Schicken
, [
1437-1438] verb. reg. act. et neutr. im
letzten Falle mit haben, welches der Form nach so wie schichten das Intensivum
von einem veralteten schichen, schihen oder schehen ist, und ursprünglich eine
schnelle aber doch härtere Bewegung ausdrucket, als dieses. Nach einer sehr
gewöhnlichen Figur wurde es nachmahls von mancherley Handlung gebraucht, welche
mit einer schnellen Bewegung und ihrem eigenthümlichen Laute verbunden sind.
Daher wird es noch jetzt in mehrern dem Anscheine nach sehr verschiedenen
Bedeutungen gebraucht, welche sich doch insgesammt auf eine und eben dieselbe
Onomatopöie gründen. 1. Die Bewegung eines andern Dinges beschleunigen; wo es
zu dem Geschlechte der Wörter scheuchen, schächen im gemeinen Leben für jagen,
Ital. cacciare, dem Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - kommen, und andern ähnlichen Wörtern mehr gehöret. Es ist hier
noch in einem doppelten Falle üblich. 1) Für eilen, als ein Reciprocum. Schickt
euch, eilet, macht fort. Ich will mich schicken, eilen. Das Beywort geschickt
wird noch für behende, schnell und leicht in seinen Bewegungen gebraucht. 2) In
weiterer Bedeutung, machen, daß ein Ding an einem andern Orte gegenwärtig
werde; wo es doch nur noch in einigen Fällen gebraucht wird, weil die meisten
Arten dieser Handlung ihre eigenen Nahmen haben, wohin z. B. werfen, tragen,
fahren u. s. f. gehören. In engerer Bedeutung schickt man so wohl Personen als
Sachen. Personen werden geschickt, wenn man ihnen Befehl oder Auftrag
ertheilet, sich an einen Ort begeben. Der Ort, wohin man schickt, bekommt die
Vorwörter zu, in, nach, an u. s. f. Einen Bothen nach der Stadt, in die Stadt
schicken. Schicke deinen Bedienten zu mir. Eine Armee in des Feindes Land
schicken. Zu jemanden schicken. Seinen Sohn auf Reisen schicken. Jemanden in
das Elend schicken, ihn verweisen. Zuweilen stehet auch die dritte Endung der
Person. Schicke mir deinen Bruder, oder schicke ihn zu mir. Die Sache, welche
der geschickte hohlen soll, bekommt das Vorwort nach. Nach Brot, nach Wein,
nach dem Doctor schicken. Ich will nach der Wache schicken. Im Oberdeutschen
gebraucht man das Vorwort um; um Brot, um den Doctor schicken. Die Sache,
welche der geschickte thun soll, kann zuweilen durch den bloßen Infinitiv
ausgedruckt werden. Ein Kind schlafen schicken. Da dieses Zeitwort, wenn es von
Personen gebraucht wird, einen Befehl, oder doch einen vertraulichen Auftrag
voraus setzt, so verstehet es sich von selbst, daß man dieses Wort nicht
gebrauchen kann, wenn man nur zu bitten hat, und sich mit Anstand und
Behuthsamkeit ausdrucken will. Einen Höhern schickt man nicht. Sachen werden
geschickt, wenn man sie durch einen dritten an einen Ort bringen, oder daselbst
gegenwärtig werden läßt. Jemanden ein Packet Waare schicken. Was hat dir dein
Freund geschickt? Ich will es dir durch deinen Bedienten schicken. Einen Brief
auf die Post, Waaren mit der Post schicken. Güter nach Leipzig, nach London
schicken, es geschehe nun zu Wasser oder zu Lande, auf welche Art es wolle. In
beyden Fällen ist dieses Wort, wie schon Stosch bemerket, in gemeinen Leben und
der vertraulichen Sprechart am üblichsten; in der höhern gebraucht man dafür
senden, besonders wenn von wichtigen Dingen und Personen die Rede ist. Eben
dieses gilt auch von den Zusammensetzungen abschicken, verschicken,
einschicken, wegschicken u. s. f. In weiterm Verstande sagt man, jemanden in
die andere Welt schicken, mittelbarer oder unmittelbarer Weise die Ursache
seines Todes seyn. Ein Buch in die Welt schicken, es heraus geben. 3)
Figürlich, in der Reihe der zufälligen Dinge wirklich werden lassen, besonders
von der Einrichtung der menschlichen Veränderungen, welche ohne unser Zuthun
erfolgen; fügen. Der Herr schickts also, 2 Sam. 17, 14, füget, ordnet, verhängt
es so. Gott schickt dem Menschen Krankheit, Leiden u. s. f. Sprichw. Gott muß
es schicken, wenn es soll glücken. Ingleichen als ein Reciprocum, so fern man
solche Veränderungen einem Zufalle oder Ungefähr zuschreibt. Es kann sich noch
wunderlich schicken. Was seyn soll, schickt sich gleichwohl. Es mußte sich
schicken, daß ich ihn zu Hause antraf. Man weiß oft nicht, wie sich etwas
schicken soll. Es kann hier als das Factitivum von schehen in geschehen
angesehen werden, geschehen machen; indessen findet auch die folgende Bedeutung
des Ordens, Anordnens, Statt.
S. auch Schicksal, Schickung und Geschick. 2. Geschäfte
verrichten; eine gleichfalls von der Bewegung entlehnte Figur, wovon schäften,
geschäftig und Geschäft nur im Endlaute verschieden sind. Es ist hier als ein
Neutrum üblich, wird aber nur noch hin und wieder im gemeinen Leben gebraucht.
Er hat immer was zu schicken, ist immer geschäftig. Ich mag nichts mehr mit ihm
zu schicken haben, zu thun. Sie sollen mit ihm nichts schicken und tauschen,
und der Schick soll nichts gelten, bey einem Schweizerischen Schriftsteller, wo
zugleich das im Hochdeutschen unbekannte Schick zu bemerken ist. 3. In engerer
Bedeutung werden verschiedene besondere Arten der Geschäftigkeit durch dieses
Zeitwort ausgedruckt. 1) Rüsten, sich rüsten. Schicket euch, und sie schickten
sich, 1 Kön. 20, 12. Sich zur Arbeit, zur Reise, zum Tode, zum Sterben
schicken. Es schickt sich alles zum Winter. Der Himmel schickt sich zum Regen.
Figürlich auch sich gefaßt halten. Schicke dich zur Anfechtung, Sir. 2, 1. Als
eine Figur kann auch der sonst ungewöhnliche biblische Gebrauch angesehen
werden. Er schickte sein Herz nicht, daß er den Herrn suchte, 2 Chron. 12, 14.
Die ihr Herz schicken, Gott zu suchen, Kap. 30, 9. Schicke dich Israel, begegne
deinem Gott, Hos. 4, 12. Frühe will ich mich zu dir schicken, Ps. 5, 4. 2) Die
nöthige Ordnung, Gestalt und Fähigkeit zu etwas ertheilen. Im Schwedischen ist
skicka ordnen, in Ordnung bringen. Im Oberdeutschen sagt man noch, eine Materie
zu einer Gestalt schicken, d. i. bilden, ihr eine Gestalt ertheilen. Daher das
Ober- und Niederdeutsche Schicken, die Gestalt. Er schickt sich albern dazu,
sagt man von jemanden, der sich bey einer Handlung oder Verrichtung auf eine
ungewöhnliche Art anstellet. Im Hochdeutschen wird es nur als ein Reciprocum im
figürlichen Verstande gebraucht, sich schicken, das nöthige Verhältniß, die
nöthige Gestalt, die nöthige Fähigkeit, kurz, jede nöthige Beschaffenheit im
Verhältnisse gegen ein anderes Ding haben. Der Rock schickt sich nicht zur
Weste, es sey nun in Ansehung der Größe, oder der Farbe, oder sonst einer
andern Rücksicht. Die Antwort schickt sich nicht zu der Frage. Cajus schickt
sich gar nicht zu dem Amte, hat nicht die nöthigen Eigenschaften dazu. Das
schickt sich nicht zur Sache. Zwey Personen schicken sich gut zusammen, wenn
sie beyde die zu einer Absicht erforderlichen Eigenschaften haben. (
S. auch Geschickt.) Aber, sich in etwas schicken heißt
die nöthige Fähigkeit, Willigkeit und Einsicht zu etwas erlangen. Er weiß sich
gut in die Sache zu schicken. Sich in sein Elend schicken, dasselbe mit
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1439-1440] Gelassenheit ertragen. Sich in jedermann zu
schicken wissen, sich nach jedes Gemüthsart richten. Sich in die Zeit schicken,
sich nach den Umständen derselben betragen. Ingleichen, eine Sache nach ihren
Gründen einsehen; ich kann mich in seine Schmeicheleyen gar nicht schicken,
wofür doch sich finden üblicher ist. 3) Im engsten Verstande schickt sich ein
Ding, wenn es dem Wohlstande gemäß ist. Das schickt sich nicht für dich, ist
deiner Würde nicht angemessen. Schmeicheleyen schicken sich für keinen
gesetzten Mann. Es schickt sich nicht, daß man zur Zeit der Trauer bunte
Kleider trage. Das würde sich nicht schicken. Daher das Schicken, welches doch
in den reciproken Bedeutungen ungewöhnlich ist. Das Hauptwort die Schickung
siehe an seinem Orte besonders. Anm. Frisch und andere haben schon bemerket,
daß dieses Wort bey unsern ältesten Oberdeutschen Schriftstellern nicht
angetroffen wird, ob es gleich alles Ansehen eines alten Wortes hat. Es
scheinet zunächst aus der Niederdeutschen Mundart herzustammen, in welcher es
gleichfalls schicken, so wie im Schwed. skicka, lautet. Es ist allem Ansehen
nach das Intensivum, und in manchen Fällen das Factitivum, von schehen in
geschehen, so wie schickten dessen Intensivum in andern Rücksichten ist. Mit
der ältesten Bedeutung der heftigen Bewegung sind auch schaukeln, das veraltete
schaken, stoßen, Franz. chocquer, u. a. m. verwandt. Provinzielle Bedeutungen
sind noch das Ober- und Niederdeutsche aufschicken, aufputzen, eigentlich in
die Ordnung stellen, das bey den Jägern übliche beschicken, befruchten, das
Oberd. Schick, Anlaß, Gelegenheit, Ursache u. s. f.
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1439-1440]