Scheinbar
, [
1399-1400] -er, -ste, adj. et adv.
welches nach Maßgebung des Hauptwortes Schein verschiedene Bedeutungen hat. 1.
Was sehr merklich gesehen wird, für augenscheinlich; eine im Hochdeutschen
veraltete Bedeutung, in welcher Scimbar schon bey dem Notker vorkommt.
Liebt nicht mit Worten nur allein Laßt eure Liebe scheinbar
seyn, Durch wahren Mund und rechte Thaten, Opitz.
Im gemeinen Leben einiger Gegenden ist das verlängerte
scheinbarlich noch in diesem Verstande gangbar. Gott hat ihn scheinbarlich
gestraft. Ein scheinbarliches Wunder. Beydes für augenscheinlich. Ottfried
gebraucht dafür das gleichfalls veraltete scinhaft. 2. Was einen Schein, d. i.
ein helles Licht hat. 1) Eigentlich; wo es gleichfalls veraltet ist. 2)
Figürlich, ein gutes äußeres Ansehen habend; in welchem Verstande es noch hin
und wieder gebraucht wird. Eine Waare scheinbar machen, ihr ein gutes äußeres
Ansehen geben. So auch der Gegensatz unscheinbar. Nach einer noch weitern Figur
gebraucht Notker scinbar für berühmt. 3. Den Schein von etwas habend, ohne es
wirklich zu seyn, und in engerer Bedeutung, den Schein der Wahrheit habend. Die
scheinbare Unschuld des Spieles verleitete ihn zur Sicherheit. Sie stand in
einer scheinbaren Verlegenheit auf. Ein scheinbarer Vorwand, eine scheinbare
Entschuldigung, scheinbare Gründe. Eine scheinbare Tugend. Der scheinbare Ort
eines Sternes, der Ort, wo der Stern gesehen wird, aus welchem er uns in die
Augen fällt; im Gegensatze des wahren Ortes, wo er wirklich befindlich ist. In
allen diesen Fällen wird Schein, dem was die Sache wirklich ist, mehr oder
weniger entgegen gesetzet. [
1401-1402]