2. Schließen
, [
1531-1532] verb. irreg. ich schließe, du
schließest, (Oberd. schleußest,) er schließt, (Oberd. schleußt;) Imperf. ich
schloß, Conj. schlösse; Mittelw. geschlossen; Imperat. schließe, schließ,
(Oberd. schleuß.) Es ist ursprünglich eine Onomatopöie, welche unter andern
auch den Schall eines Schlosses, wenn es abgelassen wird, ja den Laut sehr
vieler Dinge, womit eine Öffnung fest zugemacht wird, nachahmet, ob sich gleich
dieser erste nachgeahmte Begriff in denjenigen, in welchen es heut zu Tage
üblich ist, gar sehr verloren hat. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als
ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, eigentlich den Laut von sich geben,
verursachen, welchen dieses Zeitwort nachahmet. Es ist in dieser Gestalt nur in
einigen wenigen Fällen üblich. 1. Ein Schlüssel schließet nicht, wenn er das
Schloß nicht öffnet. 2. Eine Öffnung genau decken oder ausfüllen. So sagt man,
eine Thür schließe nicht, wenn sie nicht genau auf dem Thürfutter anlieget,
sondern beträchtliche Zwischenräume läßt. Der Reiter schließt, wenn er im
Reiten die Schenkel fest an das Pferd anlegt. Geschlossen reiten, die Schenkel
fest an das Pferd anlegen. (
S. Schluß, ingleichen sich schließen bey dem folgenden
Activo.) 3. Sich endigen. Darf ich bitten, daß die Unterredung hier
schließe? wo doch das folgende Activum in Gestalt eines Reciproci üblicher ist,
(
S. dasselbe.) 4. Das schließt nicht, sagt man, wenn ein
Satz nicht aus einem andern erkannt werden kann, wofür das Zeitwort folgen
üblicher ist.
S. das folgende Activum. II. Als ein Activum, eigentlich
die mit diesem dem Zeitworte eigenthümlichen Laute verbundene Veränderung mit
einem Dinge vornehmen. 1. Von Schlössern und den mit Schlössern versehenen
Öffnungen, besonders in den Zusammensetzungen abschließen, aufschließen,
zuschließen, verschließen, einschließen u. s. f. In einigen Fällen wird auch
das einfache schließen anstatt des zusammen gesetzten zuschließen oder
verschließen, gebraucht; die Thore schließen. Nach einer andern Figur schließet
man einen Verbrecher, wenn man ihm Fessel anleget, weil selbige mit einem
Schlosse versehen sind. Jemanden schließen lassen. Scharf geschlossen seyn.
Einen Dieb in Ketten und Banden schließen.
S. auch Schließer. 2. In weiterer Bedeutung ist
schließen dem öffnen entgegen gesetzt, und wird alsdann als ein edlerer
Ausdruck für das niedrigere zumachen gebraucht. 1) Eigentlich, was körperlich
offen ist; wo es doch nicht in allen Fällen üblich ist, in welchen der Begriff
des Zumachens Statt findet. Einen Schwibbogen schließen, wenn er oben mit dem
Schlußsteine zugemacht wird. Die Augen schließen, so wohl für schlafen, als
auch für sterben. Ich habe die Nacht kein Auge geschlossen. Die Nächte, wo du
deine Augen nicht schlossest, waren auch für mich schlaflos, Dusch. Und wenn
der Tod mein Auge schließt. Einen Winkel schließen, beyde Schenkel desselben
vermittelst einer Linie verbinden. So auch das Reciprocum sich schließen. Eine
Blume schließt sich, wenn sie sich zuthut. Die Muschel schließt sich. Die Wunde
wird sich bald schließen. Ein Pferd heißt, in der Sprache der Pferdekenner
geschlossen, wenn die Flanken ausgefüllet sind und die Ründe des Bauches
annehmen, welches auch gut abgerippt genannt wird, weil es auf den Bau der
Rippen ankommt. Die Soldaten schließen sich, wenn sie nahe an einander treten,
so daß kein Zwischenraum bleibt. Fest geschlossen aufmarschiren. 2) Figürlich.
(a) Von allen Seiten umgeben, und dadurch gleichsam überall zumachen. Einen
Kreis schließen, von Personen, wenn sie sich nahe an einander in einen Kreis
stellen. Eine geschlossene Jagd, wenn das Revier, wo gejaget wird, mit Zeug
umstellet ist. Ein geschlossenes Land, welches auf allen Seiten gegen einen
Feind verwahret ist. Nach einer noch weitern Figur ist ein geschlossenes Land,
Territorium clausum, in welchem alle Einwohner zugleich Vasallen und
Unterthanen des Landesherren sind, im Gegensatze eines ungeschlossenen, welches
auch Güter enthält, die dem Landesherren nicht unterworfen sind. dahin gehöret
nach einer neuen Figur auch die R. A. etwas in sich schließen, in sich fassen,
in sich enthalten. Die Freundschaft ist oft ein Werk der Natur und des Umgangs,
das gegenseitige Neigungen und Dienstleistungen in sich schließt. Mit einem
schwachen Nebenbegriffe des Drückens schließet man jemanden in seine Arme, wenn
man ihn aus Liebe oder Freundschaft mit den Armen umfasset. Die Hände in
einander schließen.
Bald schlossen alle Hand in Hand, Ein Reihentanz ward
angefangen, Uz;
wo es eine in diesem Verstande sonst ungewöhnliche neutrale
Gestalt hat. (b) Der Zeit, Zahl oder andern Umständen nach einschränken; wo es
doch nur in einigen Fällen üblich ist, besonders in dem Mittelworte
geschlossen. Eine geschlossene Jagd, wo nicht jedermann, sondern nur der
Eigenthümer jagen darf. Die geschlossene Zeit, in welcher eine gewisse Handlung
verbothen ist; so werden in der Römischen Kirche die Fastenzeit, wo das
Fleischessen verbothen ist, die Advents-Zeit, wo das Heirathen verbothen ist,
u. s. f. geschlossene Zeiten genannt. Ein geschlossenes Handwerk, von welchem
an einem Orte nur eine gewisse Anzahl Meister seyn dürfen. Eine geschlossene
Wiese, auf welcher nicht gehüthet werden darf. Eine geschlossene Gesellschaft,
theils, welche nur aus einer bestimmten Anzahl Mitglieder bestehet, theils aber
auch überhaupt, in welche ohne Einwilligung der Glieder kein anderer Zutritt
haben kann. (c) Zu Stande bringen, von allen Arten der Verträge, wenn sie auf
eine rechtsbeständige bündige Art zu Stande gebracht werden. Einen Vergleich,
einen Handel, Frieden, einen Vertrag, ein Bündniß, einen Kauf u. s. f.
schließen. Die Ehen werden im Himmel geschlossen. Personen, die auf das Geheiß
ihrer Herzen unter der Billigung der Klugheit das Bündniß der Ehe schlossen,
Gell. Der Handel ist geschlossen. Er wird noch heute kommen, diese Sache mit
ihr zu schließen. In einigen Fällen auch absolute. Der Gesandte hat Vollmacht
zu unterhandeln, aber nicht zu schließen. (d) Endigen, zu Ende bringen; doch
nur in einigen Fällen. Einen Brief, eine Rede, eine Predigt, ein Gebeth
schließen. Das Jahr schließt sich. Eine Rechnung schließen. Den Reichstag
schließen. Eine Reihe schließen, der letzte in derselben seyn; der Bedeutung
nach als ein Neutrum, [
1533-1534] obgleich der Form nach
ein Activum. Es scheinet, daß es hier mit legt verwandt ist, wo die Intension
statt des vorgesetzten sch durch Verhärtung des mittlern Zischlautes
ausgedruckt worden. Im Schwedischen ist slita und im Nieders. sliten zu Ende
bringen, endigen, dagegen schließen in den übrigen Bedeutungen daselbst sluten
und sluta heißt. 3. Aus Einem oder mehrern Vordersätzen herleiten, einen Satz
aus der Wahrheit Eines oder mehrerer anderer erkennen; einen Schluß machen. Die
Unsterblichkeit der Seele aus ihrem einfachen Wesen schließen, oder, aus dem
einfachen Wesen der Seele auf ihre Unsterblichkeit schließen. Falsch schließen,
richtig schließen. Da Cajus nicht gekommen ist, so ist daraus zu schließen, daß
er nicht wohl seyn müsse. Da in der gegenwärtigen Welt fast alles nur Anlage
ist, so läßt sich daraus auf die Gewißheit einer künftigen Einrichtung der Welt
schließen. Wenn es jemand sähe, so würde er gewiß auf eine starke
Vertraulichkeit schließen, Gell (
S. auch Schluß.) Es ist hier ohne Zweifel nach dem Lat.
concludere gebildet. Alle Wörter, welche Wirkung des Geistes bezeichnen, sind
Figuren körperlicher Handlungen. Welche Figur hier zum Grunde liege, läßt sich
nicht mit Gewißheit bestimmen, indem schließen, wenn man es in seinem ganzen
Umfange nimmt, so daß auch schleißen, Schloße u. s. f. mit dahin gehören, sehr
vieldeutig ist, und schließen auch von mehrern Wirkungen des Geistes gebraucht
wird, wie aus den Zusammensetzungen beschließen und entschließen erhellet. In
Boxhorns Glossen bedeutet List einen Schluß. Daher das Schließen, und in
einigen wenigen Fällen der ersten eigentlichsten Bedeutung die Schließung.
S. auch Schluß. Anm. Bey dem Ottfried sliazen, im
Nieders. sliten, und wenn es zu Ende und zu Stande bringen bedeutet, sluten, im
Schwed. Sluta; ohne Zischlaut, der hier entweder eine Intension bezeichnet,
oder auch ein bloßes Eigenthum der Mundart ist, im Lat. claudere, cludere,
clausus, clusus, im Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - und -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Daß
aber auch der Gaumenlaut hier nicht wesentlich ist, erhellet aus dem Schwed.
Las, Isländ. Las, ein Schloß, lasa und lata, schließen; woraus denn erhellet,
daß im weitesten Umfange auch unser lassen mit zu dem Geschlechte dieses Wortes
gehöre. Mit einem andern Endlaute ist im Engl. to lock, schließen, (
S. 1 Lücke.) Das Hebr. -
hier nichtlateinischer
Text, siehe Image - , ein Schlüssel, scheint sich der Griechischen und
Lateinischen Form zu nähern.
S. übrigens auch Schloß und Schluß.
[
1533-1534]