Niederträchtig
, [
499-500] -er, -ste, adj. et adv.
welches von niedrig und tragen abstammet. Es bedeutet, 1. * Eigentlich, niedrig
von Statur, von Größe, eigentlich sich niedrig tragend; eine in der anständigen
Schreibart der Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche aber in den gemeinen
Sprecharten, so wie im Oberdeutschen noch sehr üblich ist. So werden kleine
niedrige Schafe auch in Meißen niederträchtige Schafe genannt, im Gegensatze
der hochbeinigen. Ein niederträchtiger Felsen, d. i. ein niedriger, Bluntschli,
ein Schweizer. Zwey niederträchtige Stühle, Stumpf, auch ein Schweizer. 2.
Figürlich. 1) * Demüthig, d. i. Fertigkeit besitzend, andrer Vorzüge mehr als
die seinigen zu schätzen, und darin gegründet; eine im Hochdeutschen
gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher es noch im Oberdeutschen häufig
ist, wo oft die Niederträchtigkeit der Heiligen als eine vorzügliche Tugend
gerühmet wird. Der Gegensatz ist das gleichfalls Oberdeutsche hochtragend,
stolz, hochmüthig. 2) Sehr merklichen Mangel an vernünftiger Ehrliebe
besitzend, und darin gegründet, tiefe Geringschätzung eigener Würde durch seine
Handlungen verrathend; ingleichen, in dieser Denkungsart gegründet. Ein
niederträchtiger Mensch. Ein niederträchtiges Gemüth. Niederträchtig seyn,
handeln. Ein niederträchtiges Betragen. Man kann seinen geringen Werth fühlen,
weil man zu träge ist, sich Verdienste zu erwerben, dieses ist
Niederträchtigkeit und nicht Demuth, Gell. Da dieses Wort in der jetzt
gedachten Bedeutung, in welcher es im Hochdeutschen nur allein gangbar ist,
einen sehr harten und beleidigenden Begriff gibt, so ist in der glimpflichern
Schreibart dafür oft niedrig üblich. Bey den Schwäbischen Dichtern findet sich
noch eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. So singt z. B. der von Gliers:
Sit ich so nidertrehtig bin Das ich ir minne enberen muos;
wo es unglücklich, unterdruckt, zu bedeuten scheinet.
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501-502]