn es eine schöne Länge
hat. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung, so daß auch der Begriff der
Ausdehnung verschwindet. Die Jäger strecken das geschossene Wildbret, wenn sie
es auf den Boden der Länge nach hinlegen. Das Gewehr strecken, es der Länge
nach auf den Boden legen. Im Bergbaue wird das Feld gestreckt, wenn es der
Länge nach vermessen wird. Wenn Frisch behauptet, daß strecken in einigen
Gegenden auch pflügen bedeute, so ist er ohne Zweifel durch das Nieders.
strecken dazu verleitet worden, welches den Acker stürzen, ihn zum ersten Mahle
pflügen bedeutet, und im Hochdeutschen nicht strecken sondern streichen heißt.
So auch das Strecken. Anm. Bey dem Kero, Notker u. s. f. strecchan, im Nieders.
gleichfalls strecken, im Schwed. sträcka, im Angels. strecan, im Engl. to
stretch. Es ist vermöge des verdoppelten Gaumen- lautes ein Intensivum von
streichen, und gehöret zu dem Geschlechte der Wörter Strich, strack (Lat.
stricte,) und ohne Zischlaut zu dem Nieders. trecken, ziehen, und ohne t zu
recken, reichen, richten u. s. f. Das vorgesetzte st scheinet hier ein
Intensivum zu bezeichnen. Ehedem ging es irregulär, in welcher Form es noch in
einigen Gegenden üblich ist, ich strackte, gestrackt, bey dem Stryker ich
strachte. [
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