Schrecken
, [
1647-1648] ein Zeitwort, welches in
doppelter Gestalt üblich ist, und zugleich auf doppelte Art conjugiret wird.
Überhaupt ist es eine Onomatopöie, welche einen gewissen Laut nachahmet, und
daher von mehrern sehr verschiedenen Veränderungen gebraucht wird, wenn
dieselben mit einem und eben demselben Laute verbunden sind. Es ist, I. Ein
Neutrum, welches bald regulär, bald aber auch irregulär abgewandelt wird, und
im letztern Falle so gehet: ich schrecke, du schrickst, er schrickt, Imperf.
ich schrak; Mittelw. geschrocken. 1. * Als eine Nachahmung einer lauten
plötzlichen Stimme, so wohl bey Menschen als Thieren, wo es das Hülfswort haben
bekommt, und der Form nach das Intensivum von schreyen ist. Es ist in dieser
Bedeutung im Hochdeutschen ungewöhnlich, außer daß es noch bey den Jägern von
dem Wildbrete und Rehbocke gebraucht wird, wenn sie etwas ungewöhnliches
erblicken, und daher einen plötzlichen Laut von sich geben, welches auch
melden, und bey dem Rehe schmälen genannt wird. Sie pflegen es auch wohl
regulär abzuwandeln. Der Rehbock schreckt, hat geschreckt. Daß es ehedem in
mehrern Fällen üblich gewesen, erhellet auch aus dem Hauptwort Schrecke. In den
verwandten Sprachen kommt es noch häufiger vor, wohin das Schwed. skrika, das
Intensivum von skria, schreyen, das Isländ. skraeka, das Engl. to shriek und to
screch, das Isländ. schreacham, das Ital. scricciolare, schreyen, und Scriccio,
ein heftiges Geschrey, und ohne Zischlaut das Griech. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - und -
hier nichtlateinischer
Text, siehe Image - , und das Wallische Criccied, der Lärm, gehören. 2. *
Mit einem ähnlichen hellen durchdringenden Laute zerspringen oder platzen, wo
es mit dem Hülfsworte seyn gebraucht wird, im Hochdeutschen aber gleichfalls
unbekannt ist. Das Glas schrickt, ist geschrocken. In Manchen Provinzen ist
dafür schricken üblich, welches alsdann regulär abgewandelt wird, und von
welchem die zweyte und dritte Person des Präsentis, du schrickst, er schrickt,
des Hochdeutschen Neutrius schrecken, besonders in erschrecken entlehnet sind.
Das Glas wird im Feuer schricken. Das Eis ist geschrickt. Es ahmet eigentlich
den mit dem Springen oder Platzen verbundenen Laut nach, und ist mit krachen
verwandt. Die Ital. scricchiare, criccare, cricchiare, bedeuten gleichfalls
springen, platzen.
S. der Schreck. 3. In eine plötzliche und heftige
Bewegung gerathen, eine plötzliche und heftige Bewegung machen; zunächst auch,
den mit dieser Bewegung oft verbundenen Laut von sich geben; wo ihm gleichfalls
das Hülfswort seyn zu gebühren scheinet. 1) * Eigentlich, wo es ehedem sehr
häufig für springen, salire, gebraucht wurde, im Hochdeutschen aber gleichfalls
veraltet ist. Bey dem Ottfried skrikkan, si skrigtin, sie sprangen, eben
derselbe. Bey dem Notker screcchen. Unser Schrecke in Heuschrecke stammet davon
her. In weiterer Bedeutung wurde es ehedem auch von mehrern Arten schneller
Bewegungen gebraucht; so ist in der Monseeischen Glosse danscrichan von dannen
fliegen. 2) * Durch den plötzlichen Anblick einer unerwarteten Sache in eine
heftige Erschütterung gerathen, wo es besonders von der heftigen Erschütterung
und damit verbundenen Empfindung des Gemüthes üblich ist, welche durch den
plötzlichen Anblick eines Übels verursacht wird. Es ist auch hier veraltet,
seitdem das intensive erschrecken dafür gangbar geworden, welches denn, so wie
dieses veraltete schrecken, irregulär angewandelt wird, und das Hülfswort seyn
erfordert. Daß die Figur von der heftigen Erschütterung oder dem Zusammenfahren
entlehnet worden, welches mit dem Schrecken verbunden ist, erhellet unter
andern auch aus dem Lat. tremere, trepidare, und dem Nieders. verfähren,
erschrecken, welches von fahren, abstammet, so wie unser befahren, und das
Intensivum fürchten. Frisch und andere bleiben bey der Bedeutung des Springens
stehen, weil man im Erschrecken oft aufzuspringen pfleget. II. Als ein Activum,
mit regulärer Abwandlung, folglich du schreckst, er schreckte, ich schreckte,
habe geschreckt. 1. * Springen, und in weiterer Bedeutung plötzlich fallen
machen, niederstürzen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher
noch Notker sagt: screche sie nieder, stürze sie zu Boden. In weiterer
Bedeutung und ohne Zischlaut ist im Schwed. und Isländ. reka jagen, treiben. 2.
Plötzlich in eine heftige Erschütterung versetzen. 1) Eigentlich; wo es nur
noch in einigen Fällen üblich ist. So wird z. B. in den Küchen eine Speise
geschreckt, wenn sie schnell mit etwas Flüssigem begossen, schnell und nur ein
wenig geröstet u. s. f. wird. 2) Figürlich, durch plötzliche Vorhaltung eines
unerwarteten Übels in eine heftig unangenehme Empfindung versetzen. Ich will
Friede geben, daß ihr schlafet und euch niemand schrecke, 3 Mos. 26, 6. Er ließ
sehr blitzen und schreckte sie, Ps. 18, 15. Angst und Noth schrecken ihn, Hiob
15, 24. Die Thiere werden dich schrecken Hab. 3, 17. Jetzt ist auch in dieser
weitern Bedeutung das intensivere erschrecken üblicher, und das einfache
Zeitwort wird gemeiniglich nur alsdann gebraucht, wenn man jemanden durch
plötzliche Vorhaltung eines Übels zu etwas zu bewegen sucht, ohne ihm dieses
Übel wirklich zuzufügen. Ich wollte ihn nur schrecken. Jemanden mit etwas
schrecken. Die Kinder mit dem Mummel schrecke. So auch das Schrecken. Anm. In
dieser letzten figürlichen Bedeutung lautet dieses Zeitwort schon bey dem
Stryker schrechen. Auch im Pohlnischen ist scrogi schrecklich, grausam.
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1647-1648]