Die Muße
, [
327-328] plur. inus. die von
ordentlichen Beschäftigungen, von Berufsgeschäften übrige oder freye Zeit,
Befreyung von ordentlichen Geschäften. Die Poesie will Muße haben. Meine
Berufsgeschäfte lassen mir nicht viele Muße übrig. Gute Muße haben,
hinlängliche von pflichtmäßigen Geschäften freye Zeit. Seine Muße gut anwenden.
Die gelehrte Muße, gelehrte Anwendung der von Berufsgeschäften freyen Zeit.
Wenn ich mehr Muße bekommen werde. Junge Leute muß man immer beschäftigen, und
ihnen zu Thorheiten keine Muße lassen, Sonnenf. Etwas mit Muße verrichten, sich
hinlängliche bequeme Zeit dazu nehmen. Ingleichen die völlige Freyheit von
allen pflichtmäßigen Beschäftigungen. Die Ehre wohnet nicht auf dem Rosenbette
der weichlichen Muße. Zur Trägheit in den Armen einer wollüstigen Muße gewöhnt,
findet er (der Zärtling des Glückes) die Tugend und die Verdienste zu mühsam,
Dusch. Anm. Dieses alte Wort lautet schon bey dem Kero und Ottfried Muaze. Der
letzte gebraucht es auch für Zeit überhaupt, in themo muaze, in dieser
Zwischenzeit, indessen. In den Monseeischen Glossen ist Muozu so wohl otium als
licentia; Muozigi wird daselbst durch vacuitas, und muozigero Slaffi durch
lenti torporis erkläret. Bey dem Notker ist Vnmuozzecheit Beschäftigung, und
bey dem Willeram muozegan, gemuozegan, sich einer Sache entschlagen, sich Muße
von ihr verschaffen, und im Kero muozzan Zeit seyn. Im Ital. ist musare und im
Franz. muser müßig seyn, müßig gehen, daher in der letztern Sprache amuser die
Zeit, die Muße und deren unangenehme Empfindung vertreiben. Im mittlern Lateine
ist Musardus und im alten Französ. Musar ein müßiger, träger, dummer Mensch.
Aus allem erhellet, daß der Begriff der Ruhe, des Mangels der Bewegung, in
diesem Worte der herrschende ist, welcher durch dessen Seiten verwandte noch
mehr bestätiget wird. Im gemeinen Leben einiger Gegenden ist müsseln so wohl
als nüsseln zaudern, und müsselig zauderhaft, langsam in seinen Verrichtungen.
Im Nieders. bedeutete musen ehedem in tiefem Nachdenken versunken seyn, wo noch
jetzt das Engl. to muse und das Holländ. muisen, muiseneren, wovon noch unser
Duckmäuser und Kalmäuser herstammen. (
S. auch 2 Maus und 2 Mausen,) wo zugleich der verwandte
Begriff der Heimlichkeit, der Verborgenheit mit eintritt. Es kann seyn, daß die
Bedeutungen des Wortes Muße und aller seiner Verwandten bloße Figuren von dem
veralteten musen, flistern, murmeln, sind, wovon das Lat. mussitare und das
Nieders. musseln, mustern in eben dieser Bedeutung noch als In- tensiva oder
Frequentativa üblich sind. Papias erkläret das mittlere Lat. musare durch
dubitat in loquendo, timet, murmurat. Musen würde also eigentlich eine
Nachahmung des musselnden Lautes seyn, zu welcher sich alle übrige Bedeutungen
als Figuren verhalten würden. Übrigens ist das Wort Muße mit den folgenden
Ableitungen und Zusammensetzungen bloß den Hoch- und Oberdeutschen Mundarten
eigen. Die Niederdeutschen und mit ihnen verwandte Sprachen kennen es nicht.
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329-330]