6. Das Mahl
, [
23-24] des -es, plur. die Mähler, in
der anständigern Schreibart nach dem Muster der Oberdeutschen die Mahle, die
Figur, das Bild eines Dinges, in weiterer Bedeutung, ein Erinnerungszeichen
einer Sache, und besonders der Zeit, in welcher ein Ding ist oder geschiehet,
und in engerer Bedeutung, ein Flecken, Makel, Fehler. 1. Das Bild eines Dinges,
eine Figur; eine größten Theils veraltete Bedeutung. Die Kinder auf dem Lande
pflegen noch mit Stücken Geld, Würfeln, oder andern mit Figuren versehenen
Körpern Mahl oder Unmahl zu spielen, wo denn Mahl die mit einer Figur versehene
Seite, und wenn mit Münzen gespielet wird, die Bildseite des Münzherren, Unmahl
aber die entgegen gesetzte oder leere Seite bedeutet. In dem Straßburgischen
Stadtrechte bey dem Schilter bedeutet Mal das Gepräge auf einer Münze. Das
Zeichen des Kreuzes, welches man mit den Fingern macht, heißt im Schwed. Mal,
und sich damit bezeichnen, mala. Das wichtigste Überbleibsel dieser Bedeutung
einer Figur, eines Bildes, ist unser Zeitwort mahlen, pingere.
S. dasselbe. 2. Ein sichtbares Erinnerungszeichen einer
Sache. 1) Eigentlich, wo es ein jedes Zeichen dieser Art bedeuten kann und
bedeutet hat, es sey nun geschnitten, gehauen, gestochen, gezeichnet, oder von
welcher Art es wolle. Indessen ist es doch in dieser ganzen Bedeutung nur noch
in einigen übrig gebliebenen Fällen üblich. (a) Überhaupt. Jacob nahm den
Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem
Maal, 1 Mos. 28, 18, 22. Jetzt ist in diesem Verstande das zusammen gesetzte
Denkmahl üblicher. Siehe das ist der Haufe und das ist das Maal, das ich
aufgerichtet habe zwischen mir und dir, Kap. 32, 51, 52, das Denkmahl. Und
Jacob richtete ein Mahl auf über ihrem Grabe, Kap. 35, 20, ein Grabmahl. Ihr
sollt kein Mahl um eines Todten willen an eurem Leibe reissen, 3 Mos. 19, 28.
Bey der Trauer über einen Todten sollt ihr euch keine Schnitte geben, und kein
buntes Mahl einbrennen, Michael. Wird aber an der Glatze oder da er kahl ist,
ein weiß oder röthlich Maal, so ist ihm Aussatz an der Glatze, 3 Mos. 13, 42 f.
Zeiget sich aber ein weißes oder röthliches Mahl, Michael. wo aber die folgende
Bedeutung eines Fleckens am meisten hervor sticht. Blaue Mähler, Franz.
Bleymies, blaue Flecken auf dem Pferdehufe, welche von geronnenem Blute
entstehen; dagegen die dürren Mähler ähnliche Flecken sind, welche durch
Austrocknung des Hufes verursacht werden. Ähnliche Bedeutungen sind noch in den
zusammen gesetzten Brandmahl, das Zeichen auf der Haut von einem Brande,
ingleichen ein eingebranntes Zeichen, Wundenmahl, im Oberdeutschen für Narbe,
Muttermahl, ein mit auf die Welt gebrachter Flecken, oder ein solches Gewächs
auf der Haut, Eifenmahl, Flecken von Eisenrost in der Wäsche, Merkmahl, in der
weitesten Bedeutung u. s. f. üblich. Es sey denn, daß ich in seinen Händen sehe
die Nägelmaal, Joh. 20, 21, die Zeichen, Spuren von den Nägeln, welches Wort in
der Theologie noch jetzt üblich ist, alsdann aber den Oberdeutschen Plural die
Nägelmahle behält. Andere Flecken am Leibe heißen bey Gellerten und in der
vertraulichen Sprechart im Plural Mähler. Im Forstwesen, dem Mühlenbaue u. s.
f. ist das Mahl das in einen Baum gehauene, geschlagene oder gebrannte Zeichen,
(
S. Mahlbaum und andere der folgenden Zusammensetzungen.)
In verschiedenen ländlichen Spielen ist das Mahl so wohl das Zeichen des Ruhe-
oder Standortes, ingleichen des Zieles, als auch dieser Ort und das Ziel
selbst, daher Opitz Mahl für Ziel überhaupt gebraucht:
In Summa allen ist sein Mahl und Ziel bestimmt.
Auch die Gränzzeichen, sie seyen nun von welcher Art sie
wollen, und die Gränzen selbst, werden im gemeinen Leben häufig Mähler und im
Oberd. Mahle genannt,
S. viele der folgenden Zusammensetzungen. Auf den
Flüssen einiger Länder werden die Zeichen, womit die gefährlichen Örter in
einem Flusse angezeiget werden, Mahle oder Mähler genannt; ist es ein Bündel
Stroh an einem eingeschlagenen Pfahle, so heißt es ein Strohmahl, ist es aber
ein Pfahl ohne Stroh, ein Bloßmahl. (b) In engerer Bedeutung, eine fehlerhafte
Stelle von andrer Farbe, ein Flecken, Makel. Im Oberdeutschen werden wenigstens
in manchen Gegenden, alle Flecken dieser Art Mahle und Mähler genannt. Ein
Obstmahl, Blutmahl, Weinmahl, ein Flecken von Obst, Blut oder Wein. Ein Mahl
aus der Wäsche machen, einen Flecken. Wo es ehedem auch Mail und Meil lautete,
und einen jeden Schmutzflecken bedeutete. Das Latein. Macula und Deutsche Makel
ist genau damit verwandt, indem sich der Gaumenlaut auch in den alten
Oberdeutschen Zeitwörtern mailigen, bemailigen, vermeiligen, vermalgen,
beflecken, besudeln und beschmutzen, befindet. Sich mit Schande bemeiligen,
Matthes. Im Ital. lautet es in dieser Bedeutung Macchia, im Engl. Mole, im
Holländ. Mael. Das Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - , schwarz, scheinet damit verwandt zu seyn. (
S. Mehlthau, Molch, Maser.) Figürlich bedeutete es
ehedem auch einen Fehler. Ane Mal und ane Scharten, sagt Stryker von einem
Schwerte. Ganz gesundt an alle Meyl, Theuerd. Kap. 34. Im Hochdeutschen ist es
in dieser Bedeutung veraltet, denn ob man gleich Flecken im Gesichte noch
zuweilen Mähler nennt, so geschiehet solches doch nur in der vorigen
allgemeinern Bedeutung ohne den Nebenbegriff des Fehlerhaften oder
Schändlichen. 2) Figürlich, die Zeit, wie oft eine Sache ist oder geschiehet,
daher es nur allein mit Zahlwörtern oder doch ihnen ähnlichen Bey- und
Fürwörtern gebraucht wird. Es scheinet hier zunächst das geschnittene oder
gemachte Zeichen dieser Art bedeutet zu haben, bis es nach einer gewöhnlichen
Figur von der Wiederhohlung selbst gebraucht worden, Es wird alsdann mit seinen
Bestimmungswörtern bald zusammen gesetzt, bald aber auch nicht, je nachdem die
in der Sprachlehre angegebenen Regeln der Zusammensetzung es erfordern oder
verbiethen. Verhalten sich die Bestimmungswörter des Wortes Mahl, so wie sich
jedes andere Adjectiv zu seinem Substantiv verhält, so ist die Zusammenziehung
unerlaubt. Dieses Mahl oder dieß Mahl, kein Mahl, jedes Mahl, das erste Mahl,
das letzte Mahl; so wie man schreibt, dieses Haus, dieß Jahr, jeder Mensch u.
s. f. So auch mit Hauptzahlen: Ein Mahl, zwey Mahl, drey Mahl, hundert Mahl;
nur daß Mahl mit bestimmten Zahlwörtern, wie Pfund, Loth, und so viele andere,
welche eine Zahl, Maß und Gewicht bedeuten, im Plural sein e verlieret: sechs
Mahl, nicht sechs Mahle. Im Dative hingegen wird es ordentlich declinirt: Er
gab es mir zu vier Mahlen. Ist hingegen die Bedeutung elliptisch oder
figürlich: es ist nun einmahl nicht anders, es wird schon einmahl geschehen,
oder ist ein gemeinschaftlicher Ableitungslaut vorhanden, wie in den Adverbien
jemahls, vormahls, nachmahls, nochmahls, niemahls, mehrmahls, damahls, und in
den Adjectiven zweymahlig, dreymahlig, mehrmahlig, so ist die Zusammenziehung
nicht allein erlaubt, sondern auch nothwendig. Von allemahl ist bereits an
seinem Ort gehandelt worden. [
25-26] Ein Fehler ist
es, wenn manche statt des s ein en anhängen, damahlen, niemahlen, jemahlen u.
s. f. für damahls, niemahls und jemahls. Eben so fehlerhaft sind allzu harte
Zusammenziehungen und Ausdrücke dieser Art, wie genugmahl oder genugmahls, für
oft genug, manchmahl für manches Mahl. Die meisten zusammen gezogenen
Nebenwörter dieser Art lassen sich vermittelst der Sylbe ig in Beywörter
verwandeln, da denn die auf mahls das s wieder hinweg werfen. Sein
zweymahliger, dreymahliger, oftmahliger Besuch. Dein mehrmahliger Antrag. Ihr
vormahliges Betragen. Mein nachmahliger Zustand. Allemahl, keinmahl, niemahls,
jemahls, dießmahl und manchmahl leiden solches nicht. Obgleich Mel schon bey
dem Ulphilas die Zeit überhaupt, und Mal und Mal im Schwed. und Isländ. eine
bestimmte Zeit bedeuten, so ist es doch als ein Zahlwort der Zeit, wie oft eine
Sache ist oder geschiehet, im Deutschen neuern Ursprunges. Die Alten hatten
dafür andere Wörter. Ottfried gebraucht dafür Stunt, Vuarba und Sinthe, welches
letztere eigentlich den Weg bedeutet; trizzug stunton, dreyßig Mahl, thria
stunta zuene, drey Mahl zwey, thia uuarba und thes sinthes, dieß Mahl. In eben
diesem Verstande kommt Sintha bey dem Ulphilas und Sinthe im Angels. vor, so
wie die Niedersachsen und Holländer auf ähnliche Art das Wort Reise gebrauchen,
twe Reise, zwey Mahl. Warf ist im Nieders. so wie im Schwed. Hwarf, auch noch
üblich; noch warf, nochmahls, dat ander warf, das andere Mahl, wohin auch das
veraltete Nieders. werle, jewerle, jemahls, unwerle, newerle, niemahls, u. s.
f. zu gehören scheinet. Auch Fahrt wurde ehedem im Hochdeutschen so gebracht;
zu dieser Fahrt, dieß Mahl, einfahrt, allefahrt, ein Mahl, alle Mahl, zu keiner
Fahrt, Theuerd. niemahls. Es kann daher seyn, daß in dieser Bedeutung des
Wortes Mahl auf ähnliche Art der Begriff der Bewegung der herrschende ist; es
kann aber auch seyn, daß es zunächst das Zeichen ausdruckt, womit man die
mehrmahlige Wiederhohlung zu bezeichnen pflegt. Merkwürdig ist indessen, daß im
Schwed. Mal auch einen Fall bedeutet; Twifwelsmal, ein zweifelhafter Fall,
Samwetsmal, ein Gewissensfall, Brottmal, ein strafbarer Fall. M und f sind
Buchstaben eines und eben desselben Organi, welche sehr oft mit einander
verwechselt werden.
S. die folgende Anmerkung. Anm. Auch im Schwed. ist Mal,
und im Angels. Mael, ein jedes Zeichen, und in engerer Bedeutung ein Ziel. Mahl
scheinet überhaupt zunächst ein geschnittenes, oder auf andere Art gemachtes
vertieftes oder erhabenes Zeichen zu bezeichnen, da es denn nicht nur zu 5.
Mahl mit dem Begriffe der Vertiefung und Erhöhung gehören, sondern auch mit
demselben von mähen, schneiden, stoßen u. s. f. abstammen würde. Vermittelst
der Ableitungssylbe el, ein Ding, bedeutet Mahel und zusammen gezogen Mahl, ein
geschnittenes oder auf ähnliche Art gemachtes Ding. Da mähen in manchen
Mundarten auch meiden, mähden lautet, Lat. metere, so erhellet daraus zugleich
die Verwandtschaft mit dem Lat. Meta, ein Ziel. Wenn man alle dein Anscheine
nach verschiedenen Wörter, welche Mahl lauten, genau untersucht, so wird man
finden, daß sich die meisten auf einen gemeinschaftlichen Stammbegriff zurück
führen lassen, welcher der Begriff der Bewegung ist, daher man machen und
mähen, so fern sie überhaupt ehedem bewegen bedeutet haben, als die Quelle
derselben ansehen kann.
S. das Zeitwort 2. Mahlen, molere, wo dieser Begriff der
Bewegung noch mehr hervorsticht. Gottsched, welcher die gleichlautenden Wörter
so gern durch die Schreibart zu unterscheiden suchte, und daher die Regel gab,
daß man die gleichlautenden Wörter von verschiedener Abstammung
[
25-26] auch im Schreiben unterscheiden müsse, schrieb
Mahl, convivium, -mal, bey den Zahlwörtern, und Maal, signum, so wie er malen,
pingere, und mahlen, molere, geschrieben haben wollte. Allein, er sündigte
dabey wider seine eigene Regel, indem Maal signum, und malen, pingere,
unstreitig von Einem Stamme sind, zu welchem auch sehr wahrscheinlich sein -mal
an den Zahlwörtern gehöret; welche also seiner eigenen Regel nach auch auf
einerley Art geschrieben werden müßten. Über dieß erschöpfen seine drey
Schreibarten, wenn sie auch richtig wären, die Zahl dieser Wörter nicht, daher
sie unzulänglich sind. Man thut also besser, man folget der allgemeinen und
weit sicherern Regel, nach welcher das l nach einem gedehnten Selbstlaute ein h
vor sich hat, zumahl da in den meisten dieser Wörter das h wirklich zum Stamme
gehöret, indem die meisten dieser Art von mähen, sich bewegen, abstammen.
S. 2. Mahlen, Anmerk. Übrigens spricht man ja alle diese
Wörter auf einerley Art aus, ohne eine Mißdeutung zu besorgen, warum sollte man
sie nicht auch auf einerley Art schreiben können? Gottsched kannte nur die
wenigsten gleichlautenden Wörter; hätte er sie alle gekannt, so würde ihn schon
dieß von der Unmöglichkeit seiner Regel haben überführen können. (
S. zum Beyspiel Katze.) Noch verwerflicher aber ward sie
bey ihm, da sie in der Anwendung sich immer auf offenbar falsche Ableitungen
gründete. [
25-26]