3. Das Roß
, [
1163-1164] des -sses, plur. die -sse,
Dimin. das Rößchen, Oberd. Rößlein, ein Wort, welches überhaupt ein Pferd
bedeutet, aber doch in verschiedenen Einschränkungen vorkommt. 1) Im engern,
und wie es scheint, eigentlichsten Verstande ist das Roß ein Pferd edlerer Art,
welches besonders zum schnellen Reiten gebraucht wird, ein Läufer. Daß man
diesen Begriff ehedem sehr oft mit diesem Worte verbunden habe, erhellet aus
verschiedenen, schon von Frischen angeführten Stellen. In den
Braunschweigischen Statuten, in den Script. Brunsw. Th. 3, heißt es: tho dem
Herwede Hort dat beste Ors (welches mit Roß gleichbedeutend ist) is das dar
nicht, so schal me gheven dat beste Perd. Ingleichen: Redet eyn Mann nicht
wanne em de Rad riden hete, de soolde vor dat Ors X Solid unde vor dar Perd V
Solid gheven; d. i. sitzet ein Mann nicht auf, erscheinet er nicht zu Pferde,
wenn der Rath ihn aufsitzen heißt u. s. f. In dem Sachsenspiegel werden
folgende Arten von Pferden angeführet: Veltperde, (Ackerpferde,) Rideper, (ein
Reitpferd, womit man dem Lehensherren im Kriege dienen mußte,) Ridderperd,
(Ritterpferd,) Ors, (ein Läufer, Laufpferd,) Teldern, (Zelter,) Rungiden,
welches, nach dem Frisch, Equi militum sind. (
S. Du Fresne v. Roncinus, Runcinus, bey dem Hornegk aber auch
ein schlechtes, elendes Pferd bedeutet, Franz. Rencin, vielleicht ein
ausgedientes Soldatenpferd.) In Luthers Deutscher Bibel kommen die Rosse
noch sehr häufig vor, aber allemahl in solchen Stellen, wo muthige, schnelle
und kriegerische Pferde verstanden werden müssen. Im Hochdeutschen kommt es mit
diesen Nebenbegriffen nur noch in der dichterischen Schreibart vor. Gleich
einem ungezähmten Rosse, das noch kein Gebiß des Reiters gelehret hat, seine
Schritte mit Vorsicht abzumessen, Dusch. Die wiehernden Rosse tragen ihn hoch
auf Leichnamen her, Zach.
Durch das Gesträuch reißt sich das Roß Mit starkem Ungestüm,
Weiße. Auf Saten, die des Rosses Huf zertreten, Raml.
2) * In der entgegen gesetzten engern Bedeutung ist das Roß
in einigen Gegenden eine verächtliche Benennung eines schlechten, unbrauchbaren
Pferdes, wo es vielleicht eigentlich ein abgetriebenes, ausgedientes Lauf- oder
Kriegespferd bedeutet. Im Franz. ist Rosse, und im Ital. Rozza, gleichfalls ein
solches schlechtes Pferd, eine Mähre. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung
nicht üblich. 3) Im weitesten Verstande, in welchem es doch nur im
Oberdeutschen üblich ist, ist Roß ein jedes Pferd. Die Rosse oder Rösser
anspannen. Mit Roß und Wagen. Ein Kutschroß, Reitroß, ein Ackerroß u. s. f. Im
Hochdeutschen ist es für sich allein in dieser Bedeutung selten, wohl aber
gebraucht man es in derselben in vielen der folgenden Zusammensetzungen, wo Roß
- so viel als Pferd - bedeutet, da denn auch manche dieser Zusammensetzungen
mit beyden Wörtern, manche aber nur mit einem von beyden üblich sind; z. B.
Roßschwefel und Pferdeschwefel. Siehe Pferd Anm. 2, wo mehrere Nahmen dieses
Thieres angeführet werden. Anm. Schon bey dem Notker Ross, Holländisch Ros. Die
Größe dieses Thieres könnte sehr bequem als der Grund seiner Benennung
angesehen werden, da denn dieselbe ein Verwandter von Riese, Rieß, Groß u. s.
f. seyn würde; wenn nicht wahrscheinlicher wäre, daß dessen Geschwindigkeit,
besonders der zunächst zum Laufen und Reiten bestimmten Art, der Haupt- und
Stammbegriff wäre, da denn dieses Wort ein Verwandter von rasch, reisen, reißen
u. s. f. ist. Im Hebr. ist ruz, laufen, und Roz ein Läufer. (
S. Pferd. Anm. 1,) wo gezeigt worden, daß die meisten
gleichbedeutenden Nahmen einen ähnlichen Stammbegriff haben. Indessen scheint
in manchen der folgenden Zusammensetzungen, z. B. Roßameise, der Begriff der
Größe der herrschende zu seyn, so wie in manchen Fällen der Begriff der
schlechten, gröbern Beschaffenheit hervorsticht. Wenn Ottfried eine Eselinn Ros
nennt, so scheinet er damit überhaupt den Begriff eines zum Reisen oder Reiten
geschickten Thieres zu verbinden. Ehedem war für Roß im Deutschen auch Hors und
Ors üblich, und im Engl. ist Horse noch jetzt ein jedes Pferd, Angels. Hors, im
Schwed. Hors und Ors ein edles, muthiges Pferd, und im Böhm. Or ein Gaul; nicht
bloß als ein durch Versetzung des r aus Roß entstandenes Wort, sondern zunächst
als ein Verwandter von hurtig, Hirsch, so fern auch das letztere eigentlich den
Begriff der Geschwindigkeit hat. [
1163-1164]