Rühren
, [
1205-1206] verb. reg. welches in
doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben,
sich bewegen, beweget werden, wo es ehedem von verschiedenen Arten der Bewegung
so wohl im eigentlichen als figürlichen Verstande gebraucht wurde. Daß es
ehedem auch fließen bedeutet habe, erhellet noch aus Ruhr 3. Im gemeinen Leben
wird röhren, welches eben dieses Wort ist, von dem Kieseln trockner Körper
gebraucht. Besonders bedeutete es 1) entstehen, seinen Ursprung von etwas
nehmen; wo es denn mit dem Lat. oriri überein kommt. Es ist in dieser Bedeutung
nur noch in einigen Fällen üblich. Von jemanden zu Lehen rühren, im
Lehenswesen, seinen Ursprung als ein Lehen von demselben haben. Außer welchem
Falle es nur noch in dem zusammen gesetzten herrühren üblich ist. Alles dieses
Unglück rühret von dir her. Der Verdruß rühret gemeiniglich daher, weil die
Begebenheiten unsern Ideen entgegen stehen, Sulz. 2) Sich in die Länge bewegen,
so fern sich die Bewegung bis an ein gewisses Ziel erstrecket. Die Leiter
rühret mit der Spitze an den Himmel, 1 Mos. 28, 12. Das Schwert rührete bis in
Himmel, Weish. 18, 16. Wofür man doch jetzt lieber das verwandte reichen
gebraucht. II. Als ein Activum oder vielmehr Factitivum, bewegen machen. 1.
Überhaupt, für bewegen, wo es vermöge seiner Ableitung einen etwas stärkern
Grad der Bewegung bezeichnet als regen. 1) Eigentlich. Der Vogelsteller ruhret
den Lockvogel, wenn er ihn vermittelst eines Fadens anziehet, damit er
flattere, (siehe Ruhrvogel.) Am häufigsten gebraucht man es reciproce und von
den Gliedern des Leibes. Sich nicht rühren können. Kein Glied rühren können.
Weder Hand noch Fuß rühren können. Die Zunge nicht rühren können. Rühre dich,
rühret euch, eine im gemeinen Leben üblich Antreibungsformel. 2) Figürlich,
sanfte Gemüthsbewegungen hervor bringen, wo es von sanften Gemüthsbewegungen
aller Art gebraucht wird. Jemanden rühren, ihn zu Mitleiden, zur Traurigkeit,
zur Liebe bewegen. Ihn rühret nichts. Einem das Herz rühren. Das rühret mich
nicht, bringt nicht die geringste Empfindung in meinem Gemüthe hervor. Wenn
mein Bitten sein Herz nicht rühren kann. Ich bin zu zärtlich gerührt, als daß
ich viel reden könnte. Der Anblick gerührter Freunde richtet uns sehr auf. Ein
rührender Anblick, rührende Ausdrücke, eine rührende Predigt. Das war sehr
rührend. Er schien über diese Güte so innig gerührt zu seyn, als über sein
Unglück. Unser Geist hat einen nothwendigen Hang, sich von jeder Art der
Schönheit rühren zu lassen. Schon Ottfried gebraucht es in dieser Figur
mehrmahls. 2. Besonders von verschiedenen einzelnen Arten der Bewegung. 1) Von
der thätigen Bewegung in gerader Richter, so fern sie sich bis an ein gewisses
Ziel erstrecket, und dasselbe gleichsam in Bewegung setzet. Seine Hand hat uns
nicht gerühret, 1 Sam. 6, 9. Die Hand Gottes hat mich gerühret, Hiob. 19, 21.
So bald ihn der Ostwind rühren wird, Ezech. 17, 10. Wofür man doch jetzt
anrühren und berühren gebraucht. Nach einer noch weitern Figur ist es noch in
einigen Fällen für treffen üblich. Von dem Blitze, von dem Donner gerühret
werden. Von dem Schlage (Apoplexia) gerühret werden. Ingleichen für schlagen.
Die Trommel, das Spiel rühren. 2) Von einer kreisförmigen Bewegung, doch nur so
fern sie alle Theile eines Körpers in Bewegung setzet. Den Brey rühren. Zwey
Dinge unter einander rühren. In etwas rühren. Besonders in den
Zusammensetzungen aufrühren, einrühren, umrühren. In einigen Gegenden wird auch
das Buttern rühren genannt. 3) In der Landwirthschaft ist das Rühren die
dritte, oder bey einigen die zweyte Art des Pflügens zur Wintersaat, da der
gebrachte oder gewendete Acker mit dem Rührhaken oder Hakenpfluge der Quere
nach überfahren wird, welches an einigen Orten auch hakenpflügen,
balkenstreichen, quieren, und wenn man sich statt des Hakenpfluges des
gewöhnlichen Pfluges bedienet, vierähren oder vierahrten genannt wird, (siehe
diese Wörter.) Den Acker rühren. Es scheinet hier ehedem pflügen, wühlen,
graben u. s. w. überhaupt bedeutet zu haben, und im Wend. ist ruju noch
aufwühlen. Daher das Rühren.
S. auch Rührung. Anm. Im Isidor chihruoran, hriran, bey
dem Ottfried und Notker ruoren, bey dem Ulphilas reiran, bey den heutigen
Oberschwaben ruaren, im Nieders. rören, im Schwed. röra, Isländ. reira, im
Angels. hreoran, Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - .
Auch im Arab. ist raraa die Augen bewegen. Aus der Endsylbe -ren erhellet
schon, daß es ein Intensivum oder Frequentativum von einem veralteten Zeitworte
ruhen, rahen, rohen ist, bewegen und beweget werden, welches auch in unserm
regen, Ruhe, und dem Nieders. raken, rühren, bewegen, zum Grunde liegt, und in
dem Lat. ruo, ruere, und dem Arab. raea, sich bewegen, noch unverändert
vorhanden ist. Mit veränderten Endlauten in der [
1207-1208] Stammsylbe gehören auch reden, bewegen, reiten, rahmen, reinen,
riesen, reisen u. s. f. zu dieser Verwandtschaft.
[
1207-1208]