Stellen
, [
347-348] verb. reg. act. welches das
Factitivum von stehen ist. Es bedeutet, 1. im eigentlichsten Verstande, stehen
machen, einen in der Bewegung begriffenen Körper zum Stehen bringen. Im
Schwedischen sagt man, ein Pferd stellen, (stalla,) es zum Stehen bringen, und
das Griech. hier nichtlateinischer Text, siehe Image bedeutet
gleichfalls sistere. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung nur noch in einigen
Fällen und Gegenden üblich. Bey den Jägern stellet der Hund ein Wild, wenn er
es zum Stehen bringet, und das Wild stellet sich, wenn es vor dem Hunde stehen
bleibt. In einigen Gegenden stellet man die Milch, wenn man sie zum Gerinnen
bringet. Im Oberdeutschen sagt man auch das Blut stellen, wofür wir stillen
gebrauchen. Eben daselbst stellet man auch das Wasser, wenn man es stauet oder
stauchet, d. i. dessen Ablaß hindert. Er zertheilete das Meer und stellete das
Wasser wie eine Mauer, Ps. 78, 13. Im gemeinen Leben sagt man noch, einen Dieb
stellen, durch abergläubige Künste machen, daß er auf der Flucht stehen muß.
Vermuthlich gehöret dahin auch die in einigen Gegenden übliche R. A. das Bier
stellen, der Würze die Häfen geben, und sie zur Gährung in Ruhe bringen,
welches in dem Stellbottiche geschiehet, der einen beweglichen Boden (der
Stellboden) hat. 2. In weiterer und gewöhnlicherer Bedeutung. (1) Ein Ding in
diejenige Lage bringen, in welcher es stehet. (a) Eigentlich; wo es in manchen
Fällen mit setzen gleich bedeutend ist, in manchen aber nicht mit demselben
verwechselt werden darf, besonders wenn von Körpern die Rede ist, an welchen
man die Zustände des Stehens, Sitzens und Liegens genau zu unterscheiden
pflegt. Sich in das Fenster, in die Thür, an den Ofen, vor den Tisch, an den
Weg, in den Weg stellen. Sich auf den Kopf stellen. Einen Verbrecher an den
Pranger stellen. Den Stock in den Winkel, den Stuhl an die Wand, ein Ding an
seinen Ort stellen. Etwas gerade stellen. Die Soldaten in Ordnung, eine Armee
in Schlachtordnung stellen. Die Bücher in das Bücherbret stellen. Jemanden oben
an, in die Mitte stellen. (b) Figürlich, in verschiedenen einzelnen Arten des
Ausdruckes. Sich zur Wehre stellen, wofür man auch setzen sagt. Jemanden zur
Rede stellen oder setzen. Jemanden etwas vor Augen stellen, (
S. auch Vorstellen.) Einen Gefangenen auf freyen Fuß
stellen oder setzen. Eine Sache dahin stellen, sie dahin gestellt seyn lassen,
sie unentschieden lassen, sein Urtheil darüber zurück halten. Jemanden auf die
Probe stellen oder setzen. Seine Hoffnung, sen Vertrauen auf etwas stellen,
besser setzen. Etwas in Vergessenheit stellen, es vergessen, in Zweifel
stellen, es bezweifeln, in Zweifel ziehen. Jemanden zufrieden stellen, machen
daß er sich zufrieden gebe. Stellen sie sich zufrieden, geben sie sich
zufrieden. Und vielleicht noch andere mehr. (2) Oft deutet dieses Zeitwort
anstatt des Begriffes des Stehens die gehörige und zu der Absicht dienliche
Lage der Theile eines Dinges an. (a) Eigentlich. Die Jäger stellen den Zeug,
die Garne, Tücher und Lappen, wenn sie selbige um eine Gegend ziehen und in der
gehörigen Lage aufrichten. Eine Falle stellen, ihre Theile in diejenige Lage
bringen, in welcher sich ein Thier darin fangen kann. So auch Schlingen
stellen. Ein Netz stellen, Ps. 9, 16. Daher die figürliche R. A. jemanden nach
dem Leben stellen, ihm nach dem Leben stehen oder trachten. Einem ein Bein
stellen, es ihm unterschlagen. (
S. auch Aufstellen und Nachstellen.) Das Geschütz
stellen, wofür doch richten üblicher ist. Eine Uhr stellen. (Siehe auch
Bestellen und Anstellen.) (b) Figürlich. aa) Ehedem sagte man auch häufig ein
Buch, eine Schrift, einen Brief, ein Testament, eine Rede u. s. f. stellen, sie
entwerfen, verfertigen; vermuthlich zunächst, die Theile, woraus sie bestehen
soll, die Sätze und Worte, gehörig ordnen. Jemanden die Nativität stellen.
Einen Kalender stellen. Stelle ihnen Rechte und Gesetze, 2 Mos. 18, 20. Ach,
daß meine Reden in ein Buch gestellet würden! Hiob 19, 23. Derselbige Prediger
stellete viel Sprüche, Pred. 12, 9. Sintemahlen sichs viele unterwunden haben,
zu stellen die Rede von den Geschichten, Luc. 1, 1; zu entwerfen, aufzusetzen.
Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet; welche doch noch in
Briefsteller und Schriftsteller übrig ist. bb) Sich stellen, den Theilen seines
Körpers eine gewisse zu Erreichung eine Absicht dienliche Lage geben. Sich
ungeberdig stellen. Er stellet sich, als wenn er zugreifen wollte. Besonders
durch sein Äußeres einen Zustand annehmen, welchen man nicht wirklich hat. Sich
krank stellen. Sich fremd, lustig, traurig stellen. Sich unwissend, unschuldig
stellen. Er stellete sich, als wenn es ihm leid wäre, als wenn er nichts davon
wüßte, als wenn er mich nicht gesehen hätte. Er stellet sich nur so, es ist
nicht sein wahrer Ernst.
S. Gestalt, Anstellen, Verstellen und Stellung. (3)
Zuweilen bedeutet es nur, ohne Rücksicht auf die vorigen Nebenbegriffe,
persönlich gegenwärtig machen. Jemanden stellen, ihn gleichsam zur Stelle
bringen. Einen flüchtigen Missethäter aufhalten und stellen. Jedes Dorf muß
fünf Mann Recruten stellen. Einen Bürgen stellen. Zeugen stellen. Einen andern
Mann an seinen Platz stellen. Sich stellen, sich auf Befehl persönlich
einfinden.
S. auch Einstellen. Daher das Stellen und die Stellung,
S. das letztere an seinem Orte besonders. Anm. Bey dem
Notker stellen, im Nieders. gleichfalls stellen, im Schwed. ställa. Das Griech.
hier nichtlateinischer Text, siehe Image hat viele Bedeutungen
[
349-350] mit unsrem stellen gemein, z. B. hier
nichtlateinischer Text, siehe Image, verstellen. Stellen gründet sich
entweder auf eine eigene Onomatopöie des Setzens mit Nachdruck, oder es ist
auch vermittelst der Ableitungssylbe -len von stehen gebildet; stehelen, stehen
machen, wovon unser stellen wieder das Intensivum ist, aus welcher Form auch
der Begriff der Ordnung und gehörigen Lage der Theile, welcher diesem Zeitworte
in seinen meisten Bedeutungen anklebt, erkläret werden kann. In vielen
Oberdeutschen Mundarten ging dieses Zeitwort ehedem irregulär; Imperf. ich
stallte, Mittelw. gestallt. Daher rühren noch die Zusammensetzungen Anstalt,
Gestalt, Gestaltet. [
349-350]