Die Stelle
, [
347-348] plur. die -n, Diminut.,
welches doch nur im Scherze üblich ist, das Stellchen, der Ort, welches ein
Ding einnimmt. 1. Eigentlich. Einen Stein, ein Buch auf eine andere Stelle
legen. Eine Last nicht von der Stelle bringen können. Das Pferd will nicht von
der Stelle. Nicht von der Stelle weichen. Nicht von der Stelle kommen können.
Wo überall die Stelle verstanden wird, in und auf welcher man sich befindet.
Seine Stelle behaupten, verändern. Sich auf eines andern Stelle setzen. Ihm
brennt die Stelle unter den Füßen, oder die Stelle brennt unter ihm, sagt man
von jemanden, der sich in einem hohen Grade der Ungeduld befindet.
Räume, bitt ich, bey den Deinen Mir ein Stellchen wieder ein,
Gryphe.
Auf der Stelle, ein figürlicher Ausdruck für, den Augenblick,
ohne allein Aufschub, gleichsam ohne seine gegenwärtige Stelle zu verlassen,
bey dem Ottfried in theru stalla, in diesem Augenblicke. Auf der Stelle
hingehen, sogleich. In engerer Bedeutung ist zur Stelle kommen in der
vertraulichen Sprechart, an denjenigen Ort kommen oder gelangen, wohin man
wollte, wofür man noch häufiger sagt, an Ort und Stelle kommen, an den Ort, wo
man wohnhaft ist, wohin man gehöret, oder doch, wohin man wollte. Nach einer
ähnlichen Einschränkung ist Stelle zuweilen in engerer Bedeutung, die einem
Dinge gebührende Stelle, das Verhältniß des Ortes in der Reibe der neben
einander befindlichen Dinge. Ein Ding wieder in seine Stelle setzen. Seine
Stelle einnehmen. Das steht nicht an seiner Stelle, oder an seiner rechten
Stelle. Jedes Triebrad muß sein Verhältniß und seine Stelle haben, sonst machen
sie kein Ganzes einer Maschine. Die oberste, die unterste Stelle. 2. Figürlich.
(1) Eine Stelle aus einem Buche, einer Schrift, vermuthlich nach dem Latein.
locus, ein oder mehrere zusammen gehörige Sätze. Biblische Stellen,
Schriftstellen, Stellen aus der Bibel, im gemeinen Leben Sprüche. Eine Stelle
anführen. Ich finde viele Stellen in diesem Briefe, die mir bedenklich sind.
(2) Das Verhältniß eines einzelnen Gliedes in der bürgerlichen Gesellschaft, wo
es oft für Bedienung, Amt, u. s. w. gebraucht wird. Eine einträgliche Stelle.
Jemandes Stelle bekommen. Eine höhere Stelle erhalten. Eine Stelle im Rathe
haben. Die Rathsstelle, Hauptmannsstelle, Amtmannsstelle u. s. f. Diese Stelle
ist schon vergeben. Stelle ist hier ein sehr allgemeiner Ausdruck, der bloß das
Verhältniß in der Reihe der neben einander befindlichen Glieder der
Gesellschaft ausdrückt. Im Österreichischen wird es auch für ein Departement
gebraucht. So bestehet die oberste Justiz Stelle zu Wien, aus einem
Präsidenten, verschiedenen Assessoren, Hofräthen, Secrete- rien u. s. f. (3) In
weiterm Verstande bezeichnet es zuweilen den Zusammenhang von Verhältnissen,
worin man sich befindet, wo auch Stall üblich ist. Setzen sie sich an meine
Stelle, stellen sie sich vor, sie befänden sich in eben den Verhältnissen, in
eben den Umständen, worin ich mich befinde. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, so
würde ich es nicht thun. In (An) die Stelle der Sinnlichkeit tritt die
Verläugnung unserer angenehmsten Empfindungen, Gell. (4) Nach einer noch
weitern Figur bedeutet es oft den Zusammenhang der Obliegenheiten, zu welchen
man vermöge dieses Verhältnisses verbunden ist. Jemandes Stelle vertreten, das
thun, was er persönlich thun sollte, es in seinem Nahmen thun, es an seiner
Stelle thun. Jemandes Stelle versehen, in eben diesem Verstande. Einen andern
an seine Stelle schicken. Ich schämete mich an ihrer Stelle, für sie, in ihrem
Nahmen. Vaterstelle bey einem Kinde vertreten. Im Oberdeutschen und in der
höhern Sprechart ist außer der Zusammensetzung auch hier Statt üblich. Anm. Bey
dem Notker Stal, im Schwed. Ställe, im Angels. Stealle, Steale. Die
Niedersachsen gebrauchen dafür Stede. In der Schweiz sagt man noch jetzt die
Stahl, und im Plural Stähle, für Stelle. Ort, Platz, Statt, Stätte und Stelle
werden sehr oft als gleich bedeutend gebraucht, und in den meisten Fällen kommt
es bloß auf den Gebrauch an, ob dieses oder jenes üblicher ist. Indessen findet
allerdings ein allgemeiner Unterschied Statt, auch ohne Rücksicht auf die
Etymologie. Ort ist allgemeiner, und bezeichnet überhaupt den bestimmten Theil
des Raumes, welchen ein Ding einnimmt; Stelle scheinet zunächst, auch wo dieser
Begriff nicht deutlich hervor sticht, das bestimmte Verhältniß des Ortes in der
Reihe der neben einander befindlichen Dinge zu bezeichnen, welcher Begriff in
dem Zeitworte stellen am merklichsten ist. Platz bedeutet die ebene Fläche, auf
welcher sich ein Ding mit seiner Grundfläche befindet, und ist, wenn es für
Stelle gebraucht wird, mehr dem gemeinen Leben eigen, so wie Statt und Stätte,
mehr Oberdeutsch und daher mehr in der edlern Schreibart üblich sind.
[
347-348]