2. Die Palme
, [
641-642] plur. die -n, ein im gemeinen
Leben noch sehr übliches Wort, welches vornehmlich in einer doppelten Bedeutung
vorkommt. 1) Die Augen oder Knospen an den Weinstöcken werden in den
Weinländern Palmen genannt. Man muß den Wein- stock heften, ehe die Palmen
ausschlagen, sonst wenn die Palmen an den Reben ausschlagen, thut man ihnen
leichtlich Schaden, Coler im Hausbuche bey dem Frisch. Ja im Nieders. heißen
alle Knospen Palmen, und im männlichen Geschlechte zuweilen Palme. Besonders
führen diesen Nahmen diejenigen Blüthknospen an den jungen Zweigen der Weiden,
Erlen, Haseln u. s. f. wohin die Bienen im Frühlinge zuerst fliegen. Daher wird
der Anfang des Frühlinges, wenn die Knospen an diesen Bäumen hervorkommen, die
Palmzeit genannt. 2) In engerer Bedeutung sind die Palmen, besonders in
Niedersachsen, die Blüthknospen der Weiden, Erlen, Haseln und anderer Gewächse,
welche in viele seidenartige Haare eingehüllet sind, und hernach die so
genannten Kätzchen geben. Weil sie um Ostern zum Vorscheine zu kommen pflegen,
so pfleget man sie auch Osterpalmen zu nennen. In andern Gegenden heißen sie
Minsel, (
S. das Wort.) Ein mit solchen Palmen oder Kätzchen
versehener Zweig des Weidenbaumes, welchen man in der Römischen Kirche am
Palmsonntage in Ermangelung echter Palmzweige zu weihen pflegt, wird
gleichfalls die Palme genannt.
S. Palmzweig. Anm. Es ist sehr wahrscheinlich, daß
dieses Wort die runde, erhabene Beschaffenheit der Knospen ausdruckt, da es
denn vermittelst des Ableitungslautes, m, von ball, boll, rund, abstammen, und
mit Ball, Beule, Bolle, Bühel u. s. f. Eines Geschlechtes seyn würde; wenn
nicht vielmehr die wollige Beschaffenheit der meisten Arten von Knospen zu
dieser Benennung Anlaß gegeben, da man es vielmehr zu Wolle und Fell rechnen
müßte. [
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