Sitzen
, [
113-114] verb. reg. neutr. welches das
Hülfswort haben erfordert; Imperf. ich saß, Conj. säße; Mittelw. gesessen;
Imper. sitze, sitz. Es ist in einer doppelten Hauptbedeutung üblich. I. Sich
gesetzet haben, d. i. diejenige Stellung wirklich haben, da man den Leib auf
den Hintern niederlässet, und ihn also zur Ruhe bringet, zum Unterschiede von
dem Stehen und Liegen; in welcher Bedeutung die Oberdeutschen es mit dem
Hülfsworte seyn, die Hochdeutschen aber mit heben verbinden. 1. Eigentlich. Wir
sitzen schon. Bleiben sie sitzen, stehen sie nicht auf. Auf einem Stuhle, auf
der Bank, auf dem Bette, auf der bloßen Erde sitzen. Auf dem Pferde sitzen. Gut
zu Pferde sitzen, im Reiten einen guten Anstand haben. Wir haben den ganzen Tag
gesessen. Bey Tische sitzen, d. i. speisen; außer dem sagt man am Tische oder
vor dem Tische sitzen. Am Ofen, an der Wand, im Fenster, in der Thür sitzen.
Bey oder neben jemanden sitzen. Oben an, unten an sitzen. Einem zur Rechten
sitzen. Sich müde sitzen. Hier sitzt sichs gut, übel u. s. f. für man sitzt
hier gut oder übel. Auf ähnliche Art, wie der Mensch, sitzet auch der Hund, die
Katze u. s. f. Allein das Geflügel sitzet, wenn es sich auf die Brust und den
Bauch nieder thut. In engerer Bedeutung ist auf den Eyern sitzen, und oft nur
sitzen, schlechthin, so viel wie Brüten. 2. In weiterer und figürlicher
Bedeutung. (1) In einigen Fällen gebraucht man dieses Zeitwort von solchen
Verrichtungen, welche sitzend geschehen, da es denn zuweilen auf besondere Art
construirt wird. Dem Mahler sitzen, sich mahlen lassen, weil man dabey sitzet.
Beicht sitzen, sitzend die Beicht oder Beichtenden anhören. Einem Beicht
sitzen.
Dem Priester nur geziemt, daß er euch Beichte sitzt, Haged.
Auf ähnliche Art sagt man im Niederdeutschen, Recht sitzen,
das Gericht hegen. Die biblischen R. A. zu Gericht und am Gericht sitzen,
Gericht halten, sind im Hochdeutschen veraltet. Wohl aber sagt man, mit im
Rathe sitzen, mit im Gerichte sitzen, mit in der Commission sitzen, ein Glied
eines solchen Collegii seyn, weil selbiges sein Amt sitzend verwaltet. In
engerer Bedeutung ist der sitzende Rath, nicht allein der versammelte Rath,
sondern, wo das gesammte Raths-Collegium in zwey oder drey Classen getheilet
ist, wovon alle Jahre Eine an die Regierung kommt, da ist der sitzende Rath,
diejenige Classe, welche eben jetzt die Regierung hat. So auch der sitzende
Bürgermeister, der regierende. (2) Ehedem gebrauchte man es auch für wohnen,
seinen dauerhaften Aufenthalt an einem Orte haben, in welchem Verstande es aber
veraltet ist. Dagegen bedeutet es in manchen Fällen noch, sich in einer mit
Ruhe, mit Mangel der Bewegung verbundenen Art des Zustandes befinden. Immer zu
Hause sitzen, nicht aus dem Hause gehen. Immer über den Büchern sitzen. Im
Kothe sitzen bleiben, nicht aus dem Kothe können. Auf Rechnung sitzen, einem
Amte auf Rechnung vorstehen, so daß man dem Eigenthümer die Ausgaben und
Einnahmen berechne. Er sitzt warm, im gemeinen Leben, er befindet sich in einem
guten Wohlstande. Stille sitzen, nicht wirksam seyn, nicht handeln. Im
Gefängnisse oder gefangen sitzen, sich im Gefängnisse befinden, wofür man auch
nur sitzen schlechthin sagt. Schulden wegen sitzen, nähmlich gefangen. Auf den
Tod sitzen, wegen eines Verbrechens, welches den Tod verdienet. Sitzen lassen,
bedeutet theils ohne seinen Willen zurück lassen. Viel Geld im Spiele sitzen
lassen. Die Belagerer haben viele Mannschaft vor der Stadt sitzen gelassen.
Theils vorsetzlich verlassen. Es kommt den vornehmen Herren nicht daraus an,
ihre Weiber sitzen zu lassen, und sich mit andern zu schleppen. Also will er
meine Tochter sitzen lassen? Gell. sie seinem Versprechen zu wider nicht
heirathen. Sitzen bleiben, wider seinen Willen unverheirathet bleiben, von dem
andern Geschlechte. (3) Von leblosen Dingen gebraucht, bedeutet es oft, theils
sich auf eine dauerhafte Art an einem Orte befinden, theils nur überhaupt, sich
an einem Orte befinden. (a) Eigentlich. Der Hut sitzt nicht fest. Das Bret
sitzt fest, sitzt locker. Es sitzet vieler Schleim auf der Brust. Es sitzt ihm
auf der Brust. Hier sitzet mirs, hier fehlet mirs. Die Schuld nicht auf sich
sitzen lassen. Nichts auf sich sitzen lassen, sich gegen jede Beschuldigung
verantworten. (b) In engerer Bedeutung mit den Nebenwörtern gut, schlecht u. s.
f. von der Art und Weise, wie ein solches Ding in die Augen fällt, doch nur von
Kleidungsstücken; wofür auch stehen üblich ist. Das Kleid sitzt ihnen
vortrefflich. Der Mantel sitzt dir nicht gut. Ehedem war es hier im weiterm
Verstande üblich, und wurde überhaupt für kleiden, anstehen, anständig seyn,
gebraucht, von welcher Bedeutung noch das Hauptwort Sitte übrig zu seyn
scheinet. Schon Ottfried gebraucht es in diesem weitern Verstande. Anm. In
dieser ganzen ersten Hauptbedeutung bekommt es im Oberdeutschen das Hülfswort
seyn. Christus ist gesessen zur Rechten Gottes, in der Deutschen Bibel, für
hat.
Ich empfinde fast ein Grauen, Daß ich Plato für und für Bin
gesessen über dir, Opitz.
Ein sitzendes Leben, sitzende Arbeit, wobey man viel sitzt,
ist wider die Analogie und nur im gemeinen Leben üblich. Ein gesessener Mann,
d. i. ein ansässiger, ist eben so unrichtig, aber auch nur im Oberdeutschen
gangbar. II. * In mehr thätiger Bedeutung, doch immer noch als ein Neutrum,
diese Stellung nehmen, für sich setzen; eine im Hochdeutschen veraltete
Bedeutung, welche aber im Oberdeutschen gangbar ist.
Ein Stein, der traf den Jeger, das Er vor Amacht darnieder
saß, Theuerd. Kap. 37 Er saß auf ein resches Pferd. Kap. 84.
Ein jeglicher saß auf sein Maulthier, 2 Sam. 13, 29. Sitzet
auf die Rosse, Jet. 46, 9. Alle Fürsten am Meer werden herab von ihren Stühlen
sitzen, Ezech. 26, 16. Sitz hin zu meiner rechten Hand, Opitz. Ps. 110. Laßt
uns hier auf die höhern mit Moos bedeckten Steine uns sitzen, Geßn. Wo es
überall für sich setzen stehet. Im Hochdeutschen gebraucht man es in dieser
Bedeutung zuweilen in den Zusammensetzungen aufsitzen, zu Pferde steigen, sich
zu Pferde setzen, absitzen, von dem Pferde oder Wagen steigen. So auch das
Sitzen.
S. auch Sitzung. Anm. Schon im Isidor und Kero sitzen,
sizzan, bey dem Ulphilas sitan, im Nieders. sitten, im Angels. sittan, im Engl.
to sit, im Schwed. sitta, im Slavon. sedeti, im Griech. hier
nichtlateinischer Text, siehe Image, im Lat. sedere. Das z, tz, oder tt
in sitzen und sitten, ist ein Zeichen eines Intensivi, dagegen das Gothische
sitan, das Lat. sedere u. s. f. einfacher sind. Das Stammwort ist das noch im
Nieders. übliche sied, niedrig (
S. Seit;) wer sitzet, erniedriget sich, der persönlichen
Höhe nach. Ottfried gebraucht auch sidelen für sitzen, und Notker siden, für
wohnen. Das Activum oder vielmehr Factitivum von Sitzen, ist setzen.
S. dasselbe, ingleichen Saß, Satz, Siedel, Sessel u. s.
f. [
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