Schlimm
, [
1533-1534] -er, -ste, adj. et adv. 1. *
Schief, von der geraden Horizontal- oder Perpenticular-Linie abweichend; eine
im Hochdeutschen unbekannte, aber in den gemeinen Ober- und Niederdeutschen
Sprecharten sehr gangbare Bedeutung; Oberd. schläm, schliem, und mit einem
andern Endlaute schläb, Nieders. slimm, im Fries. slom, im Lat. ohne Zischlaut
limus. Einen schlimmen Hals haben, einen schiefen. Schlimm schreiben, schief.
Je schlimmer, je dümmer, ein Oberdeutsches Sprichwort. 2. Figürlich. 1) Sich
nicht wohl befindend, und zwar so wohl Neigung zum Erbrechen empfindend, für
übel, als auch Neigung zur Ohnmacht u. s. f. empfindend; im gemeinen Leben und
der vertraulichen Sprechart, und zwar nur als ein Nebenwort. Es ist mir recht
sehr schlimm. Wenn sie länger verziehen, so wird ihre Mama glauben, daß sie
sehr schlimm sind, Weiße. Es muß ihr wohl recht sehr schlimm seyn, Gell. 2)
Fertigkeit besitzend, alles mit übertriebener Schärfe und Pünctlichkeit zu
verlangen; auch nur im gemeinen Leben, wofür man auch böse, arg, gebraucht. Ein
schlimmer Hausherr, eine schlimme Frau. Sehr schlimm seyn. Die Männer sind
nicht alle so schlimm, als sie ausgeschrien werden. 3) Neigung und Fertigkeit
besitzend, Schaden, oder Böses zu thun, und in weiterer Bedeutung auch zuweilen
für schädlich, von Sachen; in beyden Fällen auch nur im gemeinen Leben. Ein
schlimmer Hund, ein schlimmer Knabe. Der Müßiggang, der schlimmste Feind der
Jugend, Gell. 4) Der Absicht, dem Endzwecke, der gehörigen Beschaffenheit
zuwider; in der vertraulichen Sprechart, für übel, böse, wo es doch im
Hochdeutschen nur in einigen Fällen üblich ist, in manchen Mundarten aber ohne
alle Einschränkung gebraucht wird. Es ist ihm sehr schlimm gegangen, sehr übel,
sehr schlecht. Das ist nun freylich ein schlimmer Umstand, ein übler. Schlimm
genug, daß man den Neid an so viel hundert albernen Menschen gewahr werden muß.
Ich würde am schlimmsten dabey zu recht kommen. Sie sagte, sie wäre unruhig,
und das war eben schlimm, Gell. Es stehet sehr schlimm mit ihm. Es sind
schlimme Zeiten. Die Sache könnte nicht schlimmer seyn. Ein schlimmer Weg.
Schlimmes Wetter. Da es denn in manchen gemeinen Sprecharten für schlecht
überhaupt, d. i. dem Verlangen, der Absicht, nicht gemäß, (ohne daß es eben
derselben zuwider sey,) gebraucht wird. Schlimme Augen haben, schlechte, welche
nicht mehr gut sehen. Anm. Die jetzt angeführten figürlichen Bedeutungen müssen
eben nicht alle Figuren der schiefen Richtung seyn, indem schlimm, aber ohne
Intension schlem, schlim, wenn es in seinem Umfange und in Verwandtschaft mit
Schleim, lahm u. s. f. betrachtet wird, noch mehrerer eigentlicher Bedeutungen
fähig ist. Im Schwed. ist slem schändlich, und im Deutschen wurde schlimm
ehedem auch für geringe, bloß ungekünstelt gebraucht; ein schlimmer Edelmann,
der weiter nichts als ein bloßer Edelmann ist. Das Nieders. slimm bedeutet auch
schlau, verschlagen, selbst im guten, wenigstens im gleichgültigen Verstande;
er war mir zu schlimm, zu schlau. [
1535-1536]