1. Schar
, [
1355-1356] ein uraltes Stammwort, welches
unter den gewöhnlichen Veränderungen und mit den gewöhnlichen Endlauten scharb,
scherb, schirm, schart, schurz u. s. f. im Deutschen und den verwandten
Sprachen in tausend Fällen vorkommt, daher hier etwas davon überhaupt gesagt
werden muß, damit man die Verbindung so vieler, dem Anscheine nach sehr
verschiedener Bedeutungen, desto besser übersehen könne. Ich setze dabey s, sch
und z als gleichbedeutend voraus, obgleich das sch wegen seines vollen Zischers
oft eine Intension bezeichnet, welche das z in einem noch höhern Grade
ausdruckt. Schar ist, wie alle Stammwörter, ursprünglich die Nachahmung eines
Lautes, welcher Laut mit vielen Arten von Veränderungen verbunden ist. Bey dem
Notker ist ohne Zischlaut Char der Ruf, das Geschrey. Sirmen, surmen, sind noch
im gemeinen Leben Nachahmungen einer Art eines Murmelns und Summens, wie das
Lat. susurrare. Im Schwed. ist Sorl das Getöse, und die Sirenen der Alten
hatten vermuthlich von ihrem Singen den Nahmen. Aus dem Lat. Sermo, und serere
in disserere, asserere u. s. f. erhellet, daß es auch die menschliche Rede, die
Sprache, bedeutet habe. Unser zirpen, das Latein. sorbere, das Intensivum
scharren, die Scharbe oder Schärbe, ein gewisser Vogel, u. a. m. beziehen sich
alle auf den eigenthümlichen Laut. Nach einer sehr gewöhnlichen Figur
bezeichnet es gewisse, mit diesem Laute verbundene Veränderungen und
Bewegungen, welche denn von sehr vielfacher Art sind. 1. In Ansehung der
Geschwindigkeit oder des Grades der Stärke. 1) Gewisse schnelle oder heftige
Bewegungen und Veränderungen. Daher die im gemeinen Leben üblicher schergen,
schürgen, antreiben, forttreiben, (siehe Scherge; schüren, scheren, vexare,
sehr, schier u. s. f.) Im Schwed. ist surra herum treiben, und serda, coire.
Das Lat. servire beziehet sich vermuthlich zunächst auf mühsame Handarbeit, mit
unser Scharwerk. In der Monseeischen Glosse ist Scara Frohne. Im
Mecklenburgischen bedeutet scharwachen sich schlaflos im Beete herum wälzen.
Besonders gehöret hierher der Begriff des Gehens, Wanderns, Reisens. Im Hebr.
ist ohne Zischlaut -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image -
wandern, wohin auch unser niedriges sich fortscheren, sich herscheren, sich
hinscheren, und das Lat. serere in deserere gehöret. Besonders des Reißens,
Theilens, Schneidens, Grabens u. s. f. eine in allen Sprachen sehr häufige und
fruchtbare Bedeutung. Es gehöret dahin unser Saraß, versehen, Schere, scheren,
Scharbe, scharben, schürfen, Scharte, Scherbe, ein zerbrochenes Stück, zerren,
Sarter, Zerter, die Schwed. skada, verletzen, Skara, eine Kerbe, Skänf, ein
Stückchen, Scherf, die Französ. dechirer, Serpe u. s. f. die Lat. Scarabaeus,
von dem Scharben oder Nagen, wie Käfer von kauen, Kiefer; Serra, eine Säge,
sarpere, schneiteln, sarrire, ausreißen, Hebr. -
hier nichtlateinischer
Text, siehe Image - ; das Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - , schneiden; das Oberdeutsche Schar, ein Maulwurf, Latein. Sorex,
Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , Schwed. Sork,
Wend. Kart; das Scheren oder Theilen der Weber, Schar, ein Theil in Heimschar
und Überschar, vermuthlich auch das Latein. Sors, unser Sorte, und hundert
andere mehr. Das Licht in allen Sprachen und in allen Fällen eine Figur der
schnellen Bewegung. Daher das Niedersächs. schier, hell, Schwed. skär, das Lat.
serenus, unser Zier, das Französ. Charbon, Kohle, eigentlich glühende Kohle,
Sirius, der Hundsstern, wegen seines hellen Lichtes, vielleicht auch die erste
Sylbe von Scharlach u. a. m. Eine andere eben so gewöhnliche Figur ist die
Bedeutung der unangenehmen Empfindung; daher unser sauer, so fern man es als
eine Erweiterung von saur ansiehet, das veraltete Sehr, Seer, der Schmerz,
unser Sorge, das Hebr. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ,
brennen, u. s. f. 2) Gewisse langsame Bewegungen. Besonders des Kriechens;
daher das Lat. serpere, kriechen, Siro, eine Filzlaus, serus, langsam, wovon
vielleicht vermittelst einer neuen Figur serius, ernsthaft, ist.
[
1357-1358] 2. In Ansehung der Leichtigkeit der Bewegung,
wo es in manchen Fällen ein Ausdruck der Flüssigkeit ist; wie das Lat. Serum,
vielleicht auch das alte Schor, Hor, Gohr, Koth, Schwed. Skarn, Griech.
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , und das Lat. Sordes. Der
Begriff der weichen Beschaffenheit läßt sich als eine Figur der Flüssigkeit
ansehen; daher -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , das
Fleisch, vielleicht auch sericus, seiden. 3. In Ansehung der Menge der in
Bewegung befindlichen Theile; wo es vornehmlich ein Ausdruck des sirmenden
Lautes vieler um und neben einander in Bewegung befindlicher Theile ist. Dahin
das Latein. serere, säen, ingleichen, ordnen, zusammen setzen, unser 2 Schar,
und ohne Zischlaut das Hebräische -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - , versammeln. Figuren davon sind die Begriffe des Gewinnens,
Bereinigens und Verbindens; wie sarcire, nähen, sticken, Soror, die Schwester,
das Schwed. skära, gerinnen, vielleicht auch Sera, ein Schloß, und serare,
aufschließen. Ingleichen der Begriff der Masse, wovon die Härte, Schwere, und
vielleicht auch die Trockenheit neue Figuren sind. Daher das Schwed. svar,
schwer, welches aber auch zu der Bedeutung der unangenehmen Empfindung gehören
kann, Skara, harter, fest gefrorner Schnee, das Nieders. sor, trocken, Griech.
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - trocknen. 4. In Ansehung
der Richtung der Bewegung oder Ausdehnung. 1) In die Länge; wie Series, eine
Reihe, Sarmentum, die Rede, Surus, ein Pfahl, Sorex, die Spitzmaus, Scirpus,
die Binse, das veraltete Serle, ein langer Balken. 2) In die Höhe. im mittlern
Lat. ist Essarum ein Damm, im Hebr. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - aufgehen, im Schwed. ein Felsen; wo aber auch die Bedeutung der
Masse, ingleichen der senkrechten Richtung mit eintritt, wie in dem veralteten
scharf, für schroff. Eine Figur davon ist das in so vielen Sprachen übliche
Sir, ein Herr, Hebr. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , und
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , ein Fürst. 3) In die
Länge und Breite, eine Fläche, Gegend zu bezeichnen; wie Schar in Oberschar,
siehe dasselbe. 4) In die Ründe; wie Sertum, ein Kranz, und unser Schurz, so
fern es auch eine Art des Kranzes ist. 5) In die Tiefe; daher die Benennung
eines hohlen Raumes, eines Gefäßes. Wie Sarg, Geschirr, Scherben, ein Gefäß,
das Lat. Seria, ein Faß, und Sarracum, ein Lastwagen, welches aber auch mit dem
Französ. Charrue und unserm Karren zu der Bedeutung des Reisens, Gehens,
gehören kann; die Zarge, der Scharren, für Schranne, das Griech. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - , eine Höhle, Sirus, u. s. f. Die
Decke, Bedeckung ist eine gewöhnliche Figur des hohlen Raumes. Ehedem war Särge
eine Tapete, Latein. ist Scortea eine lederne Decke, Schwed. Särk ein
Weiberhemd, unser Schürze, Schaur oder Schauer u. s. f. Nach einer noch weitern
Figur gehöret auch Schirm hierher. Im Hebr. ist -
hier nichtlateinischer
Text, siehe Image - ein Schild. Und so noch andere Bedeutungen mehr,
welche in obige Hauptclassen leicht einzuschalten sind.
[
1357-1358]