Nähren
, [
421-422] verb. reg. welches in
doppelter Gestalt gebraucht wird. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben.
1) Absolute, nahrhafte Theile enthalten, solche Theile enthalten, welche durch
ihren Übergang in den thierischen Körper dessen Theilen Zusatz geben und die
auf mancherley Art abgehenden Theile ersetzen. Mehlspeisen nähren gut. Der Kohl
nähret schlecht. 2) Mit der vierten Endung des Nennwortes, solche Nahrung
geben. Diese Speise hat mich gut genähret. In welcher Bedeutung es doch
seltener vorkommt. 2. Als ein Activum. 1) In engerm Verstande, Speise geben,
darreichen. (a) Eigentlich, in welcher jetzt veralteten Bedeutung neran bey dem
Ottfried für speisen vorkommt. Man findet es nur noch zuweilen in weiterm
Verstande, als gewöhnliche Speise geben und darreichen. Du nährtest dein Volk
mit Engelspeise, Weish. 16, 20. Auch als ein Reciprocum. Sie nähren sich vom
gottlosen Brot, Sprichw. 4, 17. (b) Figürlich, die innere Stärke befördern.
Geduld durch Grundsätze genährt und durch Schicksale gehärtet. Wir müssen
unsere Seele mit Grundsätzen der Tugend genährt haben. 2) In weiterer und
gewöhnlicherer Bedeutung, die nöthigen Nahrungs- und Unterhaltungsmittel des
thierischen Lebens gewähren, darreichen. (a) Eigentlich. Sehet die Vögel unter
dem Himmel - und euer himmlischer Vater nähret sie doch, Matth. 6, 26. Er
nährete ihn mit den Früchten des Feldes, 5 Mos. 32, 13. In häuslicher Stille
von unserer Arbeit genährt, Geßn. Eine Schlange im Busen nähren. In dieser
Bedeutung, wofür jetzt ernähren üblicher ist, kommt es noch zuweilen in der
höhern Schreibart vor. Gewöhnlicher ist es in Gestalt eines Reciproci, sich
nähren, sich die nöthigen Nahrungsmittel, sich den Unterhalt verschaffen;
obgleich auch hier das zusammen gesetzte ernähren gebraucht wird. Sich
kümmerlich, reichlich nähren. Die Sache, welche zum Erwerbungsmittel der
Nahrung dienet, bekommt die Vorwörter von und mit. Sich mit Spinnen, mit
Stehlen nähren. Sich vom Raube nähren. Ein einziger alter Eichbaum ist eine
Welt für ganze Heere verschiedener Thiere, die sich von ihm nähren, Gell. Im
Oberdeutschen gebraucht man es häufig mit der zweyten Endung. Sich Bettelns
nähren, Opitz, vom Betteln. Der sich der wurtzlen neren thut, Hans Sachs;
welche Wortfügung auch in der Deutschen Bibel nicht selten ist. Sich seines
Schwertes nähren, 1 Mos. 27, 40. Sich seiner Hände Arbeit nähren, Ps. 128, 2.
(b) Figürlich, den Grund der Fortdauer einer Sache enthalten. Der Traurige
liebt alle die Bilder, die seine Leidenschaft nähren. In welcher Bedeutung
ernähren nicht üblich ist. Anm. In der heutigen Bedeutung schon bey dem
Ottfried neran und gineren, im Nieders. nären, im Schwed. nära, im Dän. nähren,
im Engl. to nurse und nourrish, im Norweg. nörrie, und sogar im Grönländ.
nerrick. Es scheinet zu naschen und nießen in genießen zu gehören, und
eigentlich essen und zu essen geben, bedeutet zu haben, zumahl da auch ehedem
nesen dafür üblich war, wie sogleich erhellen wird. Das Lat. nutrire ist
sichtbar damit verwandt, entweder vermittelst des schon gedachten nesen,
nießen, weil s und t beständig in einander übergehen, oder auch so, daß das t
in dem Deutschen nähren ausgestoßen, oder in dem Lat. nutrire eingeschaltet
worden. Die Italiäner sagen mit einem weichen d nodrire, und die Franzosen
stoßen auch dieses d nach Art der Niedersachsen ganz aus, nourrir. (
S. Naschen und Nahrung.) Für Nährung ist zuweilen das
Nähren; oft aber auch Ernährung üblich. Einige Mundarten sprechen es mit einem
scharfen e aus, daher man es auch oft nehren geschrieben findet. Ehedem wurde
dieses Wort sehr häufig auch in weiterer Bedeutung theils für erretten,
befreyen, theils aber auch für heilen, von einer Krankheit befreyen, gebraucht,
da es denn auch nesan, genesan lautete, weil r und s sehr oft mit einander
abwechseln. So kommt nerren schon im Isidor für salvare vor. In dieser
Bedeutung ist es längst veraltet, außer daß genesen noch in der mittlern
Gattung davon übrig ist,
S. dasselbe. [
423-424]