Nun
, [
537-538] im gemeinen Leben Nu, eine
Partikel, welche besonders in den figürlichen Bedeutungen im Deutschen von
einem sehr vielfachen Gebrauche ist, und zur Ründe, Annehmlichkeit und
Vollständigkeit der Rede überaus viel beyträgt. Sie wird so wohl eigentlich als
ein Nebenwort der Zeit, als auch figürlich in Gestalt eines Bindewortes
gebraucht. 1. Eigentlich, als ein Nebenwort der Zeit, den gegenwärtigen
Augenblick, die gegenwärtige Zeit zu bezeichnen. Ach, wollt ihr nun schlafen
und ruhen? Marc. 14, 41. Herr, nun lässest du deinen Diener in Friede fahren,
Luc. 2, 29. Nun ist es Zeit zu gehen. Siehest du es nun? Hörest du es nun erst?
Nun ists nicht mehr Zeit. Nun kommt er endlich einmahl. Aber was sagst du nun
dazu? Man hat seit langer Zeit daran gearbeitet, nun ist die Sache endlich zu
Stande gekommen. Ingleichen mit dem Vorworte von, von nun an, von dem
gegenwärtigen Augenblicke, von der gegenwärtigen Zeit an. Im Oberdeutschen
verbindet man es auch mit bis, bis nun zu, bis jetzt, welches aber im
Hochdeutschen ungewöhnlich ist. Nun und nimmermehr stehet sehr häufig mit einem
Nachdrucke für niemahls. Nein, nun und nimmermehr soll das geschehen, Gell.
Aber das Oberdeutsche nun und ewig für ewig, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.
Doch wird der große Zorn nicht nun und ewig währen, Opitz.
- Und euch dahin gesetzet, Da nun und ewiglich kein Auge wird
gesetzet, ebend.
Oft beziehet sich das nun zugleich auf eine vorher gemeldete
oder nachfolgende Sache, ohne doch die Bedeutung des gegenwärtigen Augenblickes
oder doch der gegenwärtigen Zeit auszuschließen; ein Gebrauch, welcher das Band
dieser eigentlichen Bedeutung der Zeit mit den folgenden figürlichen ausmacht.
Ich will nun gerne sterben, nachdem ich dein Angesicht gesehen habe, 1 Mos. 46,
30. Wenn er nicht die Wahrheit sagt, wem soll man nun glauben? Er hat sie zur
Frau verlangt, da sie arm war, nun soll sie ihn, da sie reich ist, zur
Dankbarkeit heirathen, Gell. Wo auch das da wegbleiben kann, wobey sich
zugleich das nun der folgenden Gestalt eines Bindewortes nähert: nun sie reich
ist, soll sie u. s. f. Ich habe immer geliebt, nun aber, da ich sehe, daß er
meine Liebe mißbraucht, hat sie ein Ende; oder, nun ich aber sehe, daß u. s. f.
Oft gehöret das nun und die ganze Bestimmung der gegenwärtigen Zeit wesentlich
zu der Rede, sondern scheinet vornehmlich um des Nachdruckes willen da zu
stehen. Wenn der Landmann in den frohen Saaten der reichen Ernte dankbar
entgegen stehet und nun schreckliches Ungewitter seine ganze Hoffnung danieder
schlägt, Sonnenf. In dieser ganzen Bedeutung der gegenwärtigen Zeit kommt nun
mit jetzt überein, welches letzterer man in der höhern Schreibart in diesem
Verstande dem nun gern vorziehet. Allein, jetzt erstrecket sich weiter, und
kann auch von einer den Augenblick vergangenen Zeit gebraucht werden, wo nun
ungewöhnlich ist. Erst jetzt ist er weggegangen, nicht erst nun. So wie es auch
die näher bestimmenden gleich und eben nicht vor sich leidet. Nu und Nun werden
zuweilen auch als Hauptwörter gebraucht, doch selten in der anständigen
Sprechart. In einem Nu, in einem Augenblicke, wo Nun ungewöhnlich ist.
Du sollst in einem Nu befreyet von Beschwerden, Ja gar ein
großer König werden, Willam.
S. die Anm. Das Nun oder Niemahls eines Christen. 2.
Figürlich, größten Theils in Gestalt eines Bindewortes, welches sich aber in
gar vielfacher Gestalt zeiget. 1) Eine Folge, eine Wirkung, und zuweilen auch
eine Schlußfolge zu begleiten. So beschneidet nun eures Herzens Vorhaut, 5 Mos.
10, 16. Bin ich nun Vater, wo ist meine Ehre? Mal. 1, 6. So halten wir es nun,
daß der Mensch gerecht werde u. s. f. Röm. 3, 28. Hast du nicht hören wollen,
nun so magst du fühlen. 2) Ingleichen die wirkende Ursache. Was habe ich
nunmehr zu hoffen, nun ich einen solchen Nebenbuhler habe? für nun da. (
S. die erste eigentliche Bedeutung.) Nun du nicht kommen
willst, so sollst du es auch nicht haben, für nun weil. Welche Ellipsen doch
behutsam zu gebrauchen sind, damit sie nicht zu hart werden. 3) Sehr häufig
wird es der erzählenden Art als eine bloße Verbindungs-Partikel der Glieder
einer Erzählung gebraucht. Da sie nun nahe bey Jerusalem kamen, Matth. 21, 1.
Nun war aber damahls ein Gebrauch u. s. f. Nun waren sie damahls nicht zugegen.
Hier bemerke ich nun ganz deutlich, oder nun bemerke ich hier ganz deutlich.
Für diesen Gewinst nun kaufe ich mir ein Haus. Glauben sie nun, daß sie ihnen
an der Gemüthsart nicht gleicht, so lassen sie sie fahren. Wo
[
539-540] doch der allzu häufige Gebrauch dieser
Partikel vermieden werden, muß. 4) Eben so häufig dienen sie etwas einzuräumen,
oder zuzugeben, besonders wenn es im Nachsatze compensiret wird. Nun ist zwar
gewiß, aber u. s. f. Je nun, du bist freylich nicht die schönste, aber du wirst
auch versorgt werden, Gell. Fliegen kann der Strauß nun wohl nicht, aber ich
glaube, er muß gut laufen können, Less. Rathsherr möchte ich nun freylich gern
werden, Raben. Nun sind freylich diese Töne sehr einfach, aber u. s. f. Er mag
nun kommen, oder nicht. Sie mögen mich nun noch so sehr hassen, so werde ich
mich doch nie beklagen, Gell. Das möcht ich nun nicht gern. 5) Ingleichen einen
möglichen Fall zu begleiten. Wenn er nun nicht da ist? Wenn er sich nun nicht
bessert? Wenn er nun die Nacht sterben sollte? Wenn ich nun auch so gedacht
hätte? Wenn ich nun hundert Thaler gewönne, so wollte ich die Hälfte den Armen
geben. Und wenn ich es nun wäre, was wolltest du da thun? 6) Ferner eine
Versicherung, eine Bejahung anzukündigen, in der vertraulichen Sprechart. Nun,
wie ich dir gesagt habe. Nun ja! eine Bejahung, welche oft einen Unwillen
verräth. Eben dieser entschlossene Unwillen blickt auch in einigen der
folgenden R. A. hervor. Ich kann ihn nun nicht leiden. Ich will es nun haben.
Es ist nun einmahl so. 7) Oft dienet es auch in andern Fällen dem Unwillen oder
dem Verweise zur Begleitung. Wer wird denn nun alle Worte auf die Goldwage
legen? Was nun das für Dinge sind? Da hast du mir nun die ganze Sache verderbt.
Nu, warte du, ich will dich schon wieder kriegen, Weiße. Nun, man sollte
denken, du wüßtest es nicht. Nun, was das wieder für eine beleidigende Antwort
ist. Nun, was soll denn das heißen? Was hätt' ich aber nun die ganze Zeit vom
Lachen? Kost. Was wird es denn nun seyn? 8) Ingleichen eine vertrauliche Frage
anzufangen, wo es ale Mahl voran stehet. Nun, was fehlet ihnen? Nun, wie
befinden sie sich? Nun, wie stehen unsre Sachen? Nun, wie gefällt ihnen mein
Gärtchen? Nun, Friedrich, was willst du? Und zuweilen auch allein stehet, die
Fortsetzung der Rede von dem andern heraus zu locken. Aber, liebste Themire! -
- Them. Nun? Nerine ging vorhin in den Garten. - - Nun? - - und da verlor sie
es. 9) Ferner, eine Verwunderung zu begleiten, wo es gleichfalls die Rede
anfängt. Nun, das muß ich bekennen! Nun, da ist mir ein rechter Stein vom
Herzen! Nun, die muß recht beherzt gewesen seyn! Nun, so will ich doch gern
sehen, was daraus werden wird! Nu, ist doch alles ganz leer! 10) Wie auch einen
vertraulichen Beyfall. Nun, das ist ja recht gut, daß du das gethan hast. Nun,
wenn das ist. 11) Eine Aufmunterung, einen beherzten Entschluß. Nun, so sey es
denn. Nun, so will ich denn kommen. Nun, so will ich es wagen. Nun, so erkläre
dich deutlicher. Nun, so gib mir die Hand darauf. Nun, so sey es! 12)
Ingleichen eine Besänftigung, wo es gemeiniglich verdoppelt wird. Nun, nun, wir
wollen sehen. Nun, nun, wenn er dich auch Ein Mahl du hieße, Gell. Nun, nun,
ich muß wissen, was an dir ist, ebend. Nu, nu, es wird schon wieder vergehen.
Nun, nun, wenn das ist. Anm. Aus diesen und andern dergleichen Fällen mehr,
welche hier um der Kürze willen übergangen werden, erhellet, daß diese Partikel
im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart ein sansftes
Verbindungewörtchen ist, welches fast in allen Fällen gebraucht werden kann, wo
keine mehr hervorstechende Partikel nöthig ist, die es oft bloß mildern, so wie
es die meisten sanftern und gelindern Gemüthsbewegungen zu begleiten pflegt.
Dieses Wörtchen lautet im gemeinen Leben nur nu, schon im Isidor, bey dem
[
539-540] Kero, Willeram u. s. f. gleichfalls nu, im
Nieders. Dän. Schwed. Holländ. und Isländ. auch nu, bey dem Ulphilas nu und
nuna, im Persischen nuh, im Russischen nu, im Böhm. nyni, nyncko, im Lat. nunc,
im Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , und, wenn es
das Bindewort ist, ohne das Anfangs -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - , im Finnländ. mit einem andern Endlaute nyt. Ob es gleich viele
Wahrscheinlichkeit hat, daß es mit nahe und neu verwandt ist, so scheinet es
doch fast noch glaublicher, daß das Hauptwort Nu, ein Augenblick, noch die
erste eigentliche Bedeutung aufbehalten hat, da es denn mit dem Lat. nuere,
Nutus, mit unserm nicken, neigen und nähen oder nahen, so fern es anfänglich
überhaupt sich bewegen bedeutet hat, Eines Geschlechtes seyn würde. Es kann
seyn, daß das Bindewort nun wenigstens in einigen Bedeutungen ein von dem
Nebenworte nun ganz verschiedenes Wort ist; zumahl da dieses im Nieders. nu und
im Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , jenes aber im
Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und im Nieders.
no lautet. Indessen lässet es sich nur muthmaßen, denn Beweise sind davon noch
nicht geführet. [
539-540]