Der Schatten
, [
1369-1370] des -s, plur. ut nom. sing. 1
Eigentlich, das dunkele Bild eines Körpers, so fern dasselbe durch die Auf-
haltung der Lichtstrahlen entstehet. Seinen Schatten im Wasser sehen. Nach
einem Schatten greifen. Der Thurm wirft seinen Schatten gegen Abend. Du siehest
die Schatten der Bäume für Leute an, Richt. 9, 36. Es will Abend werden und die
Schatten werden groß, Jer. 6, 4. Abends, wenn die Schatten länger werden. Gegen
den Mittag werden die Schatten kürzer. Sprichw. Ein krummer Stecken kann keinen
geraden Schatten werfen. Seinen eigenen Schatten fliehen, figürlich, sich ohne
Ursache fürchten. Der Mensch fleucht wie ein Schatten, Hiob 14, 2. Unser Leben
ist wie ein Schatten, 1 Chron 30, 15. Ich fahre dahin wie ein Schatten, Ps.
109, 23. Lauter Morgenländische, theils von der Vergänglichkeit, theils von der
beständigen Bewegung des Schattens hergenommene Bilder. In einer andern
Rücksicht ist der Schatten ein sehr gewöhnliches Bild einer entkräfteten äußern
Gestalt. Er vergehet wie ein Schatten. Er siehet aus wie ein Schatten. Er ist
einem Schatten ähnlicher als einem Menschen. In dieser Bedeutung des durch die
Beraubung des Lichtes entstandenen dunkeln Bildes, sagt man nicht, einen
Schatten machen oder geben, welche R. A. nur in der folgenden Bedeutung üblich
sind, sondern einen Schatten werfen. 2. Figürlich. 1) Ein schwaches Bild, ein
einem andern nur auf eine unvollkommene Art ähnliches Ding. Die Physik der
Alten ist kaum ein Schatten von der neuern. Das Gesetz (das Ceremonial-Gesetz
des alten Testamentes) ist der Schatten von dem, das zukünftig war, Col. 2, 17,
eine unvollkommene sinnbildliche Vorstellung; daher man in dieser Rücksicht
auch den ganzen Jüdischen Gottesdienst des alten Testamentes einen
Schattendienst, ein Schattenwerk u. s. f. nennet. 2) Eine abgeschiedene Seele,
der Geist eines verstorbenen Körpers, heißt in der dichterischen Schreibart
häufig ein Schatten, Lat. Umbra. Laß deinen Schatten mir erscheinen.
Der Tod steht keinen Vorzug an, Und stellt den allergrößten
Mann Zum Pöbel der gemeinen Schatten, Haged.
Das Reich der Schatten, das Schattenreich, der Aufenthalt der
abgeschiedenen Seelen. 3. In weiterer Bedeutung, der Mangel des Lichtes in
einem erleuchteten Orte, so fern derselbe durch die von Körpern aufgehaltenen
Lichtstrahlen verursacht wird; wo der Begriff des Bildes verschwindet und nur
der Begriff der Dunkelheit übrig bleibt. 1) Eigentlich. Einen Schatten machen,
durch seine körperliche Masse die Lichtstrahlen aufhalten, welches in dieser
Bedeutung üblicher ist, als Schatten geben. Ein Körper stehet im Schatten, auf
der Seite, welche kein Licht empfängt. Bey den Mahlern ist der Schatten im
Gegensatze des Lichtes, dunkle Partien und Züge, welche den natürlichen
Schatten nachahmen, und zur Erhöhung der beleuchteten oder hellen dienen. Große
Lichter erfordern große Schatten, weil sie die Rubestellen für das Auge sind. (
S. Schattiren. Halbschatten und Schlatzschatten.) In
einigen biblischen Stellen wird es auf eine sonst ungewöhnliche Art für
Finsterniß überhaupt gebraucht. Die da saßen am Ort und Schatten des Todes,
Matth. 4, 16. 2) In engerer Bedeutung, Schatten vor den Sonnenstrahlen, mit dem
Nebenbegriffe der Kühle. (a) Eigentlich. Schatten geben, oder einem Schatten
geben, durch seine körperliche Masse die heißen Sonnenstrahlen abhalten; in
welcher Bedeutung man nicht gern Schatten machen, Schatten werfen aber gar
nicht sagt. Im Schatten sitzen. Sich in den Schatten setzen. In den Schatten
treten. Laß uns einen kühlen Ort suchen, und in den Schatten uns lagern, Geßn.
Ihr Büsche schließet mich in heil'ge Schatten ein, Cron.
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1371-1372] (b) Figürlich. aa) Ein
Schatten gebendes Gewächs; doch nur in der dichterischen Schreibart. Oft
besucht die Muse bemooste Hütten, um die der Landmann stille Schatten pflanzet,
Geßn. Wie wenn ich einen kühlen Schatten von fruchtbaren Bäumen hier pflanzte,
ebend. bb) Schutz, Schirm, Erquickung; eine besonders Morgenländische Figur, wo
der Schatten in der brennenden Hitze des Tages eine größere Wohlthat ist, als
in den gemäßigten Zonen. Beschirme mich unter dem Schatten deiner Flügel, Ps.
17, 8. Der Herr ist dein Schatten, Ps. 121, 5. Es nähert sich hier zugleich dem
Begriffe des verwandten Schutzes, wohin ohne Zischlaut auch Hütte und hüthen
gehören. Anm. Bey dem Willeram Scade, bey dem Notker Scato, Scatue, bey dem
Ulphilas Skadau, im Angels. Sceadu, im Engl. Shade, Shadow, im Holländ.
Schaduwe, im Wallisischen Ysgod, im Bretagnischen Skeut. Es scheinet, daß in
diesem Worte zwey verschiedene Hauptbegriffe liegen, die aber doch aus Einer
gemeinschaftlichen Quelle fließen, der Begriff eines Bildes, und der Begriff
der Dunkelheit; jener ist eine Figur des Lichtes, dieser aber des hohlen
Raumes, beyde aber stammen von dem Begriffe der Bewegung und ihrer Richtung
her. Zu der Bedeutung der Dunkelheit gehöret das Griech. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - ; Finsterniß. Was die Bedeutung eines
Bildes betrifft, so gehöret es hier zunächst zu schauen, und allen Wörtern
dieser Art, welche den Begriff des Lichtes voraus setzen; denn daß es hier am
Ende nur auf die Sylbe Scha ankommt, und daß das t oder n nur der Endlaut ist,
erhellet aus dem Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ,
dem Irländischen Ska, dem Holländ. Skuwe, dem alten Alemannischen im Tatian
befindlichen Scuwen, dem Schwedischen Skugga, dem Niederdeutschen Schemen und
Schemel, und dem Osnabrückischen Schär, welche aller Verschiedenheit der
End-Consonanten ungeachtet, insgesammt den Schatten bedeuten, besonders so fern
er ein dunkles Bild ist, aber alle ursprünglich Licht bezeichnen. Der Schatte,
für Schatten, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.
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1371-1372]