Schleichen
, [
1513-1514] verb. irreg. Imperf. ich
schlich; Mittelw. geschlichen; Imper. schleiche, schleich. Es ist eine
unmittelbare Nachahmung des langsamen, leisen, kaum in das Gehör fallenden
Ganges, und in weiterer Bedeutung einer solchen Bewegung, und ist in doppelter
Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert, sich
auf solche Art fortbewegen. 1. Für kriechen, doch zunächst nur von solchen
Thieren, welche ohne alle Füße sich durch Bewegung des Leibes fortbewegen,
dagegen kriechen sehr kurze Füße voraus setzet. Die Schlangen schleichen. Was
auf Erden schleicht, soll euch unrein seyn, 3 Mos. 11, 41 f. Im Hochdeutschen
ist es in dieser Bedeutung wenig gangbar, weil man dafür kriechen gebraucht,
selbst von solchen Gewürmen, welche aller Füße beraubt sind.
S. Blindschleiche. 2. Einen leisen und dabey langsamen
Gang haben, leise und langsam gehen, besonders so fern man dadurch seinen Gang
zu verheimlichen sucht, und in weiterer Bedeutung, sich auf solche Art
unbemerkt bewegen. 1) Eigentlich. Er schleicht wie eine Katze, wie ein Fuchs.
Er ist davon geschlichen. Ein alter Bauer, der mit seinem Knotenstocke an der
Hecke schlich, Jacobi.
Gleich schlich zu seinem Glücke ein siecher Alter vor ihr
Haus, Gell. Und schleicht mit scheuem Blicke Und mehr als dieb'scher Furcht
zurücke, Haged.
Die Pest, die im Finstern schleicht, Ps. 91, 6. Schleichend
kommen, wofür doch, wie bey den meisten übrigen Zeitwörtern der eigenen
Bewegung, das Mittelwort der vergangenen Zeit, geschlichen kommen, üblicher
ist. Das Blut, das so träge in deinen Adern schleicht.
Ha, wenn ein solcher Wunsch in meine Seele schlich, Weiße.
Ingleichen in Gestalt eines Reciproci, wo es aber eigentlich
das folgende Activum ist, daher alsdann auch wie alle Reciproca das Hülfswort
haben bekommt. Jetzt schlich ich leise zu ihrem Bette mich hin, Geßn. Sich in
das Haus schleichen. Er schlich sich ganz leise wieder nach seinem Zimmer.
Diese Thräne, die sich aus ihrem Auge schleicht, Less. In meine Spiele
schleicht sich nicht späte Klage, Weiße. 2) Figürlich. (a) Ein so schleichendes
Fieber, welches den Kranken langsam und unbemerkt auszehret. (b) Ein Stück
Butter zerschleichen lassen, in den Küchen, es langsam und bey gelinder Wärme
zergehen lassen. (c) In seinem Betragen mit merklicher Verheimlichung seiner
Absichten und Mittel verfahren. Von einem solchen Menschen sagt man, er
schleiche. Ein schleichendes Wesen haben. Siehe Schleicher. II. Als ein
Activum, auf eine leise und langsame Art fortbewegen; wo es doch nicht so
gangbar ist, als das vorige Neutrum. Hier schlich sie ihre Hand in die seine.
Verbothene Waaren in eine Stadt schleichen, heimlich bringen, wofür doch
schleifen üblicher ist. So auch das Schleichen. Anm. Bey dem Ottfried sleihen,
bey dem noch ältern Kero slihhan, von welcher Form das Imperfect und Mittelwort
unsers schleichen herstammen, im Nieders. sliken, im Schwed. slika, slinka, im
Angels. mit dem Naselaute slincan, im Lettischen slenku. Es ist eine
unmittelbare Nachahmung des Lautes und daher mit Schlick und Schlich, Schleiche
u. s. f. in welchen der Begriff des Schleimigen und Glatten der herrschende
ist, nahe verwandt.
S. auch Schleifen, welches diesem Zeitworte nahe
angehöret. [
1515-1516]